Deutschland muss attraktives Einwanderungsland werden
Die Freien Demokraten wollen das Einwanderungsrecht überarbeiten. Denn: Deutschland brauche genug Fachkräfte, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen, betonte Bettina Stark-Watzinger.
„Krieg in Europa, digitale Transformation, Kampf gegen den Klimawandel und Pandemie-Bekämpfung: All das geht nur mit Köpfen“, erklärte Bundesbildungsministerin und FDP-Präsidiumsmitglied Bettina Stark-Watzinger bei der Vorstellung des Präsidiumsbeschlusses „Fachkräftemangel bekämpfen — Einwanderungspolitik neu ausrichten“. Sie betonte: „Wir sehen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen und deswegen muss unser Land genug Fachkräfte haben, um sich diesen Herausforderungen zu stellen.“ Sie zählte auf: „Es fehlen IT-Kräfte, es fehlen Techies. Es fehlen aber auch die Pflegekräfte und es fehlen die LKW-Fahrer. Wir sprechen hier über eine ganze Bandbreite.“
„Wir müssen also grundlegend an das Einwanderungsrecht ran“, stellte Stark-Watzinger klar. Deutschland stehe im Wettbewerb mit anderen — auch europäischen — Nationen und müsse deswegen attraktiver werden. Ausländerbehörden und Botschaften müssten sich daher auch als Aushängeschilder und Servicestellen verstehen.
Englisch als zweite Verwaltungssprache
„Schnelle Visavergabe, Digitalisierung der Visavergabe, schnelle Anerkennung der Berufsabschlüsse auch hier passiert noch zu viel papierbasiert: Da können wir viel schneller sein“, betonte sie. Eine Stellschraube könne die Einführung von Englisch als Verwaltungssprache sein. Diese Forderung ist Teil des Zehn-Punkte-Programms zur Erleichterung der Fachkräfte-Zuwanderung. Stark-Watzinger hob hervor: „Das Signal muss sein: Wir sind ein Einwanderungsland, wir wollen das. Wir wollen die Vielfalt. Und wir wollen die Menschen, die mit uns anpacken.“
Die Zweisprachigkeit in den Behörden könnte natürlich nicht sofort umgesetzt werden, so Stark-Watzinger. Es gehe darum einen Anfang zu machen und beispielsweise Beamtinnen und Beamte, die bereits Englisch sprächen, an den entsprechenden Stellen einzusetzen. Für alle anderen müsse es Weiterbildungsangebote geben, forderte sie.
Die wichtigsten Forderungen der Freien Demokraten:
- Einwanderungsrecht weiterentwickeln u.a. mit Einführung einer Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems
- Visavergabe digitalisieren
- Hürden bei der Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen abbauen und Blue Card auf nicht-akademische Berufe ausweiten
- Spurwechsel aus dem Asylverfahren in reguläre Einwanderung in den Arbeitsmarkt ermöglichen
- Arbeitsmigration entbürokratisieren und Behörden besser miteinander vernetzen
- Transnationale Arbeitsmigration praktisch ermöglichen
- Einwanderungsmöglichkeiten nach Deutschland vor Ort bewerben
- Englisch als zusätzliche Verwaltungssprache etablieren
- Staatsangehörigkeitsrecht modernisieren
- Zusammenhängendes Einwanderungsgesetzbuch aus einem Guss
FDP will „Chancenkarte“ einführen
In dem Positionspapier forderte die FDP eine grundsätzliche Neuausrichtung der Einwanderungspolitik, um damit vor allem den Fachkräftemangel in vielen wirtschaftlichen Bereichen zu bekämpfen. „Arbeits- und Innovationskraft aus dem Ausland werden für unser Land unverzichtbar sein, um erfolgreich aus den aktuellen Krisen herauszuwachsen und dauerhaft den Bedarfen unseres Arbeitsmarkts gerecht zu werden“, heißt es darin. Umso wichtiger sei es, Einwanderung „nicht kurzsichtig und ideologisch, sondern vorausschauend und realistisch“ zu gestalten.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr erklärte im Interview mit der „Welt am Sonntag“, dass angesichts des Arbeitskräftemangels die Devise lauten müsse: „Jeder, der von seiner Hände Arbeit leben kann, muss sofort arbeiten dürfen.“ Es gebe hunderttausende Menschen, die, obwohl sie schon sehr lange in Deutschland leben, vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden. „Nach der Phase der Gastarbeiter in den 60er- und 70er-Jahren hat sich der deutsche Arbeitsmarkt abgeschottet. Diese Haltung ist nie wirklich aufgebrochen worden — ein großer Fehler. Jetzt ist es Zeit für eine neue Einwanderungspolitik“, so Dürr.
Der Fraktionschef betonte die Dringlichkeit, das Einwanderungsrecht zu modernisieren: „Wenn wir in Zukunft stabile Renten und stabile Beiträge garantieren wollen, dann ist die einzige Möglichkeit, dass wir unseren Arbeitsmarkt fit machen. Das heißt: Einwanderung in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Das ist eines der wichtigsten Ampelprojekte.“
Internationaler Wettbewerb um Talente
„Die Menschen spüren jeden Tag, wie groß der Fachkräftemangel heute schon ist“, kommentierte FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel im Zusammenhang mit den chaotischen Zuständen an den Flughäfen. Er identifizierte zwei Hauptursachen: Erstens hätten die Unternehmen während der Corona-Pandemie Personal abgebaut. Zweitens herrsche generell Arbeitskräftemangel in Deutschland. Vogel stellte daher im Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin klar: „Wir müssen eine moderne Einwanderungspolitik endlich auf den Weg bringen.“
Er gab zu bedenken, dass es einen „globalen Wettbewerb um Talente von Pflegekräften bis zu IT-Fachkräften“ gebe. Nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit fehlten pro Jahr 400.000 Arbeitskräfte, so der FDP-Arbeitsmarktexperte. „Wir haben internationale Vorbilder. Kanada macht vor, wie es geht. Wir brauchen das Punktesystem. Das Gesetz muss dieses Jahr vorgelegt werden. Da dürfen wir nicht länger warten.“
Im Beschluss heißt es: „Unsere Botschaft an Fachkräfte im Ausland muss sein, dass gesteuerte Einwanderung in unser Land erwünscht und willkommen ist“. Bekräftigt wird auch das Ziel der in der Koalition verabredeten „Spurwechsel“-Option. So dürfe ein laufendes Asylverfahren einer Einwanderung in den Arbeitsmarkt nicht entgegenstehen.
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