Zeitenwende auch in der Migrationspolitik
„Wir als FDP wollen eine moderne Einwanderungspolitik mit klaren Leitplanken, die sich an Realitäten orientiert“, erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im aktuellen "Focus"-Interview.
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Deswegen brauche es „endlich eine moderne Einwanderungspolitik“, so FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im Interview mit dem „Focus“. Während die Union bei diesem Thema lange „ideologische Scheuklappen“ gehabt habe, sehe die Ampelkoalition Einwanderung als Chance. Das kürzlich beschlossene Migrationspaket I sei „ein echter Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik“. Es gebe jedoch weiterhin viel zu tun, insbesondere angesichts des grassierenden Fachkräftemangels in zahlreichen Branchen. „Als FDP wollen wir deshalb ein echtes Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen.“
Djir-Sarai warf der Union vor, „beim Thema Einwanderung die vermeintliche Lufthoheit über die Stammtische“ bewahren zu wollen und deswegen Migration in düsteren Farben zu malen. „Das Dauergenörgel der Union ist unangebracht.“ Die Ampelkoalition läute auch in der Migrationspolitik eine Zeitenwende ein, erklärte der FDP-Generalsekretär und plädierte für eine sachliche Debatte.
Fachkräftemangel bekämpfen
Angesichts des Fachkräftemangels sei es dringend notwendig, Deutschland als Einwanderungsland attraktiver zu machen, betonte Djir-Sarai. Denn: „Die Topleute gehen immer noch eher nach Kanada, Australien oder in die USA.“ Deswegen fordert er die Einführung eines Punktesystems, das anhand klarer Kriterien die Einreise zur Arbeitssuche organisiert. Denn Einwanderung sollte nicht kurzsichtig und ideologisch, sondern vorausschauend und realistisch gestaltet werden. Es gehe jetzt darum, ein Einwanderungsrecht zu erarbeiten, das sich am realen Arbeitskräftebedarf orientiere, bürokratische Hürden abbaue und gesteuerte Einwanderung in den Arbeitsmarkt nach deutschen Interessen ermögliche.
Gleichzeitig sollten diejenigen, die straffällig werden, ausgewiesen werden können, stellte Djir-Sarai klar. „Es gab in der Vergangenheit häufig Probleme bei der Ausweisung von Kriminellen. Da müssen wir deutlich besser werden. Deshalb findet sich auch dieser Punkt im Koalitionsvertrag“, so der FDP-Generalsekretär. Man könne nicht die Vorteile des deutschen Systems in Anspruch nehmen und gleichzeitig unsere Werte wie Menschenrechte, Religionsfreiheit oder die Gleichstellung von Mann und Frau nicht akzeptieren. „Das funktioniert nicht“, findet Djir-Sarai deutliche Worte.
Integration ist keine Einbahnstraße
Die Voraussetzung dafür, dass die Gesellschaft von Einwanderung profitiere, sei eine gelungene Integration. „Wir müssen alles dafür tun, dass keine Parallelgesellschaften entstehen, sondern dass jene Menschen, die zu uns kommen, sich schnell ein Leben bei uns aufbauen können und sich in die Gesellschaft einfinden“, erklärte Djir-Sarai und betonte: „Integration ist aber natürlich keine Einbahnstraße.“
FDP will den Spurwechsel stärken
Ein zentraler Punkt in der Migrationspolitik soll die „Chancenkarte“ auf Basis eines Punktesystems sein, die auch im Koalitionsvertrag steht. Diese soll Arbeitskräfte „zur Jobsuche den gesteuerten Zugang zum
deutschen Arbeitsmarkt ermöglichen.“ Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP, Pascal Kober, unterstrich im Gespräch mit der WELT: „Deutschland folgt so endlich dem Vorbild erfolgreicher Einwanderungsländer wie Kanada.“ Das Asylrecht werde dabei nicht ausgehebelt. „Dieser Titel wäre neu für alle, die arbeiten wollen und Qualifikationen nachweisen können.“ Konkret soll es mehr Punkte geben, je höher das Sprachniveau und die Qualifikation ist. „Ab einer bestimmten Zahl darf man zum Zweck der Arbeitssuche nach Deutschland kommen, unter der Bedingung, dass man sich selbst finanzieren kann.“ Laut Kober könne je nach Berufsgruppe differenziert werden. So könnte beispielsweise in der IT das Sprachniveau eine kleinere Rolle spielen, als in der Pflege oder im Bildungswesen.
Zusätzlich wollen die Liberalen den sogenannten Spurwechsel ausbauen. Das bedeutet: Wer Asyl beantragt, tatsächlich aber schon bei Einreise die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis mitbringt, dem darf „ein laufendes Asylverfahren bei der Einwanderung in den Arbeitsmarkt nicht entgegenstehen“. Zudem sieht das FDP-Papier eine tiefgreifende Reform vor: die geplante Einführung von Englisch als zweite Verwaltungssprache. Auch das soll Behördengänge vereinfachen und für schnellere Abläufe sorgen, weil Dolmetscher oder beglaubigte Übersetzungen in vielen Fällen überflüssig wären.
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