Gebot der Stunde sollte Entlastung heißen
Die Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer lehnen die Freien Demokraten ab. Stattdessen müsse jetzt die Wirtschaft gestärkt und für eine echte und nachhaltige Entlastung gesorgt werden.
„Das Steuerrecht kennt keine Unter- und keine Übergewinne, sondern nur Gewinne“, stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner gegenüber dem „Stern“ klar. Es fehle eine klare, verlässliche und rechtssichere Definition, was Übergewinne eigentlich seien. Stattdessen brauche es vielmehr ein Kartellamt, das darauf aufpasst, dass Marktmacht nicht missbraucht werde. „Nötig sind auch aufmerksame Verbraucherschützer. Aber über das Steuerrecht zu gehen, das führt uns, wie man sagt, ins kurze Gras“, so Lindner. Er gab auch zu bedenken, dass Unternehmen in Deutschland bereits hohe Steuern zahlen müssten. Auch sei es so, dass „im stark diskutierten Bereich Mineralöl“ die Muttergesellschaften ihren Sitz im Ausland hätten.
Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warnt vor der Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer, einer Steuer auf übermäßige Unternehmensgewinne in Kriegs- und Krisenzeiten. Die ständigen Forderungen nach neuen Steuern bei SPD und Grünen seien schockierend. Jetzt sei „nicht die Zeit für Umverteilungsdebatten“, so Djir-Sarai. Im Interview mit dem „n-tv Frühstart“ stellte er klar: „Es ist eine reine, willkürliche Aktion, die Tür und Tor öffnen würde für weitere willkürliche Maßnahmen, die dann dazu gehören würden. Denn keine Branche wäre in Deutschland künftig sicher von staatlicher Überlegungen dieser Art. Deswegen ganz klare Ablehnung von der FDP.“
Stattdessen müsse die Wirtschaft gestärkt und für eine echte und nachhaltige Entlastung der Bürgerinnen und Bürger gesorgt werden, wie etwa durch eine große Steuerreform und die Abschaffung der kalten Progression, ist der Generalsekretär überzeugt.
Deutschland muss attraktiv für Unternehmen bleiben
Ähnlich kritisch äußert sich auch Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag: „Was gut klingt, ist in Wahrheit ein denkbar schlechtes Instrument. Eine Übergewinnsteuer wäre eine Aufforderung an innovative Unternehmen wie BioNTech, die derzeit gute Gewinne machen und bereits ordentlich Steuern zahlen, unser Land zu verlassen.“ Zudem stelle sich die Frage, „ob eine solche Unterscheidung verfassungsrechtlich haltbar wäre“, gibt Dürr zu bedenken.
Anstelle einer neuen Steuer brauche es Entlastungen, sind die Freien Demokraten überzeugt. Zudem sei Deutschland ohnehin bereits ein Hochsteuerland. „In Großbritannien etwa wurde eine Sondersteuer von 25 Prozent eingeführt, aber in Deutschland zahlen Unternehmen bereits rund 30 Prozent an den Staat. Das Gebot der Stunde sollte Entlastung heißen, nicht Belastung“, betont Dürr. „Wenn wir Wachstum, Wohlstand und damit steigende Steuereinnahmen haben wollen, dann müssen wir attraktiv für moderne Unternehmen sein und sie nicht vertreiben.“
Veraltete Mittel wie Steuererhöhungen passen nicht zu einer Zukunftskoalition
Auch FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke ist überzeugt, dass wir, statt über immer höhere Steuern nachzudenken, lieber Anreize dafür schaffen sollten, „dass Unternehmen in Deutschland wieder mehr investieren“. Nur so gelinge der Strukturwandel der Wirtschaft und Arbeitsplätze könnten gesichert werden. „Veraltete Mittel wie Steuererhöhungen passen nicht zu einer Zukunftskoalition“, findet Fricke deutliche Worte.
„Die Übergewinnsteuer ist ein Inflationstreiber“, warnt auch Bundesjustizminister Marco Buschmann. Wenn der Staat eine zusätzliche Steuer auf gestiegene Weltmarktpreise erhebe, treibe dies letztendlich die Verbraucherpreise in die Höhe. „Das können wir alle nicht gebrauchen.“ Lukas Köhler, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, warnte im Gespräch mit dem „Deutschlandfunk“ vor übermäßigen Markteingriffen. Stattdessen müssten Unternehmen investieren, um angesichts aktueller Krisen langfristig klimaneutral zu werden.
Übergewinnsteuer würde Wirtschaftsstandort schaden
„Eine Übergewinnsteuer für eine bestimmte Branche wäre die Büchse der Pandora, die Tür und Tor für weitere willkürliche Besteuerungsmaßnahmen öffnet. Keine Branche in Deutschland wäre künftig geschützt vor willkürlicher zusätzlicher Gewinnbesteuerung“, mahnt Djir-Sarai. Erreicht werde das Gegenteil von dem, was wichtig wäre, um die derzeitige Krise zu bewältigen: So werde der Wirtschaftsstandort Deutschland dauerhaft und massiv beschädigt, weil sich Unternehmen in Zukunft gegen Investitionen im Land entscheiden würden.
Die Bundesregierung tue derzeit alles dafür, dass die Wirtschaft nach den immensen Belastungen während der Corona-Pandemie wieder auf die Beine komme. „Außerdem entlasten wir die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft nach Kräften, um die Inflation, die durch den Angriffskrieg Russlands noch einmal drastisch verschärft wurde, abzufedern. Rufe nach neuen, völlig willkürlichen Steuern sind falsch und konterkarieren das Ziel, die Wirtschaft in unserem Land zu stabilisieren und die Krisensituationen erfolgreich zu meistern“, so der FDP-Generalsekretär.
Staat muss lernen, mit seinem Geld umzugehen
Katja Hessel, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, schrieb in einem Gastbeitrag für die „Welt“: „Angesichts der Inflation und drohenden Stagflation müssen wir den Druck von den Preisen nehmen, Staatssubventionen beschränken, gezielt die am stärksten belasteten Bürger entlasten sowie die Abhängigkeit des Staates von immer neuen Schulden beenden. Der Staat muss wieder lernen, mit dem Geld umzugehen, das er hat.“ Für Hessel ist klar, dass die „schnell formulierte, aber nicht zu Ende gedachte Idee der ‚Übergewinnsteuer‘ “, der arbeitenden Mitte der Gesellschaft, die besonders unter den aktuellen Preisansteigen leide, nicht helfe.
Stattdessen brauche es einen Ausgleich der kalten Progression sowie die gezielte Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen. Hessel kündigte an, dass es fair sei im kommenden Jahr höhere Regelsätze bei der Grundsicherung, einen höheren Grundfreibetrag und einen neuen Tarif der Einkommensteuer auf den Weg zu bringen. „Neben diesen zwingend notwendigen Maßnahmen sollten wir eine wirkliche Steuerreform diskutieren, die bei der breiten Mitte unserer Gesellschaft ankommt.“
Deutschland sollte die Finger von einer Übergewinnsteuer lassen
Auch Experten aus der Wirtschaft sehen eine Übergewinnsteuer äußerst kritisch. ifo-Präsident Clemens Fuest legt in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ acht Gründe gegen eine solche Sondersteuer dar. Wer hohe Gewinne mache, zahle bereits heute hohe Steuern. „Warum eine zusätzliche Steuer notwendig oder fair sein soll, ist unklar.“ Eine — womöglich sogar rückwirkende — Sondersteuer schüre Verunsicherung bei Unternehmen und schrecke Investoren ab, warnt Fuest. Auch werde es so für Unternehmen unattraktiv, Marktsignale sensibel zu beobachten und mit Aussicht auf Gewinne entsprechend Vorsorge zu treffen. Er gab zu bedenken, dass unterschiedliche Meinungen über die Moralität von Gewinnen keine Grundlage für eine Besteuerung sein dürften.
Auch interessant:
- FDP-Generalsekretär warnt vor ‚Übergewinnsteuer’
- Katja Hessel in der „Welt“: Eine spezielle Steuer für „Kriegsgewinnler“ ist der falsche Weg
- FDP-Fraktion lehnt Übergewinnsteuer auf kriegsbedingte Profite ab
- Wir entlasten die breite Mitte der Gesellschaft
- Köhler: Übergewinnsteuer wäre zu großer Eingriff in den Markt
- „Übergewinnsteuer“-Debatte
- Christian Lindner: „Inflationsbekämpfung muss Priorität haben“
- Infopapier „Übergewinnsteuer“