Europa muss jetzt hellwach sein

FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann warnt eindringlich vor den Konsequenzen des jüngsten Telefonats zwischen Putin und Trump. Europa müsse jetzt geschlossen und entschlossen handeln. Insbesondere Kanzlerkandidat Merz müsse liefern.

Strack-Zimmermann vor der Bundespressekonferenz
"Die Tragödie ist, dass Putin Trump weit überlegen ist", so die Einschätzung von Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat erneut mit US-Präsident Donald Trump in einem Telefonat über einen Waffenstillstand in der Ukraine gesprochen. FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann betont bei Welt, dass es grundsätzlich positiv sei, wenn die beiden miteinander reden. Dennoch hält sich ihre Zuversicht in Grenzen. Strack-Zimmermann spricht von „gespenstischen Vorgängen“. 

„Putin macht der Welt vor, er sei verhandlungsbereit. Trump macht der Welt vor, dass er Putin und Russland verstehe“, so die Vorsitzende des europäischen Verteidigungsausschusses. Die Tragödie bestehe darin, dass Putin seinem amerikanischen Gegenüber weit überlegen sei. Der US-Präsident agiere völlig erratisch – geradezu unberechenbar. Putins Ziele seien im Gegensatz dazu unmissverständlich: Er wolle die Ostukraine, die Krim. 

Und offenbar habe er es auch auf das größte Atomkraftwerk der Ukraine abgesehen, das bereits von russischen Truppen besetzt ist. Strack-Zimmermann schlägt Alarm: „Mir wird wirklich schlecht bei der Vorstellung, dass Trump gerade gesagt hat, es ginge um Gebiete und es ginge auch um Energiesicherheit.“ Die Kontrolle über das Kraftwerk könnte für Putin ein entscheidender Trumpf sein – ohne das Atomkraftwerk ginge der Ukraine die Energie aus. Europa müsse nun „hellwach“ sein. Am Verhandlungstisch säßen zwei Männer, die sich womöglich daran machten, den Kontinent untereinander aufzuteilen. 

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Einen gerechten Frieden gibt es nur aus einer Position der Stärke

Dass die Ukraine Sicherheitsgarantien brauche, sei klarer denn je. Schließlich habe Putin auch seit der Ankündigung eines Gesprächs mit Trump die Ukraine mit Tausenden Raketen und Drohnen bombardiert. Dass die damalige Deutsche Kanzlerin Merkel 2008 einen NATO-Beitritt der Ukraine ablehnte, während die USA dafür plädierten, bezeichnet Strack-Zimmermann am Rande als „historischen, riesigen Fehler“. Heute, unter Trump, haben die USA einen NATO-Beitritt der Ukraine schon ausgeschlossen. Eine Kehrtwende hält Strack-Zimmermann für „unwahrscheinlich“. Doch sie gibt sich hoffnungsvoll: „Es gibt noch eine Zeit nach Donald Trump.“

Klar sei: Ein Waffenstillstand und darauf hoffentlich folgende Friedensverhandlungen könnten nur aus einer Position der Stärke heraus erfolgen, davon ist Strack-Zimmermann überzeugt. Andernfalls werde Putin genau das tun, was ihm gelegen kommt – „so wahr ich hier sitze.“ „Er wird das letztlich umsetzen wollen, was er vor drei Jahren angekündigt hat: nämlich die komplette Ukraine zu vereinnahmen. Das ist sein Ziel.“ Daran habe er nie Zweifel gelassen.

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Europa muss nun umso mehr an der Seite der Ukraine stehen

Doch die größte Tragödie sieht Strack-Zimmermann darin, dass Trump Putin nahezu widerstandslos entgegenkommt. Trump, der sich selbst eigentlich als großen Dealmaker bezeichnet, habe Russlands Positionen übernommen: die Übergabe der Krim, möglicherweise der Ostukraine, keine Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Europa müsse nun umso mehr an der Seite der Ukraine stehen – mit militärischer Unterstützung, wirtschaftlicher Hilfe und humanitären Maßnahmen. „Das ist das Einzige, was wir tun können.“ Und vor allem müsse Europa verhindern, dass Trump und Putin über Europas Zukunft entscheiden. „Das darf und wird nach 80 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nicht passieren“, mahnt Strack-Zimmermann. Die europäischen Staaten müssten an der Seite der Ukraine am Verhandlungstisch sitzen. 

Was kann Deutschland tun? Die Bundeswehr stärken – und dafür auch ausreichend finanzielle Mittel bereitstellen, fordert Strack-Zimmermann. Die Freien Demokraten wollten hierfür einen Verteidigungsfonds einrichten, doch dieser Gesetzentwurf wurde am Dienstag im Bundestag abgelehnt. Stattdessen wurde eine Lockerung der Schuldenbremse beschlossen, um Verteidigungsausgaben über ein Prozent des BIP auf Pump zu finanzieren. Für Strack-Zimmermann ist das ein Fehler: „Es kann nicht sein, dass ein Prozent im Haushalt steht und der Rest immer nur über Schulden läuft.“ Auch die Schaffung eines Sondervermögens ohne klare Zweckbindung für die Verteidigung sieht sie kritisch: „Wir müssen der Bundeswehr alles geben, was sie braucht. Wir müssen verteidigungsfähig werden.“

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Merz muss liefern

Besonders aufmerksam werde sie in den kommenden Wochen das Handeln von CDU-Chef Friedrich Merz beobachten: „Vorsicht an der Bahnsteigkante. Was Friedrich Merz betrifft.“ Er habe ja bereits Wahlversprechen gebrochen. Merz müsse anders handeln als Kanzler Scholz, der in Europa oft als „stummer Fisch“ wahrgenommen wurde. Europa erwarte mehr – dazu gehöre auch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Strack-Zimmermann erinnert daran, dass Merz ihr bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine entsprechende Zusicherung gegeben habe. „Ich bin sehr gespannt, ob er sich an sein Wort hält. Wenn ich allerdings die Debatte sehe und das, was die CDU gerade macht, dann glaube ich an gar nichts mehr.“