Europa muss um beste Lösungen ringen
Der FDP wird oftmals eine Blockadehaltung vorgeworfen. Justizminister Marco Buschmann hält dagegen: Die EU braucht eine sachliche und transparente Debattenkultur, die gute Lösungen erzielt, denn so wird das Vertrauen in Europa gestärkt.
Der Rat der EU-Mitgliedsländer stimmt voraussichtlich am Mittwoch über die europäische Lieferkettenrichtlinie ab. Die FDP tritt dafür ein, den bisherigen Entwurf zu beerdigen. Nach den Wahlen solle die neue EU-Kommission einen frischen Vorschlag machen. „Diese Richtlinie schwächt unsere Wettbewerbsfähigkeit und überzieht die europäischen Unternehmen mit überflüssiger Bürokratie. Wir haben deutlich gesagt, dass wir alles verhindern werden, was unsere Wirtschaft schwächt“, machte FDP-Fraktionschef Christian Dürr deutlich.
Im Interview mit dem „Spiegel“ führte Marco Buschmann aus: „Meine Partei und ich sind glühende Fans der Europäischen Union.“ Doch nur weil eine Idee lange auf EU-Ebene verhandelt worden sei, „ist sie nicht automatisch gut“. Denn: „Verhandlungen sind kein Selbstzweck. Sie sollen zu einer guten Lösung führen.“ Bei schlechten Verhandlungsergebnissen müsse Nein gesagt werden dürfen.
„Wir dürfen uns keinen demokratischen Maulkorb verpassen“, stellte Buschmann klar. Die proeuropäische Begeisterung und das Bekenntnis zu einer starken EU dürften nicht dazu führen, einer sachlichen Debatte aus dem Weg zu gehen. Er unterstrich: „Sowas würde den Rechtspopulisten und Europaskeptikern mehr Zulauf bringen als eine Debattenkultur, in der wir uns mit sachlichen Argumenten um gute Lösungen bemühen.“
Lieferkettengesetz war nicht rechtssicher gestaltet
Der Justizminister ist sich sicher: Die Menschen wünschen sich eine nachvollziehbare, offene Debatte, wenn Europäisches Recht entstehen soll – „und nicht erst, wenn es schon längst verabschiedet ist“. Nach der Entscheidung wäre nichts mehr zu ändern und dann zu diskutieren, führe nur zu Frust. Buschmann warnte: „Das wäre Wasser auf die Mühlen derjenigen, die behaupten, in der EU könne man ohnehin keinen Einfluss nehmen.“ Diesem Eindruck gelte es, durch rechtzeitige, transparente Debatten zu EU-Vorhaben entgegenzuwirken.
Im Hinblick auf den Widerstand gegen das Lieferkettengesetz machte der Justizminister deutlich, dass es bereits heute Haftungsregelungen für Unternehmen gebe, die Menschen schuldhaft Schaden zufügten. Die EU-Lieferkettenregelung wäre jedoch weit über dieses Ziel hinausgeschossen und hätte Unternehmen verpflichtet, entlang ihrer gesamten Lieferkette umfassende Umwelt- und Menschenrechtsstandards zu verwirklichen. Gleichzeitig hätte die Richtlinie jedoch nicht ausreichend klar gemacht, wie weit die Unternehmen dabei gehen müssten. „Wenn eine schlecht gemachte Lösung zu enormer Rechtsunsicherheit führt, überwiegt dieser Nachteil den Vorteil aus den einheitlichen Regeln“, erklärt Buschmann.
FDP bleibt beim Nein zur EU-Lieferkettenrichtlinie
FDP-Vize Johannes Vogel sagte im Gespräch mit der „Zeit“: „Der Vorschlag schwächt sein eigenes gutes Ziel, und in der jetzigen Lage wäre es Wahnsinn, die Unternehmen mit noch mehr Bürokratie zu belasten. Vernunft ist der Maßstab für die FDP.“
„Wenn wir mit so einem scharfen Schwert wie der zivilrechtlichen Haftung arbeiten, muss schon aus rechtsstaatlichen Gründen für Unternehmen erkennbar sein, wo die rote Linie zwischen Recht und Unrecht gezogen ist. Sonst besteht untragbare Rechtsunsicherheit“, machte Vogel klar. Er mahnte, dass dies dazu führen könne, dass Unternehmen sich aus manchen Märkten vollständig zurückzögen und damit das Feld anderen überließen, „etwa chinesische Unternehmen mit deutlich weniger Rücksicht auf Menschenrechte und Ökologie“.
Christian Dürr sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Die FDP wird ihre Haltung zur Lieferketten-Richtlinie nicht mehr ändern.“ Würde die EU das Vorhaben verabschieden, drohe die Gefahr, „dass sich unsere Betriebe aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken aus Europa zurückziehen“, sagte Dürr. „Das werden wir nicht hinnehmen und haben deshalb unsere Haltung gegenüber dem Europäischen Rat auch schon im Herbst 2022 klargemacht.“ Das Abstimmungsverhalten sei deshalb für die anderen Mitgliedstaaten keine Überraschung. „Umweltstandards in anderen Teilen der Welt werden nicht dadurch verbessert, dass in Europa Aktenordner mit komplizierten Dokumentationen gefüllt werden“, betonte Dürr.