Wir werden sehr genau hinschauen
Am 14. Mai sind Wahlen in der Türkei. Ob diese wirklich demokratisch ablaufen, bleibt fraglich. Michael Link wird als Chef der rund 360 Wahlbeobachter der OSZE in der Türkei kommenden Montag darüber berichten.
Erstmals seit 20 Jahren muss Präsident Recep Tayyip Erdogan trotz seiner gewaltigen Machtfülle und trotz seines weitreichenden Zugriffs auf Medien, Justiz und politische Institutionen um seine Wiederwahl fürchten. Die meisten Menschen glauben an einen sehr knappen Wahlausgang. Sowohl der Sieg für Erdogan als auch für die Opposition scheinen möglich.
Michael Link, der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, hat schon Erkenntnisse über den Wahlkampf gewonnen. Er wurde von der OSZE zum Sonderkoordinator für die Beobachtungsmissionen in der Türkei berufen und kann berichten, dass ein OSZE-Zwischenbericht einerseits feststellt, „dass Wahlveranstaltungen relativ frei durchgeführt werden konnten und die Wähler insgesamt eine echte Wahlmöglichkeit zwischen politischen Alternativen haben. Andererseits werden Einschränkungen der Meinungsfreiheit durch Internet-Sperren, Verleumdungsverfahren gegen regierungskritische Journalisten und die Bevorzugung der Regierungspartei in den Medien beschrieben.“
Kompetitive Wahlen als Maßstab für die Gesamtbewertung
So kritisiere die Opposition in der Türkei zum Beispiel, „dass die Medien eingeschüchtert seien, dass die Opposition dort kaum vorkomme, sondern nur Erdogan. Dass verschiedene Parteien nicht zugelassen sind. Dass Kandidaten inhaftiert oder ausgeschlossen sind von der Wahl“, erläuterte Link im Interview mit der „Welt“. Das seien alles Dinge, die im Vorfeld der Wahl stattfinden würden und die für die Gesamtbewertung wichtig seien. Wenn manipuliert werde, dann meist nicht am Wahltag, sondern im Vorfeld. Link, der schon das vierte Mal als Leiter der OSZE-Beobachtung in der Türkei unterwegs ist, betonte: „Unser Maßstab sind kompetitive Wahlen, in denen es wirklich Wettbewerb und Konkurrenz gibt, in denen die Wähler eine wirkliche Auswahl haben.“
Bei der aktuellen Wahl beobachte er: „Die Bevölkerung in der Türkei nimmt ihr Wahlrecht und den demokratischen Prozess außerordentlich ernst, und es ist eigentlich nie gelungen, die Wähler ausschließlich in eine Richtung zu treiben. Deshalb sind wir es der türkischen Bevölkerung schuldig, dass wir auch diesmal sehr genau hinschauen, damit die Stimmen der Wählerinnen und Wähler korrekt gezählt werden – übrigens auch die der Auslandstürken, die diesmal besonders wichtig sein könnten.“
Strikte Neutralität muss gewahrt bleiben
Zudem würden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zusammenfallen. Deshalb sei es besonders wichtig, den Auszählungsprozess sehr genau zu beobachten. Er unterstrich zugleich: „Wir müssen uns an Fakten halten und als Beobachter strikte Neutralität wahren. Die Fakten sind jedoch derzeit leider so, wie vom Europarat festgestellt, dass besonders viele Journalisten in der Türkei inhaftiert sind, dass die Grundrechte immer wieder missachtet werden. Und deshalb ist es so wichtig, jetzt genau hinzuschauen bei dieser Wahl, um durch die Augen der internationalen Beobachter eine glaubwürdige Bewertung der Wahl vornehmen zu können.“