FDP für Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik
Die Zahl der Asylverfahren in Deutschland steigt. Vielen Kommunen in Deutschland droht bei Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern eine Überlastung. Die FDP fordert nun ein Umdenken.
Angesichts steigender Migrationszahlen schlagen viele Kommunen Alarm. Bund und Länder suchen Lösungen. So wollen die Länder bei einer Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz deutlich mehr Geld vom Bund für die Versorgung der Flüchtlinge durchsetzen. Für die Freien Demokraten ist das nicht das Mittel der Wahl. „Es geht nicht nur um die Verteilung der finanziellen Lasten, sondern vor allem um die Herstellung von Kontrolle. Wir brauchen Migration, aber von Fachkräften in den Arbeitsmarkt“, betont FDP-Chef Christian Lindner. „Irreguläre Migration hingegen müssen wir wirksam angehen — durch Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten, konsequentere Rückführung, mehr Sach- statt Geldleistungen und zügige Umsetzung des neuen EU-Asylsystems.“
Das Präsidium der FDP hat sich nun einmal mehr dem Thema Migration und deren Begrenzung und Steuerung gewidmet und den Beschluss „Irreguläre Migration rechtsstaatlich und geordnet wirksamer bekämpfen und spürbar reduzieren“ gefasst. Bayerns FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen betonte auf einer Pressekonferenz am Rande von Gremiensitzungen: „Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik. Einerseits sind wir angewiesen auf die Einwanderung von Fachkräften, um dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Gleichzeitig müssen wir die irreguläre Migration eindämmen.“ Der Präsidiumsbeschluss trägt dem Rechnung. Er umfasst neun konkrete Vorschläge, um Druck von den Kommunen zu nehmen und irreguläre Migration wirksamer zu bekämpfen.
Maghreb-Länder müssen sichere Herkunftsstaaten werden
Nach Ansicht Martin Hagens „brauchen wir ganz dringend dreierlei: Erstens einen konsequenteren Grenzschutz an den EU-Außengrenzen, zweitens schnellere Asylverfahren und drittens dann auch konsequentere Rückführungen von Personen ohne Bleibeperspektive.“ Er erneuerte den Vorschlag seiner Partei, Marokko, Tunesien und Algerien zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, um die Asylverfahren von Staatsbürgern dieser nordafrikanischen Staaten zu beschleunigen. Diesen Vorschlag hatten die Grünen zwar schon zurückgewiesen. Hagen stellte aber klar: „Das sind alles Staaten mit einer sehr geringen Asylanerkennungsquote. Hier muss sich auch die Partei, mit der wir gemeinsam in der Bundesregierung sitzen, Bündnis 90 Die Grünen, bewegen.“
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte: „Ja, da haben wir einen Konflikt innerhalb der Koalition, vor allem mit dem grünen Koalitionspartner, aber das ist etwas, was aus unserer Sicht zentral ist und eine Notwendigkeit, und deswegen werden wir auch diese intensive Auseinandersetzung innerhalb der Koalition führen.“ Menschen aus den Maghreb-Staaten hätten ohnehin nur eine geringe Chance darauf, in Deutschland als Asylsuchende anerkannt zu werden.
Bezahlkarte und Sachleistungen für Asylbewerber
Der zweite Punkt, den Hagen hervorhob, betrifft die Frage der sogenannten Pull-Faktoren, also Anreize zur irregulären Migration nach Deutschland: „Die können wir reduzieren, indem wir von Geldleistungen auf Sachleistungen umstellen bei den Asylbewerbern“, so Hagen. Die FDP schlägt eine bundesweite Bezahlkarte vor, mit der Asylbewerber ihren täglichen Bedarf im Einzelhandel decken können. Anders als bei der Auszahlung von Geld wären damit jedoch keine Rücküberweisungen in Herkunftsländer möglich, heißt es in dem Beschluss des Parteipräsidiums vom Montag.
„Damit würde ein wesentlicher Anreiz zur Einreise in die Sozialsysteme entfallen“, argumentiert die FDP in ihrem Papier. Hagen schränkte ein: „Wir sollten das aber so tun, dass es einen geringstmöglichen bürokratischen Aufwand für die Kommunen bedeutet.“ Er ist sicher: „Die Bezahlkarte bringt die Vorteile des Bargelds mit den Vorteilen der Sachleistungen überein und ist damit eine pragmatische Lösung.“
Wir müssen FRONTEX stärken
Des weiteren brauche es einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen: „Wir sind überzeugt, wir müssen gerade die Mittelmeeranrainerstaaten stärker dabei unterstützen, ihre Grenzen zu sichern. Wir müssen FRONTEX stärken. Wir dürfen auch die Seenotrettung nicht privaten Akteuren überlassen, sondern das sollte eine hoheitliche Aufgabe sein“, so Hagen. Die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX sollte „perspektivisch auch die Seenotrettung im Mittelmeer und die Ausschiffung der Geretteten in sichere Drittstaaten mit Migrationsabkommen übernehmen“, heißt es dazu im Beschluss. Bijan Djir-Sarai ergänzte mit Blick auf die aktuelle Situation auf Lampedusa, dass sich die FDP gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Italien ausspreche. Die Kommunen seien schon jetzt akut überfordert. „Sollte es anders kommen, werden wir hier ein Problem in der Koalition bekommen“, sagte er.
Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht in der hohen ungesteuerten Migration eine Gefahr für die fiskalische und gesellschaftliche Stabilität Deutschlands. „Wir machen es denen zu schwer zu kommen, die wir als Arbeitskräfte brauchen. Und wir machen es denen zu leicht zu bleiben, die von unserem Sozialstaat profitieren wollen“, sagte Lindner der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Er forderte, „alles, was rechtlich möglich ist“ zu tun, „um die Zahlen irregulärer Einwanderung zu reduzieren“. Dabei seien sowohl die Ampel-Parteien als auch die Bundesländer gefordert, an einem Strang zu ziehen, sagte der FDP-Chef.
„Ich will würdigen, dass die Grünen mehrfach über ihren Schatten gesprungen sind. Die Migrationspolitik unterscheidet sich wesentlich von der Vorgängerregierung“, sagte Lindner. Zwei sichere Herkunftsländer seien immerhin beschlossen worden. Er würde „aber begrüßen, wenn die Grünen ihre Position prüfen“. Deutschland sei „ein weltoffenes Land, das qualifizierte Einwanderung braucht und humanitäre Verantwortung für bedrohte Menschen übernimmt. Das findet aber nur gesellschaftliche Akzeptanz, wenn zugleich irreguläre Einwanderung eingedämmt wird“, mahnte Lindner.
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