Wir leiten die standortpolitische Zeitenwende ein

Der russische Angriffskrieg samt seiner Folgen, der digitale Wandel und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft erfordern die Erneuerung des Geschäftsmodells Deutschlands, meinen Christian Lindner und Marco Buschmann in ihrem gemeinsamen Gastbeitrag für die fdplus.

Pflänzchen
Zukunftsinvestitionen, Erneuerung und die Sicherung unseres Wohlstands brauchen zukunftsfähige Rahmenbedingungen.

Unser Land steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Der russische Angriffskrieg samt seinen Folgen, der digitale Wandel und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft erfordern Investitionen in nahezu beispiellosem Umfang. Sie erfordern die Erneuerung des Geschäftsmodells Deutschlands. Nur so können wir unseren Wohlstand unter den dramatisch veränderten Bedingungen sichern.

Dazu gehört – neben der Diversifizierung unserer Energiequellen und Rekordinvestitionen in die öffentliche Infrastruktur und in den Klimaschutz – auch, Deutschland zu einem der führenden Standorte in Europa für Start-ups und Wachstumsunternehmen zu machen. Denn neue und frische Ideen aus Start-ups wirken weit über das eigene Unternehmen hinaus: durch neue Arbeitsplätze, konkrete Problemlösungen, neue Produkte und Dienstleistungen.

Um den Standort Deutschland zu stärken, muss es uns gelingen, in großem Umfang privates Kapital zu mobilisieren. Denn: Fast 90 Prozent aller Investitionen werden vom privaten Sektor erbracht – das vergessen viele. Zugleich stellen Rückstände bei Digitalisierung und Internationalisierung sowie eine überbordende Bürokratie große Hürden für nationale sowie internationale Investoren und Unternehmen dar.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, erarbeitet das Bundesfinanzministerium gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium ein Zukunftsfinanzierungsgesetz für Deutschland. Dabei verfolgen wir einen umfassenden Ansatz. Neben finanzmarktrechtlichen Anpassungen und der Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts wollen wir auch die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen verbessern. So werden wir den Zugang zum Kapitalmarkt verbessern und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtern. Anhand von fünf Punkten lassen sich wesentliche Maßnahmen unseres Gesetzesvorhabens zusammenfassen:

1. Wir stärken die Aktienkultur im Land

Wir wollen Aktien zum Jedermann-Produkt machen. Vermögensaufbau und Altersvorsorge mit Aktien sind schon mit geringen monatlichen Beträgen möglich und deshalb gerade auch für kleine und mittlere Einkommen sehr attraktiv zum Vermögensaufbau. Darüber hinaus sehen wir vor, die Rahmenbedingungen für die Aktienanlage zu verbessern, indem wir den gesonderten Verlustverrechnungskreis für Aktienveräußerungsverluste abschaffen.

Von einer hieraus resultierenden höheren Aktienanlage profitieren neben den Anlegern auch unsere Unternehmen, die sich leichter Eigenkapital beschaffen, höhere Investitionen tätigen und Sicherheitspuffer für Krisenzeiten schaffen können.

2. Wir etablieren Deutschland als führenden Gründungsstandort

Neben der nachfrageseitigen Stärkung soll auch das Angebot gestärkt werden. Ziel ist, die Anzahl börsennotierter Unternehmen in Deutschland zu erhöhen. Dabei stellen Erleichterungen bei den Börsenzulassungsanforderungen und den Zulassungsfolgepflichten einen wichtigen Ansatzpunkt für die Erhöhung der Attraktivität des Kapitalmarkts dar. Darüber hinaus prüfen wir auf nationaler Ebene, wie die regulatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Kapitalmarktzugang bereits jetzt vereinfacht werden können.

3. Wir erleichtern Unternehmen Zugang zu Eigenkapital

Die Möglichkeit, über den Kapitalmarkt Eigenkapital beschaffen zu können, ist Kernfunktion und wichtiger Anreiz für den Börsengang von Unternehmen. Hierbei wollen wir eine flexiblere Gestaltung ermöglichen, indem wir Mehrstimmrechtsaktien zulassen und es Gründerinnen und Gründern somit ermöglichen, auch nach einem Börsengang die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten. Zugleich gewährleisten wir dabei den Schutz der Investoren. So beseitigen wir ein mögliches Hindernis für den Gang an die Börse und stärken zugleich Investitions- und Innovationsmöglichkeiten.

4. Wir erhöhen die Freibeträge für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung

Die Beteiligung von Arbeitnehmern am Kapital eines Unternehmens ermöglicht es Arbeitgebern, ihren Angestellten ein attraktives Angebot zu machen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten ihrerseits ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit vergrößern. Dafür soll der Freibetrag von bisher 1.440 Euro auf 5.000 Euro angehoben werden.

5. Wir schaffen zukunftsfähige Rahmenbedingungen

Modernisierung des Kapitalmarkts heißt auch Digitalisierung des Kapitalmarkts. Wir werden daher die Möglichkeit zur Ausgabe elektronischer Wertpapiere auch auf Aktien ausweiten. Ebenso braucht ein moderner Kapitalmarkt eine auch technisch zeitgemäße Aufsicht. Daher bauen wir Digitalisierungshemmnisse ab und verbessern weiter die Rahmenbedingungen für eine englischsprachige Kommunikation mit der BaFin. So erhöhen wir die Attraktivität des deutschen Standorts auch für internationale Investoren und Unternehmen.

Mit Blick auf die einleitend beschriebenen Herausforderungen ist entschlossenes Handeln notwendig. Nur so können wir eine Zeitenwende in der Standortpolitik einleiten. Mit dem Inkrafttreten des Zukunftsfinanzierungsgesetzes noch in der ersten Hälfte der Legislaturperiode gelingt uns hierbei ein weitreichender Schritt. Einen, den es ohne uns Freie Demokraten in der Regierung nicht gegeben hätte.

Dieser Artikel erschien zuerst in der fdplus 04|2022.