Finanzpolitische Stabilität in Europa sichern

Im November 2022 hat die Europäische Kommission einen Reformvorschlag für die EU-Schuldenregeln vorgestellt. Finanzminister Christian Lindner dringt in diesem Zusammenhang auf klare Regeln, die zu spürbar sinkenden Schulden führen.

Christian Lindner
Christian Lindner hat in der FAZ seine Vorstellungen für eine Reform des EU-Stabilitätspakts umrissen. © Xander Heinl/photothek.de

Die Europäische Kommission hat ihre Vorstellungen für eine Reform der Fiskalregeln vorgelegt. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni möchte die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten nicht mehr nach für alle gleich geltenden Regeln beurteilen, sondern die Fiskalpolitik mit den Ländern jeweils bilateral aushandeln. Bundesfinanzminister Christian Lindner warnt jedoch vor einer solchen „bilateralen“ Anwendung der Schuldenregeln. 

„Wir wollen Regeln, die nachvollziehbar sind und nicht dem politischen Belieben ausgesetzt sind, und wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass diese Regeln so realistisch und flexibel in der Handhabung sind, dass die Staaten auch ihre Investitionsnotwendigkeiten erfüllen können“, sagte er nach einem Treffen mit Gentiloni. Im Vorfeld des Finanzminister-Treffens schrieb er in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Es nützt nichts, Regeln zu haben, die dem politischen Belieben ausgesetzt sind und am Ende nie greifen. Auch muss der gemeinsame, multilaterale Charakter der fiskalischen Überwachung erhalten bleiben. Sonderwege für einzelne Staaten darf es nicht geben.“

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Stabilität mit Innovationskraft und Modernisierung in Einklang bringen

Es sei gerade das Kennzeichen liberaler Demokratien, fiskalische Stabilität mit Innovationskraft und Modernisierung in Einklang zu bringen. Deshalb müsse es jetzt darum gehen, die Statik des europäischen Hauses zu verstärken. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, das Kernstück europäischer Fiskalregeln, sei das Fundament dafür. „Bei einer Reform, über die jetzt diskutiert wird, sollten wir mutig und unmissverständlich vorgehen.“

Eine Neuordnung muss seiner Ansicht nach einer einfachen Erkenntnis folgen: „Europäische Fiskalregeln sind der Stabilitätsanker unserer Wirtschafts- und Währungsunion. Sie sind kein Selbstzweck. Sie sind auch keine variable Verhandlungs- und Interpretationssache. Sie garantieren, dass sich Menschen und Betriebe auf einen Staat verlassen können, der Maß hält und gleichzeitig seine Kernaufgaben erfüllt.“

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Konsolidierung der Haushalte verträgt keinen Aufschub

Sein Ziel sei klar: „In Mitgliedsstaaten mit hohen Schuldenquoten müssen die Regeln schnell, glaubwürdig und nachhaltig zu spürbar sinkenden Schulden führen. Die Referenzwerte von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beim Defizit und 60 Prozent des BIP beim Schuldenstand stehen nicht zur Disposition.“ So klar wie diese Grenzwerte seien, so klar „muss endlich aber auch deren Durchsetzung“ werden. 

Einhaltung und Durchsetzung müssten also gestärkt, Ermessensspielräume eingeschränkt werden. „Die Konsolidierung der Haushalte verträgt keinen Aufschub. Gleichzeitig müssen die Vorgaben aber auch so realistisch sein, dass sie keinen Vorwand liefern, sie gar nicht erst anzuwenden“, so Lindner. Für ihn sei vorstellbar, „den Zeitplan zum Schuldenabbau zu flexibilisieren, aber eben nicht die Richtung des Schuldenabbaus“. Es sei auch möglich, den fiskalischen Spielraum für Investitionen zu erweitern, „sofern der Abbaupfad der Staatsschulden im Rahmen der mittelfristigen Haushaltsziele eingehalten wird.“