Es geht jetzt darum, pragmatisch zu sein

Die Gaskrise darf nicht zur Stromkrise werden, warnt Finanzminister Christian Lindner. Besser wäre es, die Atomkraftwerke noch bis 2024 zu nutzen, erläutert FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

Bijan Djir-Sarai
Die Freien Demokraten warnen: Aus der Gaskrise darf keine Stromkrise werden. © Laurence Chaperon

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat vieles verändert. Auch wir spüren Kriegsfolgen in Form von Knappheiten und steigenden Energiepreisen. Nach Ansicht der Freien Demokraten führt kein Weg an einer Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland vorbei.

Eine zeitlich begrenzte Streckung der Laufzeiten der noch verbliebenen Kernkraftwerke würde in der aktuellen Notlage helfen, den Gasverbrauch in der Stromproduktion soweit wie möglich zu senken, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im RTL-Frühstart. Dabei handelt es sich ausdrücklich nur um eine Streckung der Laufzeiten um wenige Monate, eventuell auch bis ins Jahr 2024 hinein.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Müssen alles dafür tun, dass im Winter keine Energiekrise entsteht

Darüber hinaus sei die Kernenergie langfristig in Deutschland jedoch keine Option. Die Politik könne aber eine mögliche Energiekrise verhindern. „Niemand muss in Deutschland frieren, niemand muss in Deutschland Sorge haben, dass Strom abgestellt wird“, sagte Djir-Sarai, „hier hat die Politik derzeit genügend Instrumente zur Verfügung.“ Davon solle sie Gebrauch machen: „Wir müssen alles dafür tun, damit im Herbst und im Winter keine Energie-Lücke, keine Energiekrise in Deutschland entsteht.“

Seiner Ansicht nach gibt es kaum eine andere Möglichkeit, die Energieversorgung im Winter zu sichern, ohne die Laufzeit der Atomkraftwerke zu verlängern. In einer Situation, in der Russland-Energie als Waffe einsetze, sei es außerordentlich unklug, Gas einzusetzen, um Strom zu erzeugen. „Das ist aus meiner Sicht eine völlig falsche Strategie“, sagte Djir-Sarai. Die drohende Energieknappheit ist seiner Ansicht nach kein Grund, den deutschen Ausstieg aus der Kernenergie insgesamt infrage zu stellen. „Niemand will in Deutschland erneut in die Technologie einsteigen. Diese politische Debatte haben wir in Deutschland hinter uns.“

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Putin setzt Energie als Waffe ein

Doch in der schwersten Energiekrise seit Jahrzehnten mitten im Winter drei sichere und klimaneutrale Kernkraftwerke vom Netz zu nehmen und dadurch auch mehr klimaschädliche Kohle zu verstromen als nötig, sei absurd. Einen zeitlich begrenzten Weiterbetrieb der drei verbliebenen Kernkraftwerke hält Djir-Sarai daher für richtig. Damit müsse weniger Gas für die Stromproduktion genutzt werden — und es stehe dann mehr den privaten Haushalten und der Industrie zur Verfügung.

FDP-Energieexperte Michael Kruse führte in einem Gastbeitrag für den „Focus“ aus: „Hier setzt jemand Energie als Waffe gegen uns ein.“ Deswegen müssten alle in Frage kommenden Versorgungsoptionen geprüft werden. Auch er plädiert für Pragmatismus: „Um für die die kommenden beiden Winter gewappnet zu sein, muss auch die Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke bis 2024 kommen.“ Kruse erläuterte außerdem, dass der Weiterbetrieb der letzten Kernkraftwerke „ökonomisch sinnvoll“, „unter klimapolitischen Erwägungen vorteilhaft“ und „ökologisch nicht nachteilig“ sei. „Und er sichert uns eine Unabhängigkeit, die wir niemals hätten aufgeben dürfen.“

Zukunft gehört der erneuerbaren Energie

Djir-Sarai unterstrich: Die Zukunft gehöre den erneuerbaren Energien. „Wir sind aber nun mal in einer Situation, wo die neuen erneuerbaren Energien allein nicht reichen.“ Es entstehe eine große Lücke, wenn auf die Potenziale der drei am Netz verfügbaren Kernkraftwerke verzichtet würde. „Wir haben das durchgerechnet und es ist völlig klar, dass weder Braunkohle noch Steinkohle noch erneuerbare Energien reichen werden“, sagte Djir-Sarai.

In der derzeitigen Situation sei Deutschland auch zu einer gesamteuropäischen Unterstützung verpflichtet. „In Europa versteht niemand, warum Deutschland ein Risiko eingeht“, so Djir-Sarai. Es gehe nicht darum, erneut in die Kerntechnologie einzusteigen. Und es gehe auch nicht um die Debatte, wie sie in Frankreich geführt werde, ob neue Kernkraftwerke – möglicherweise der dritten und vierten Generation – gebraucht werden. „Wir wollen, dass die drei am Netz noch verfügbaren Kernkraftwerke für einen bestimmten Zeitraum weiterhin am Netz bleiben“, so Djir-Sarai.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Gaskrise darf nicht zur Stromkrise werden

Auch FDP-Chef Christian Lindner sprach sich im Interview mit der „Bild am Sonntag“ für einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke in Deutschland aus, um „andere Stromkapazitäten“ zu erhalten. „Vieles spricht dafür, die sicheren und klimafreundlichen Kernkraftwerke nicht abzuschalten, sondern nötigenfalls bis 2024 zu nutzen“, sagte er. Denn: Es sei damit zu rechnen, „dass in den nächsten Monaten und möglicherweise auch Jahren verstärkt mit Strom geheizt wird, weil Gas so knapp ist.“

Deshalb müsse jetzt unideologisch über die Energieversorgung diskutiert werden. „Dazu sind wir den Menschen in unserem Land verpflichtet“, betonte Lindner in sozialen Netzwerken. Der Staat müsse nun alles dafür tun, dass aus der Gaskrise keine Stromkrise werde. „Deshalb sollten wir schnellstmöglich dafür sorgen, dass die Verstromung von Gas auf das technisch notwendige Minimum reduziert wird.“

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.