Wir lassen die Menschen mit steigenden Belastungen nicht allein
Auf die steigende Spritpreise will Finanzminister Lindner schnell und unbürokratisch reagieren - mit einem „Krisen-Rabatt“ direkt an der Zapfsäule. Das Konzept ist wirkungsvoller als eine steuerliche Preisbremse.
Die hohen Spritpreise sind eine Belastung für Menschen und Betriebe. Aus diesem Grund diskutiert die Bundesregierung Maßnahmen, die noch über die vorzeitige Abschaffung der EEG-Umlage, die höhere Pendlerpauschale und den Heizkostenzuschuss für Bedürftige hinausgehen: FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner schlägt einen Krisen-Rabatt für Kraftstoffe direkt an der Zapfsäule vor. Der Staat dürfe die Menschen in der aktuellen Situation nicht alleine lassen. Einer aktuellen Umfrage des Instituts YouGov zufolge halten mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland einen solchen Zuschuss für angemessen.
„Als liberaler Finanzminister habe ich mich schon vor der Krise für strukturelle steuerliche Entlastungen ausgesprochen. Jetzt brauchen wir allerdings schnelle und flexible Lösungen, die wirklich bei den Menschen ankommen“. Aus diesem Grund spricht sich Lindner dafür aus, den Rabatt direkt beim Bezahlen an der Tankstelle abzuziehen. Dabei soll aber nicht jede Tankquittung individuell verwaltet werden, stattdessen agiert der Staat mit Vertretern der Mineralölwirtschaft auf der Basis der Gesamtmenge des verkauften Sprits. Das sei für alle Beteiligten unbürokratisch. Ziel des „Krisen-Rabatts“ sei es, den Preis pro Liter wieder unter 2 Euro zu drücken. Der Bundesvorstand hat am Montag einen entsprechenden Beschluss gefasst.
„Es geht darum, die Bürgerinnen und Bürger, die auf das Auto angewiesen sind, aber auch die Gewerbetreibenden, für die die gestiegenen Kraftstoffpreise eine wirtschaftliche Belastung darstellen, mit einem Kriseninstrument sehr schnell zu unterstützen“, führte Lindner aus. „Der Tankrabatt ist ein Instrument, um in der Breite zu wirken. Für alle privaten Haushalte, alle Pendler, alle Autofahrer, alle Gewerbetreibenden.“
Der von ihm vorgeschlagene Tank-Zuschuss wirke schneller als eine Mehrwertsteuersenkungen für Sprit, wie sie etwa die Union fordert. Er kann außerdem höher ausfallen. Denn anders als die Union sagt, sei die Anwendung des reduzierten Satzes der Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe nach geltendem Europarecht nicht möglich, sagte der FDP-Chef im Interview mit der „Rheinischen Post“. „In der Krise dauert die von der Union vorgeschlagene Änderung von Steuergesetzen zu lang. Wir brauchen Tempo und Flexibilität. Das leistet der Krisenrabatt direkt an der Zapfsäule“. Auf eine Spritpreisbremse per Steuersenkung müssten die Menschen Wochen oder Monate länger warten, weil Gesetzgebung in Deutschland und gegebenenfalls auch europäisches Recht verändert werden müsse. Der Zuschuss beim Tanken lasse sich dagegen auch ohne viel Bürokratie umsetzen. „Mit dem Krisenrabatt sollten wir auf der Basis der jetzigen Preise bei unter zwei Euro je Liter Diesel und Benzin liegen. Diese Intervention muss als Notfallmaßnahme zeitlich befristet sein.“
Es sei nicht beabsichtigt, dass einzelne Tankquittungen beim Staat abgerechnet werden. Vielmehr solle der Staat mit den Mineralölgesellschaften „auf der Basis der Gesamtmenge an Sprit“ agieren. „Der Krisen-Rabatt ist schneller, höher und bürokratieschonend und kann deshalb befristet einen wichtigen Beitrag zur Entlastung leisten“, stellte Lindner klar. An der Zapfsäule bleibe der Preis stehen, wie er jetzt sei, der Rabatt werde dann auf der Tankrechnung ausgewiesen.
„Der Staat darf die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft mit steigenden Preisen nicht allein lassen“, betonte Lindner. Daher müsse es ein neues Entlastungspaket geben. Auch eine höhere Einmalzahlung für Grundsicherungsempfänger und andere Maßnahmen sollten geprüft werden.
Maximalen Druck auf Russland aufbauen
Zuvor hatte er im Interview mit dem Tagesspiegel ein generelles genauso wie ein befristetes Tempolimit als Maßnahme in der aktuellen Preiskrise abgelehnt. „Angesichts der hohen Spritpreise gibt es einen natürlichen Impuls, weniger zu verbrauchen“, betonte Lindner. „Wir haben einen Krieg in Europa, von dem nicht nur menschliches Leid ausgeht, sondern auch massive Versorgungsrisiken. Symbolische Debatten muss ich da anderen überlassen.“
In diesem Zusammenhang lehnte er auch eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent für Benzin und Diesel ab. Entgegen mancher Behauptungen werde der Fiskus durch die steigenden Kraftstoffpreise auch nicht reicher, denn wenn vom verfügbaren Einkommen eines Haushalts ein höherer Anteil für Sprit aufgewendet werde, komme es lediglich zu einer Verschiebung. „Die Menschen halten sich dann an anderer Stelle mit Konsum zurück.“
Einen generellen Öl- und Gasboykott gegen Russland hält Lindner weiterhin für nicht für zielführend: „Uns muss es darum gehen, maximalen Druck auf Russland aufzubauen und zugleich unsere strategische Durchhaltefähigkeit möglicherweise sehr lang aufrechtzuerhalten. Deshalb sollte von unserer Seite die Energieversorgung nicht ohne Not in Frage gestellt werden“. „Wir haben das System Putin durch Sanktionen massiv getroffen. Insbesondere die Maßnahmen, die sich gegen die Zentralbank richten, haben die russische Wirtschaft auf Talfahrt geschickt, den Rubel entwertet und russische Staatsanleihen auf Ramschniveau gebracht“, betonte Lindner. „Solche Maßnahmen müssen wir verstärken, weil sie unsere Position gegenüber Russland verbessern. Maßnahmen, die unsere Position mittelfristig schwächen: Davon rate ich ab.“
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