Bürgerrechte gelten auch im digitalen Raum

Die EU-Kommission hat ihren Gesetzentwurf zur Chatkontrolle vorgestellt. Nach Ansicht der Freien Demokraten kann er als Angriff auf die Bürgerrechte gewertet werden.

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Eine generelle flächendeckende Überwachungsmaßnahme privater Korrespondenz gerade auch im digitalen Raum lehnen die Freien Demokraten ab.

Die EU-Kommission hat ein flächendeckendes, aus Brüssel gesteuertes Überwachungssystem vorgeschlagen. Ein neues „EU-Zentrum gegen Kindesmissbrauch“ soll neben Instagram, E-Mail-Anbieter und Messengerbetreiber wie WhatsApp, Telegram, Signal oder Threema dazu zwingen, auch private Chats zu durchleuchten, um Aufnahmen sexualisierter Gewalt gegen Kinder zu suchen. 

Auf den Vorstoß gibt es scharfe Kritik aus Zivilgesellschaft und Politik. Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing meint: „Allgemeine Chatkontrollen sind nicht hinnehmbar.“ Es gebe ein Recht auf Verschlüsselung. Der FDP-Europaabgeordnete und FDP-Präsidiumsmitglied Moritz Körner spricht von einem „großen Angriff der EU-Kommission auf alle Bürgerrechte der 440 Millionen europäischen Bürger. Mit der Überwachung, die die Europäische Kommission vorgeschlagen hat, wäre das digitale Briefgeheimnis tot.“

„Digitale Bürgerrechte sind keine Bürgerrechte zweiter Klasse“, gibt auch Bundesjustizminister Marco Buschmann zu bedenken. „Eine generelle flächendeckende Überwachungsmaßnahme privater Korrespondenz gerade auch im digitalen Raum lehnt mein Haus ab“, twitterte das FDP-Präsidiumsmitglied.

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Er sei gegen eine „Chatkontrolle“. Gegenüber dem „Spiegel“ erläuterte er den Grund seiner Bedenken: „Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder die strenge Verhältnismäßigkeit heimlicher Ermittlungsmaßnahmen vor dem Hintergrund des besonders geschützten Brief- und Fernmeldegeheimnisses angemahnt.“

Die Chatkontrolle ist wohl auch nicht mit dem Koalitionsvertrag vereinbar. SPD, Grüne und die Freien Demokraten haben darin versprochen, die digitalen Bürgerrechte und die IT-Sicherheit stärken und ein Recht auf Verschlüsselung schaffen zu wollen. Buschmann will im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch stattdessen auf gut ausgestattete Strafverfolgungsbehörden, zeitgemäße und präzise Instrumente und auf Prävention setzen.

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Chatkontrolle wäre eine anlasslose Massenüberwachung

Zuvor hatte Digitalminister Volker Wissing (FDP) hervorgehoben: „Allgemeine Chatkontrollen sind nicht hinnehmbar. Wir brauchen einen geschützten Raum privater Kommunikation.“ Einige der Vorschläge aus Brüssel beunruhigten ihn daher. Er verwies in diesem Zusammenhang auf deren besonderen Schutz, weil dies in Deutschland als Fernmeldegeheimnis ein Grundrecht sei. Wissing betonte, der Schutz von Kindern vor Missbrauch habe für ihn höchste Priorität. „Gleichzeitig müssen wir digitale Bürgerrechte schützen, dazu gehört ein Recht auf Verschlüsselung“. Er sprach von „vielen offenen Fragen“: So müsse etwa geklärt werden, wie die betroffenen Anbieter die zunächst erforderliche Risikoeinschätzung vornehmen sollen, ohne sich von den Inhalten der Kommunikation Kenntnis zu verschaffen.

Noch schärfer als Wissing geht Moritz Körner mit dem Vorhaben ins Gericht: „Das wäre eine Big-Brother-Agentur, die die private Kommunikation der Bürger überwacht. Diese Stasi 2.0 ist aus meiner Sicht abzulehnen“, sagte er in einer Aussprache im EU-Parlament. „Das hat mit europäischen Werten nichts zu tun. Das sind chinesische Vorbilder. Ich appelliere an die Europäische Kommission: Nehmen Sie diesen Vorschlag zurück, sonst brauchen Sie in Zukunft nicht mehr über Bürgerrechte zu reden.

Er betont, der Kampf gegen Kinderpornografie dürfe nicht als Vorwand genutzt werden, „um eine noch nie dagewesene Zerstörung unserer Privatsphäre“ zu rechtfertigen. „Die Chatkontrolle wäre eine anlasslose Massenüberwachung.“ Auch Körner fordert eine bessere Ausstattung der Polizei, der EU-Behörde Europol und mehr Kooperation der EU-Staaten.

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Leutheusser-Schnarrenberger: Frontalangriff auf die Bürgerrechte

Der Entwurf „überschreitet alle Vorstellungen“, warnt die Vize-Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung und ehemalige Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. „Er ist ein Frontalangriff auf die Bürgerrechte im digitalen Raum und hebelt das digitale Briefgeheimnis faktisch aus.“ Auch die seit Langem umkämpften Upload-Filter und die von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bereits auf deutscher Ebene vorangetriebenen Websperren kehrten zurück.

Der Vorschlag werde „das digitale Briefgeheimnis zerstören und den Sinn verschlüsselter Kommunikation ad absurdum führen“, beklagt Leutheusser-Schnarrenberger. „Allein die Möglichkeit, dass ein Scannen und Filtern von Inhalten angeordnet werden kann, reicht bereits aus, um die Vertraulichkeit der Kommunikation de facto abzuschaffen.“ Die Liberale befürchtet, dass so Elemente eines „dystopischen Romans von George Orwell“ rasch Wirklichkeit zu werden drohten.

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