Merz muss jetzt liefern
Das Treffen der EU-Außenminister wurde vom russischen Angriff auf Sumy überschattet. Marie-Agnes Strack-Zimmermann spricht von einem „Völkermord“ und betont: „Hätten wir Taurus schon vor zwei Jahren geschickt, wäre der Krieg anders verlaufen.“

Das EU-Außenministertreffen am Montag stand im Zeichen des schweren russischen Angriffs auf die ukrainische Stadt Sumy. Am Palmsonntag trafen Raketen und Drohnen das Stadtzentrum, über 30 Menschen starben, mehr als 100 wurden verletzt – viele waren auf dem Weg zur Kirche.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europäischen Parlament, hält es für bezeichnend, dass der russische Präsident – der sich sonst als tiefgläubiger Mensch inszeniert – ausgerechnet „eine Woche vor Ostern Angriffe auf die Zivilbevölkerung startet“. Angesichts dieser Aggressionen kritisiert sie das Zögern des Westens, endlich anzuerkennen, dass Putin kein Interesse an Verhandlungen habe. „Er will die Menschen aus den Gebieten vertreiben, um sie leichter einnehmen zu können – das ist seit drei Jahren sein Ziel“, stellt Strack-Zimmermann bei „Welt“ klar. Das sei „Völkermord“.
Mit dem Taurus wäre der Krieg anders verlaufen
Die Ukraine müsse wehrhaft sein, betont Strack-Zimmermann und sieht Deutschland dabei in der Verantwortung. Sie begrüße dahingehend, dass der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz eine mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in Aussicht gestellt hat. Er hatte aber gleichzeitig angekündigt, eine Entscheidung über die Waffenlieferung nur in enger Abstimmung mit den europäischen Partnern treffen zu wollen. Strack-Zimmermann weist Merz in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die europäischen Partner nur darauf warteten, „dass Deutschland die Waffen liefert, über die wir verfügen, und endlich Stärke zeigt – sonst wird dieser Krieg nie enden.“
Seit fast zwei Jahren wird über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine in Deutschland heftig debattiert, bisher ohne Ergebnis. Strack-Zimmermann vertritt einen klaren Standpunkt: „Hätten wir Taurus schon vor zwei Jahren geschickt, wäre der Krieg anders verlaufen“. Der Taurus ist in der Lage, selbst große Bunkeranlagen zu durchdringen – und genau deshalb von enormer Bedeutung. Ein Vorrücken über die Krim hätte mit seiner Hilfe möglicherweise verhindert werden können, so die Verteidigungsexpertin im Gespräch mit „SWR“. Insofern hätten sowohl Deutschland als auch Europa Verantwortung zu tragen: „Dass wir eben nicht genug getan haben und das Ergebnis ist nun einmal, dass es brutal weitergeht“.
Friedrich Merz muss mit dem Zögern von Olaf Scholz brechen
Für Strack-Zimmermann ist klar: Die Verantwortung liegt jetzt beim Kanzlerkandidaten. Merz müsse seinen Worten Taten folgen lassen. Es sei seine Aufgabe, das Zögern von Olaf Scholz zu überwinden und die Führungsrolle zu übernehmen, die sowohl Europa als auch die Ukraine von Deutschland erwarten. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag heiße es: ‚Wir in Deutschland wollen wieder führen‘, erinnert sie. „Da kann Herr Merz jetzt schon mal anfangen – und konkrete, dezidierte Ansagen machen.“
„Taurus ist kein Wunder, aber Merz kann einen Unterschied machen. Wenn Deutschland das macht, werden andere europäische Länder nachziehen“.
US-Rückzug fordert Europa
Das Ziel, einen nachhaltigen Frieden in der Ukraine zu schaffen, sei sinnvoll, sagt die FDP-Politikerin. Doch: „Wenn die Ukraine nicht ausradiert werden soll, dann ist es gerade jetzt besonders wichtig, dass die Ukraine so ausgestattet ist, dass sie sich wehren kann, dass sie Stärke zeigt.“
Die Verteidigungsexpertin bezweifelt die Erfolgsaussichten von Friedensverhandlungen unter der Führung der USA – und sieht sich durch die jüngsten Entwicklungen bestätigt. Seit einem Monat spreche die Delegation des amerikanischen Präsidenten mit Russland, „und gar nichts ist besser geworden, sondern im Gegenteil – die Angriffe haben massiv zugenommen.“
Dies zeige ihrer Meinung nach, dass Putin den US-amerikanischen Präsidenten nicht ernst nehme, und zwar aus dem einfachen Grund heraus, dass dieser nur die amerikanischen Interessen im Blick habe. „Herr Trump möchte Buisness machen, Buisness in einem Land, das seit drei Jahren unter Feuer steht“, fasst sie die Intentionen des US-amerikanischen Präsidenten zusammen.
Vor diesem Hintergrund sei es laut Strack-Zimmermann entscheidend, dass Europa sich auf den Weg mache, zu kompensieren, was durch die neue Rolle der USA wegfalle. Es gehe jetzt darum resilient zu sein, Stärke zu zeigen, die Ukraine zu unterstützen „und eben auch das Material entsprechend in den nächsten Jahren gemeinsam zu beschaffen“.
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