Mit Humor und Entschlossenheit
Marie-Agnes Strack-Zimmermann tourt derzeit als Spitzenkandidatin der FDP zur Europawahl durch das Land. Im Interview mit der "Bunten" berichtet sie, wie sie mit den verbalen Attacken umgeht und warum sie sich die Freude an der Politik nicht nehmen lässt.
Die FDP-Europaspitzenkandidatin Maria-Agnes Strack-Zimmermann steht, wie viele Politikerinnen und Politiker, zunehmend unter Beschuss. Von niedergebrüllten Wahlkampfauftritten bis hin zu Online-Beschimpfungen – die Anfeindungen sind vielfältig. In einem Interview mit der „Bunten“ analysiert sie die Gründe für die zunehmende Verrohung des politischen Diskurses: „Ich glaube, dass Corona ein entscheidender Faktor war. Menschen, die Angst vor der rasanten Entwicklung der Gesellschaft haben und sich möglicherweise alleingelassen fühlen, aber auch gewaltbereite oder gar radikalisierte Gruppen, haben im Internet Gleichgesinnte gefunden. Der Angriff Russlands auf die Ukraine verstärkt diese Ängste zusätzlich. Diese Gemengelage führt zu großer Unsicherheit.“
Strack-Zimmermann sieht sich als Projektionsfläche für den Frust mancher Menschen. Frauen würden generell ständig taxiert – sowohl für ihr Aussehen als auch für ihr Auftreten, auch von anderen Frauen. Man werde schnell beschimpft, wenn man laut und pointiert auftrete, was offenbar nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entspreche. Sie betont, ihr entschlossenes Auftreten sei kein zugelegtes, politisches Werkzeug. Sie sei schon immer so gewesen, schon lange bevor die Rollenbilder für Frauen und Männer gesellschaftlich diskutiert wurden. So fahre sie etwa seit 48 Jahren Motorrad, was für Frauen früher ungewöhnlich war. Häufig wird auch kritisiert, sie schaue zu ernst, doch dies sei schlicht Ausdruck ihrer Konzentration. Das störe sie selbst, denn sie sei eigentlich ein ausgesprochen fröhlicher Mensch. Morgens aufzustehen und schlecht drauf zu sein, kenne sie nicht.
Gelbe Karte für Hass & Hetze
Die Europaspitzenkandidatin ist erstaunt über die Gewaltfantasien und die Wut mancher Leute – im Internet sei es besonders schlimm, da dort zudem gezielt Trolle unterwegs seien. Solche Kommentare lösche sie und sperre die Accounts. Und sie erstatte auch Anzeige, „im Monat bestimmt gegen 200 Leute“, sagte sie in einem Interview mit dem „Spiegel“. Darunter seien „oft grobe Gewaltandrohungen, Nazisprache ist auch häufig dabei“. Diese Anfeindungen erhalte sie „im Netz und per Brief, jeden Tag“. Auch Morddrohungen häuften sich, so der Büroleiter der Europaspitzenkandidatin. Besonders ihre deutliche Unterstützung für die Ukraine, einschließlich der Lieferung von Waffen, wird angefeindet.
Bei den Anzeigen ist sie standhaft – sieht sie als eine Art Warnsignal: „In meiner Heimatstadt Düsseldorf wurde mal die sogenannte Gelbe Karte eingeführt, um junge Straftäter sofort und konsequent mit ihrer Tat zu konfrontieren. Auch die Eltern und die Schule wurden miteinbezogen, um förmliche Verurteilungen erst mal zu verhindern. Das hat gewirkt.“ Die Leute müssten, auch auf die harte Tour, lernen, dass man mit geistigem Dünnpfiff und drastischen Beleidigungen oder Drohungen nicht ungeschoren davon komme, sagte Strack-Zimmermann dem „Buisness Insider“. Jeder sollte sich gut überlegen, was er online teilt. Die Gerichte und die Staatsanwaltschaft seien inzwischen sehr sensibilisiert für das Thema und geben ihr Recht — „fast alle Prozesse werden gewonnen“.
Immer mit Humor
Die Entgleisungen einzelner Leute verletzten die Europaspitzenkandidatin aber nicht persönlich, dafür seien sie zu „blöd“. Sie versuche, der allgemeinen schlechten Stimmung entgegenzuwirken, manchmal auch mit Humor. So nutze sie beispielsweise eine abfällige Bemerkung, die von einem außenpolitischen Berater des Bundeskanzlers über sie gemacht wurde, für ihren Europawahlkampfspot. Dort reagiert sie auf die Bemerkung „Boah, die Alte nervt“ mit „Ja, stimmt, ich bin alt und ja, ich nerve, weil mir Politik eben nicht egal ist.“ Man dürfe nicht einfach das Recht des Stärkeren akzeptieren. Sie nerve bewusst die Richtigen – Bedenkenträger, Autokraten, Bürokraten und die Bequemen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann scheut sich nicht, in Auseinandersetzungen zu gehen. Sie könne nicht Ruhe geben, wenn es etwa um die Ukraine oder den Krieg gehe.
Ungebrochene Freude an Politik
Seit ihrem Wahlkampfstart am 6. Januar muss sie nicht nur mit verbalen Attacken rechnen. Deshalb begleiteten sie mehrere Personenschützer bei ihren Reisen. „Das ist ungewohnt, aber so ist es nun mal.“ Sie sei angesichts der Drohungen sensibler geworden und treffe Vorsichtsmaßnahmen: „Mit meiner Familie zeige ich mich so gut wie gar nicht in der Öffentlichkeit. Ich möchte nicht, dass sie fotografiert wird.“ Trotz allem betont die FDP-Spitzenkandidatin, dass sie sehr gerne Politikerin sei, weil sie die Möglichkeit habe, Dinge zum Guten zu verändern. Nun will sie ihre Arbeit noch internationaler ausrichten und wird auch in Brüssel bestimmt nicht leiser werden.