Die Aufgabe heißt Schwerpunktsetzung
Wegen der angespannten Lage in den Flutgebieten wird das Aussetzen der Schuldenbremse erneut diskutiert. Die Freien Demokraten verwahren sich dagegen.
Die FDP ist trotz Hochwasser und Ukraine-Krieg weiter gegen ein Aussetzen der Schuldenbremse. „Die Not der Menschen in den Katastrophengebieten eignet sich nicht für Parteipolitik“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner der „Stuttgarter Zeitung“. In den vergangenen Tagen hatten sich insbesondere Vertreter der SPD-Fraktion offen dafür gezeigt, die Schuldenbremse wegen der Hochwasserschäden erneut auszusetzen. „Unsere Gesellschaft wird solidarisch sein“, sicherte Lindner zu. „Wer aber ohne den Umfang des Schadens zu kennen, sofort nach neuen Schulden ruft, verkennt den Ernst der Lage.“ Hier suche „eine parteipolitisch gewünschte Lösung nach einem Problem — nicht umgekehrt“.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wies derlei Überlegungen ebenfalls zurück: „Die Ausmaße des Hochwassers sind noch nicht abzusehen. Selbstverständlich wird den betroffenen Gebieten Unterstützung zuteil. Bund und Länder stehen hier Seite an Seite. Aber das Manöver der SPD, jetzt nach einer Aussetzung der Schuldenbremse zu rufen, ist durchschaubar. Das Hochwasser, das gerade so vielen Menschen bei uns im Land größte Sorgen bereitet, sollte man nicht für die eigene politische Agenda instrumentalisieren.“ Bundesjustizminister Marco Buschmann ergänzte: „Es scheint mir dem Ernst der Lage nicht angemessen, dass manche sie nutzen, um für ihre politischen Evergreens zu werben“, sagte das FDP-Präsidiumsmitglied der „Welt am Sonntag“.
Staatsausgaben kritisch prüfen
„Wir können noch gar nicht absehen, wie hoch der Schaden am Ende sein wird. Das hilft niemandem und ist auch verfassungsrechtlich nicht seriös. Erste Priorität muss sein, Schäden zu verhindern und den Betroffenen das Signal zu geben, dass man sie nicht alleine lässt“, betonte Buschmann. Auch die Hilfen für die Beseitigung der Ahrtal-Katastrophe seien eher kein Grund, die Schuldenbremse auszusetzen. Da sei er skeptisch. „Die Vorgaben, die uns das Bundesverfassungsgericht gemacht hat, sind streng. Wir dürfen hier keine rechtlichen Risiken eingehen.“ Die Politik könne nicht beliebig finanzielle Lasten in die Zukunft verschieben, um sie künftigen Generationen aufzubürden, argumentierte Buschmann. „Es geht also nicht um Knauserigkeit oder Geiz. Es geht um Generationengerechtigkeit.“ Nur eine solide Haushaltsführung führe dazu, dass man in außergewöhnlichen Zeiten der Herausforderungen wie in der Energie-, Corona- oder Euro-Krise handlungsfähig bleibe.
„Der deutsche Staat hat kein Einnahmeproblem“, sagte Djir-Sarai gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir müssen uns stattdessen intensiv mit Konsolidierungspotenzialen beschäftigen und Staatsausgaben kritisch prüfen.“ In den Verhandlungen zum Haushalt habe die FDP deshalb wiederholt klargestellt, dass es keine Steuererhöhungen geben werde und dass die Schuldenbremse nicht aufgeweicht werde. „Der Staat muss mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auskommen und darf nicht immer neue Schulden aufnehmen.“
Christian Lindner hob im Interview mit der Stuttgarter Zeitung hervor: „Die Schuldenquote des Staats sinkt, obwohl wir auf Rekordniveau in Infrastruktur investieren und die Einkommensteuer gesenkt haben.“ Wichtig sei nun die richtige Schwerpunktsetzung. „Wer etwas Neues will, muss sich von Altem lösen.“
Eine Frage der Gerechtigkeit
Beim Dreikönigstreffen seiner Partei in Stuttgart hat Linder den Ausgabewünschen der Koalitionspartner ebenfalls eine klare Absage erteilt. „SPD und Grünen schwant, dass die ganzen sozialpolitischen und auch ökologischen Vorhaben, die diese Parteien haben, im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld nur sehr schwer unter großen Anstrengungen zu realisieren sind“, sagte Lindner am Samstag bei der Kundgebung im Stuttgarter Opernhaus. „Manche träumen noch von Steuererhöhungen oder eben Umgehungen der Schuldenbremse — es wird sie nicht geben“, fügte er hinzu.
Der Parteichef positionierte die FDP als eine Art marktwirtschaftliches Korrektiv in der Ampel-Koalition, in der es zuletzt harte haushaltspolitische Konflikte gegeben hatte. Lindner warb eindringlich für eine wachstumsfördende Politik, welche den finanziellen Spielraum des Staates durch steigende Einnahmen wieder erweitern werde. „Mein Vorschlag ist: Sorgen wir doch dafür, dass eine wieder starke und wachsende Wirtschaft uns die Mittel zur Verfügung stellt, die wir brauchen für Soziales, Ökologisches und die Sicherheitspolitik“, sagte Lindner. „Deshalb brauchen wir in diesem Jahr die Wirtschaftswende.“ Der Bundesfinanzminister forderte konkret eine weitere steuerliche Entlastung der „arbeitenden Mitte“.
Gute und pragmatische Lösungen
Zum traditionellen Dreikönigstreffen der Freien Demokraten geht Bijan Djir-Sarai fest davon aus, dass seine Partei in der Gunst der Wähler wieder zulegen wird. Mit Blick auf die derzeitigen Umfragewerte sagte er der „Süddeutschen Zeitung“: „Entscheidend ist doch, was bei der nächsten Bundestagswahl passiert. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die FDP wieder ein zweistelliges Ergebnis holt.“ Ein Selbstläufer sei das natürlich nicht, sondern es setze harte Arbeit voraus — „gute Kommunikation, viel Geduld und die Umsetzung einer Politik, von der wir überzeugt sind“. Zur Kritik am koalitionsinternen Streit im vergangenen Jahr sagte Djir-Sarai: „Man kann immer an der Lautstärke arbeiten. Aber wir sollten nicht übersensibel sein.“ Am Ende des Tages müssten gute und pragmatische Lösungen gefunden werden. „Und wenn wir es schaffen, dass das Land wieder gut dasteht, dann ist das für alle Akteure dieser Koalition gut.“
Befragt zu den Inhalten des FDP-Wahlkampfes zur Europawahl im Juni sagte Djir-Sarai, fast 60 Prozent der Bürokratie in Deutschland habe ihren Ursprung in EU-Gesetzgebung. „Hier muss sich dringend etwas ändern.“ Europa solle sich auf die großen Themen konzentrieren, etwa die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. „Wir wollen aber auch deutlich machen, was für eine große Bedeutung die EU für jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger hat. Ich kann nur davor warnen, die Europawahl als eine Protestwahl zu betrachten“, sagte er.
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