Quick-Freeze statt Massenüberwachung
Bundesjustizminister Marco Buschmann hat seinen Gesetzentwurf zum Quick-Freeze-Verfahren veröffentlicht. Das Verfahren ist laut Buschmann eine effektive, rechtssichere und grundrechtskonforme Alternative zur Vorratsdatenspeicherung.
Die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ist seit über einem Jahrzehnt ausgesetzt. Bereits 2008 wurde die vorsorgliche Speicherung von Telekommunikationsdaten wegen grundrechtlicher Bedenken auf Eis gelegt. Nun bringt Bundesjustizminister Marco Buschmann neue Bewegung in diese langjährige Debatte. Sein Gesetzentwurf achte, so betont er, die Grundrechte, sei rechtssicher und effektiv. Am Donnerstag hat er die Pläne an Bundesländer und Fachverbände übermittelt, die nun innerhalb von sechs Wochen eine Stellungnahme abgeben sollen. Das vorgeschlagene Quick-Freeze-Verfahren zielt dabei darauf ab, Telekommunikationsdaten nur dann zu speichern, wenn der Verdacht besteht, dass die Daten im Zusammenhang mit einer schweren Straftat stehen.
Im Gegensatz zum Quick-Freeze-Verfahren beinhaltet die Vorratsdatenspeicherung die anlasslose Speicherung der Daten aller Bürgerinnen und Bürger — vorsorglich also — um dann im Falle einer schweren Straftat darauf zugreifen zu können. Buschmann machte deutlich: „Ein solches Instrument der Massenüberwachung passt nicht zu unserem liberalen Rechtsstaat.“ FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle teilte diese Auffassung in einem Interview mit Deutschlandfunk: „Das Quick-Freeze-Verfahren hat eben den Vorteil, dass Tatverdächtige entsprechend einer Datenspeicherung unterzogen werden, aber nicht 80 Millionen Bundesbürger, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen.“ Buschmann erteilte den Befürwortern der Vorratsdatenspeicherung eine klare Absage: „Alle Versuche, in Deutschland eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung einzuführen, sind vor Gericht gescheitert. Auch nach den jüngsten Urteilen des Europäischen Gerichtshofs wäre eine solche Maßnahme mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden.“
Datenspeicherung nur bei konkretem Anlass
Bereits 2008 setzte das Bundesverfassungsgericht Teile der deutschen Vorratsdatenspeicherung per Eilentscheidung aus – der Auftakt zu weiteren Gerichtsurteilen, die das Vorhaben scheitern ließen. Im September 2022 stellte der Europäische Gerichtshof schließlich fest, dass die allgemeine und anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten gegen Grundrechte verstößt.
Buschmann ist überzeugt, dass sich niemand mehr wirklich frei fühlen würde, wenn der Staat ohne konkreten Anlass die Verbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürger überwacht. Gleichzeitig betonte er, wie notwendig es für Staatsanwaltschaften und Polizei sei, wirksame Mittel im Kampf gegen das Verbrechen zur Verfügung zu haben. Quick-Freeze bietet hier eine Lösung, die sowohl den Interessen der Polizei als auch der Bürger gerecht wird: Im Gegensatz zur Vorratsdatenspeicherung ist es ein gezieltes Instrument, das die Speicherung von Daten nur bei konkretem Verdacht auf eine Straftat erlaubt.
Konkret läuft das Verfahren in zwei Schritten ab. Bei Verdacht auf eine schwere Straftat wie etwa Raub, Mord, Kindesmissbrauch oder Totschlag können Ermittlungsbehörden in einem ersten Schritt bei einem Richter beantragen, die Verbindungsdaten, die im Zusammenhang mit dem Verbrechen stehen, „einzufrieren“. Dieser sogenannte Richtervorbehalt dient dem Schutz der Grundrechte der betroffenen Personen. In dringenden Fällen kann auch die Staatsanwaltschaft die Anordnung treffen, wobei das Gericht die Maßnahme innerhalb kurzer Zeit bestätigen muss. Zeit ist dabei entscheidend, denn Telekommunikationsanbieter löschen die Daten in der Regel innerhalb weniger Tage. Ist das „Einfrieren“ der Daten erfolgt, haben die Ermittlungsbehörden einen Monat Zeit, den Verdacht zu konkretisieren. Ein Richter kann dann, bei ausreichend verdichteten Hinweisen, die Einsicht in die Daten anordnen. Unter bestimmten Umständen kann diese Frist um bis zu drei Monate verlängert werden.
Mehr Sicherheit durch Bürgerrechte
Zu den erfassten Verbindungsdaten gehören IP-Adressen und Telefonnummern sowie Informationen über Gesprächsdauer und Kontaktpersonen. Bei Mobiltelefonen werden zusätzlich geografische Daten erfasst. Die Inhalte von Gesprächen oder Nachrichten sind ausdrücklich nicht betroffen.
Auch nach geltendem Recht können Ermittlungsbehörden bereits Verkehrsdaten erheben, allerdings unter strengeren Voraussetzungen als im Quick-Freeze-Verfahren. Derzeit dürfen Verkehrsdaten nur bei Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat und gegen den Täter oder Teilnehmer einer solchen Tat übermittelt werden. Die neue Sicherungsanordnung greift hier früher ein: Es reicht, wenn die Verkehrsdaten im Zusammenhang mit dem Verdacht einer erheblichen Straftat stehen, ohne dass sich der Verdacht bereits gegen eine konkrete Person richten muss.
Das Quick-Freeze-Verfahren schließt eine seit Jahrzehnten bestehende Rechtslücke. Kuhle bezeichnet es als „guten Kompromiss zwischen den praktischen Anforderungen der Sicherheitsbehörden und den Bürgerrechten.“ Das ständige Beharren von Union und SPD auf einem verfassungswidrigen Instrument habe viel zu lange dazu geführt, dass eine effektive Verbrechensbekämpfung verhindert und den Strafverfolgungsbehörden Steine in den Weg gelegt worden sind. Buschmann fasst es so zusammen: „Quick-Freeze steht für anlassbezogenes Einfrieren von Daten statt für anlasslose Massenspeicherung.“ Das ist ein echter Meilenstein und zeigt: Bürgerrechte und effektive Strafverfolgung gehen Hand in Hand.
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