Wir brauchen einen Flüchtlingsgipfel auf internationaler Ebene
Nach UN-Angaben sind seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine mehr als 3,1 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland geflohen. Um den Schutzsuchenden rasch zu helfen, müssen alle Akteure an einem Strang ziehen.
In Deutschland sind seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine mehr als 225.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine registriert worden. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen, da Ukrainer ohne Visum einreisen dürfen und viele bei Freunden und Verwandten Zuflucht gefunden haben. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Johannes Vogel zeigte sich im Statement nach der Präsidiumsklausur bewegt vom Engagement der Menschen, die „jetzt ganz konkret helfen, ihre Gästezimmer freiräumen“, um Schutzsuchende aufzunehmen. Zusätzlich zur privaten Initiative brauche es aber auch eine gute Administration. Verkehrsminister Volker Wissing und NRW-Flüchtlings- und Integrationsminister Joachim Stamp hätten beide unterstrichen, „wie groß die Herausforderung ist, vor der wir gerade stehen“, so Vogel.
Wir brauchen einen Masterplan
Zwei Dinge seien jetzt vordringlich: „Erstens, dass wir zwischen Bund, Ländern und Kommunen alle Beteiligten an einen Tisch bringen und uns auch für die nächsten Tage und Wochen vorbereiten, was die organisatorischen Herausforderungen angeht.“ Zweitens brauche es einen Flüchtlingsgipfel auf internationaler Ebene: „Wir müssen die beeindruckende Hilfsbereitschaft der Menschen in Polen und hierzulande dadurch flankieren, dass wir einen internationalen Verteil-Mechanismus etablieren: international, aber auch auf Ebene der Europäischen Union.“ Dies sei auch als Anforderung an die europäische Ratspräsidentschaft zu verstehen.
Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Joachim Stamp fordert einen „Masterplan“ zur Bereitstellung von einer Million Unterkunftsplätzen für ukrainische Geflüchtete in Deutschland. Der stellvertretende Ministerpräsident sagte im Deutschlandfunk, dass niemand sagen könne, auf welche Größenordnung man sich einstellen müsse. Aus seiner Sicht wäre es „fahrlässig, das jetzt laufen zu lassen“. Deswegen brauche man einen Plan, um so schnell wie möglich eine Million Betten bzw. Unterkünfte anbieten zu können.
Internationale Solidarität bei der Verteilung
In einem zweiten Schritt gehe es dann um die weitere Verteilung. Zwar gebe es eine unglaubliche Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung, jedoch werde es um Zahlen gehen, die „wir in Deutschland alleine nicht stemmen können. Dafür brauchen wir internationale Hilfe“. Stamp nannte in diesem Zusammenhang die Länder Kanada, die USA, Australien, Portugal und Spanien. Alle Länder müssten sich beteiligen und große Kontingente aufnehmen.
Er sehe in den europäischen Ländern eine ganz andere grundsätzliche Bereitschaft als noch bei der Flüchtlingskrise 2015. „Aber ich glaube, dass die Dimensionen der aktuellen Krise noch nicht allen klar sind.“ Stamp betonte, dass „der Bombenterror von Wladimir Putin darauf abzielt, Menschen zu vertreiben, und unsere Gesellschaften zu destabilisieren – auch hier in Europa.“ Nicht nur zeitnah auf nationaler Ebene, sondern auch bei einem EU-Gipfel solle daher über die Verteilung der Flüchtlinge gesprochen werden, erklärte Stamp. „Es ist wichtig, dass es jetzt eine Luftbrücke geben wird, auch aus Polen, um die Menschen, die dort in ganz großen Mengen ankommen, international zu evakuieren.“
Zugleich brauche es eine nationale Kraftanstrengung. „Die Kommunen müssen wissen, dass sie sich jetzt auf Bund und Länder verlassen können“, fügte der Landesminister im ZDF hinzu. Finanziell dürften die Kommunen nicht im Regen stehen gelassen werden. Die Anzahl der Flüchtlinge bedeute eine „enorme logistische Herausforderung. Das werden wir als Land mit den Kommunen alleine nicht hinbekommen. Da brauchen wir die Unterstützung des Bundes.“ Nötig sei auch ein laufender Krisenstab im Bund, bei dem Länder und Kommunen unmittelbar beteiligt seien.
Bundesweit würden dabei „alle großen Player“ gebraucht, „auch die großen Firmen, die großen Hilfsorganisationen, alle an einem Tisch, um genau zu besprechen, wie man einen solchen Masterplan umsetzen kann“. Bei der Verteilung der Flüchtlinge müsse geprüft werden, „ob man in den eher einwohnerärmeren Regionen im Osten möglicherweise großflächigere Einrichtungen bauen kann“. Im Interview mit dem Morgenmagazin bekräftigte er: Bund und Länder würden die Kommunen bei der Flüchtlingsaufnahme „finanziell nicht im Regen stehen lassen.“
Bundesverkehrsminister Volker Wissing wiederum erklärte seine Bereitschaft, schon zur Unterstützung in Polen Sonderzüge einzusetzen. „Allerdings müssten wir dann wissen, wo die anhalten sollen. Und das müssten dann Aufnahme- und Verteilzentren sein, die eine größere Zahl von Geflüchteten aufnehmen können.“ Er mahnte: „In diesen Tagen kommt es darauf an, dass wir alle an einem Strang ziehen. Wir stehen mit der Deutschen Bahn bereit, weitere Hubs in ganz Deutschland aufzubauen, um unsere Metropolen aber auch unsere Nachbarn in Polen zu entlasten, die derzeit Enormes leisten.“
FDP-Chef Christian Lindner unterstrich im Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“: „Wir tragen unseren Teil der Verantwortung und werden Menschen Schutz bieten. Ich halte das für richtig. Auch in Ländern wie Italien, Spanien, Kanada oder Israel leben schon jetzt viele Ukrainer. Hier können wir helfen, Menschen zusammenzuführen, wenn sie das wollen.“
- Joachim Stamp im Deutschlandfunk
- Joachim Stamp im ZDF-Morgenmagazin
- Statement Johannes Vogel nach der Präsidiumsklausur
- Interview mit Bettina Stark-Watzinger
- Joachim Stamp im Interview mit dem WDR
- Volker Wissing im Interview
- Verteilung europaweit koordinieren
- NRW-Migrationsminister Joachim Stamp über die Unterbringung Hunderttausender