Deutschland braucht Mut zur Veränderung
Es muss sich etwas tun in Deutschland. Damit die Wirtschaftswende gelingt, braucht es einen Mentalitätswechsel hin zu mehr Leistungsbereitschaft, so FDP-Chef Christian Lindner.
In seinem Rechenschaftsbericht machte der FDP-Chef klar: „Wir haben keine Zeit zu verlieren, nicht für unser wirtschaftliches Wachstum und nicht für den Klimaschutz.“ Die Weckrufe zur Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands dürften nicht überhört werden, mahnte Lindner. „Die Wirtschaftswende ist nicht ein Projekt der Freien Demokraten, die Wirtschaftswende muss ein Projekt unseres Landes sein.“
Deutschland dürfe sich sein Potenzial nicht kleinreden lassen, betonte Lindner. „Wir benötigen einen nüchternen Realismus, der den Mut zum Handeln aufbringt, damit sich die Lage verbessert. Das verstehen wir unter Wirtschaftswende.“ Wachstum und der Einsatz für die Wirtschaftswende seien jedoch kein Selbstzweck, stellte der FDP-Chef klar.
Wirtschaftliche Stärke ist geopolitische Stärke
Die Durchhaltefähigkeit der Ukraine sei auch eine deutsche Aufgabe, so Lindner. „Wir unterstützen die Ukraine, weil sie unsere First Line of Defence ist.“ Die Aufgabe, Frieden und Freiheit in Deutschland, Europa und der Welt zu verteidigen, sei nicht limitiert auf wenige Quartale oder Jahre, unterstrich der FDP-Chef. Er machte deutlich: „Potenziell ist es eine Aufgabe für Jahrzehnte und Generationen und deshalb kann das nicht auf Pump erfolgen. Wir brauchen dafür unsere Wirtschaftskraft.“
Wachstum ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit
Es gebe Millionen Menschen im Land, die nicht zufrieden seien mit ihrer Lebenssituation und sie verbessern wollten. In einer stagnierenden Gesellschaft könne der Einzelne die eigene Situation jedoch nur verbessern, wenn jemand anderem etwas weggenommen werde, gab Lindner zu bedenken. „Die stagnierende Gesellschaft führt zu einem hart ausgefochten Ellbogenwettbewerb.“ Die Freien Demokraten wollten den Menschen das individuelle Vorankommen erleichtern und dafür brauche die Gesellschaft insgesamt wieder eine Wachstumsperspektive. Er fasste zusammen: „Wirtschafts- und wachstumsfreundliche Politik ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit.“
Marktwirtschaft statt Subventionen
Für den FDP-Chef ist klar, dass Politiker und Beamte nicht über die zukünftige Wirtschaftsstruktur bestimmen sollten. Es sei schlicht nicht möglich, zu wissen, welche Technologie sich durchsetzen werde. „Es sollte der marktwirtschaftliche Wettbewerb, die Bereitschaft zu unternehmerischem Risiko, der Erfindungsreichtum von Ingenieuren und Technikern sein und die Entscheidungen der Menschen, die die Wirtschaftsstruktur bestimmen. Denn nur eine solche, im Wettbewerb gewachsene Wirtschaftsstruktur hat nachhaltige Zukunft.“
Bürokratiebelastung hat einen Namen: Ursula
Bei den Wachstumshemmnissen der Wirtschaft rangiert die Bürokratie ganz oben. Dies liege allerdings nicht in erster Linie an nationalen Vorschriften, gab der FDP-Chef zu bedenken. Justizminister Marco Buschmann habe das Bürokratieentlastungsgesetz IV auf den Weg gebracht und damit Bürgerinnen und Bürger um eine Milliarde Euro weniger lästigen Erfüllungsaufwand entlastet. „Aber in der gleichen Sekunde kommt die Nachhaltigkeitsberichterstattung aus Brüssel. Und die verursacht 1,4 Mrd. Euro Bürokratiekosten“, so Lindner. „Der Bürokratiestress in unserem Land hat einen Vornamen: Ursula.“
„Bei jeder Form von Bürokratie oder Verbot wird doch implizit gesagt, dass die ehrlichen Kaufleute, dass die Menschen in Freiheit keine vernünftige und verantwortungsbewusste Entscheidung treffen, sondern dass sie Beamte und Politik und Gesetze und Richtlinien, Erlasse, Satzungen brauchen, damit sie vernünftig, verantwortlich und nachhaltig agieren“, kritisierte Lindner. „Ich bin überzeugt gerade die deutsche Wirtschaft, die exportiert nicht nur Produkte und die importiert nicht nur Produkte, die exportiert auch die Werte der deutschen sozialen Marktwirtschaft in die Welt. Und deshalb verdienen sie Respekt und Vertrauen.“
Fachkräftemangel bremst Wachstum
Wenn Menschen als Fach-, Führungs- und Arbeitskräfte fehlten, dann könnten Aufträge nicht angenommen oder abgearbeitet werden, dann müssten Öffnungszeiten gekürzt werden, erinnerte Lindner. „Eine nicht geleistete Arbeitsstunde fehlt für Wachstum aber auch als Steuereinnahme und als Beitrag zur Stabilisierung unserer Sozialversicherung. Deshalb müssen wir bei unserem Arbeitsmarkt den Blick darauf richten, den grassierenden Fach-, Führungs- und Arbeitskräftemangel zu schließen.“
Ein wichtiger Baustein hierfür sei das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das eine Zäsur in der deutschen Einwanderungspolitik darstelle. Er hob hervor: „Viel zu lange haben wir es in Deutschland denjenigen schwer gemacht zu kommen, die wir in unserem Arbeitsmarkt dringend brauchen. Aber viel zu lange haben wir es denjenigen leicht gemacht zu bleiben, die nicht in den Arbeitsmarkt einwandern wollten, sondern nur in unseren Sozialstaat.“
Arbeitsanreize stärken
„Egal ob Bürgergeld oder Rente, wir sollten nicht bezahlen, wenn Menschen nicht arbeiten, sondern wir sollten belohnen, wenn Menschen im Arbeitsleben bleiben wollen“, rief Lindner den Delegierten im Saal zu. Es gebe Menschen, die zusätzlichen Ehrgeiz hätten und dieses Engagement müsse unterstützt werden. „Sozial ist nicht dafür zu sorgen, dass sich Menschen Arbeitslosigkeit leisten können. Sozial ist dafür zu sorgen, dass mehr Menschen Freude daran haben, sich einzubringen in unserer Gesellschaft.“
Wirtschaftswende muss ein Deutschland-Projekt werden
Es gehe bei der Wirtschaftswende auch um die Mentalität, machte Lindner klar. „Wenn man spitzenmäßig Verantwortung in der Welt tragen will, wenn man spitzenmäßige Standards für den Lebensstandard, die soziale Absicherung und die Ökologie haben will, dann muss man auf der anderen Seite aber auch bereit sein, wieder spitzenmäßige Leistung zu zeigen“, sagte der FDP-Chef.
Auch in Zeiten der Krise und auch in unübersichtlichen politischen Zeiten wüssten die Freien Demokraten, wofür sie stünden, so Lindner zum Abschluss seines Rechenschaftsberichts. „Umso mehr kommt es auf jede und jeden bei uns an, deutlich zu machen, dass wir nichts aufgegeben haben von unseren Überzeugungen, sondern dass wir weiter die einzige Kraft der Freiheit in Deutschland sind.“