Wichtiger Schritt für die Selbstbestimmung der Frauen
Das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche in Paragraf 219a des Strafgesetzbuches (StGB) soll gestrichen werden. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, der am Freitag in erster Lesung beraten wurde.
Laut Entwurf soll Paragraf 219a StGB („Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“) in Gänze aufgehoben werden. Zur Begründung führt die Bundesregierung an, dass Ärztinnen und Ärzte nach der aktuellen Rechtslage mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen müssten, „wenn sie sachliche Informationen über Ablauf und Methoden des Schwangerschaftsabbruchs öffentlich (etwa auf ihrer Homepage) bereitstellen oder in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 StGB) darüber berichten“.
FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesjustizminister Marco Buschmann stellte klar: „Beim Wegfall von 219a StGB geht es nicht um anpreisende oder grob anstößige Werbung — die bleibt verboten nach dem ärztlichen Berufsrecht. Es geht um sachliche Informationen von Ärztinnen und Ärzten und darum, Frauen in einer schmerzhaften Lebenssituation nicht alleine zu lassen.“ Bei der Einbringung des Gesetzes führte er aus: „Im Internet erlauben wir jedem Verschwörungstheoretiker, jeder Fake-News-Schleuder, jeden Unsinn über Schwangerschaftsabbrüche zu verbreiten. Aber qualifizierte Ärztinnen und Ärzte als Hüter der Wissenschaft, der Fakten, der Sachlichkeit und der Aufklärung, denen verbieten wir, sachliche Informationen bereitzustellen. Das ist doch absurd.“
Am geltenden Schutz ungeborenen Lebens ändert sich nichts
Buschmann betonte: „Jeder darf im Internet Infos zu Schwangerschaftsabbrüchen teilen, aber praktizierende Ärztinnen und Ärzte nicht. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Wer auf den verantwortungsvollen Umgang der Menschen mit schwierigsten persönlichen Lebensfragen setzt, der muss den Paragraf 219a StGB streichen.“ Mit dem Gesetzentwurf gehe die Ampel-Koalition einen wichtigen Schritt für die Selbstbestimmung der Frauen in Deutschland.
Der Sorge, dass mit der Abschaffung des Paragraphen ein Schwangerschaftsabbruch gar dadurch wahrscheinlicher würde, trat er mit den Worten entgegen: „Wir wollen, dass eine Frau, wenn sie es möchte, informierter entscheiden kann. Und das sollte in einer aufgeklärten Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein.“ Diese Rechts-Änderung habe keine Auswirkung auf das Leben. Auch die Gefahr abstoßender, irreführender Werbung bestehe nicht. Denn: „Wir haben in unserem Entwurf das Heilmittel-Werbe-Gesetz so erweitert, dass es auch Schwangerschaftsabbrüche, die nicht medizinisch indiziert sind, mit umfasst.“
Sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche sollen nicht mehr strafbar sein
„Wir wollen, dass Frauen sich über Methoden und mögliche Risiken eines Schwangerschaftsabbruchs bestmöglich informieren können. Für einige Frauen führt der Weg direkt zur Ärztin oder zum Arzt ihres Vertrauens. Andere suchen erst eine Ärztin oder einen Arzt sowie Rat im Internet. Wir möchten, dass den Frauen in Deutschland beide Wege offenstehen.“ Frauen in derartigen Extremsituationen bräuchten die Möglichkeit, sich umfassend informieren zu können — auch im Internet.
Zuverlässige Informationen zu dem Thema bekämen sie am besten von Gynäkologinnen und Gynäkologen, statt von all den Laien, die gegenwärtig jede Art von Information, aber auch Fehlinformation im Netz verbreiten. Die Streichung des § 219a schaffe daher mehr Sicherheit für all jene, die Informationen und Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch brauchen sowie jene, die diese Informationen kompetent bereitstellen können und wollen.
Rehabilitierung bereits verurteilter Ärztinnen und Ärzte
Für Buschmann ist es „ein unhaltbarer Zustand“, dass ausgerechnet Ärztinnen und Ärzte, die selbst Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und damit am besten sachlich informieren können, nach der derzeitigen Rechtslage eine Strafverfolgung befürchten müssten, wenn sie Informationen zur Verfügung stellen. „Das passt nicht in unsere Zeit.“ Daher habe die Koalition im Gesetzentwurf auch für die wenigen, aber schwerwiegenden Fälle, wo es schon zu einer Verurteilung kam, eine Rehabilitierungs-Lösung aufgenommen. „Wir sollten die verurteilen Ärztinnen und Ärzte nicht auf den Gnadenweg beim Bundespräsidenten zwingen.“
Sachliche Information von Ärztinnen und Ärzten über einen Schwangerschaftsabbruch sollten nicht länger strafbar sein. Zugleich sei aber auch klar: „Gegen anpreisende und anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche bleiben andere Rechtsnormen in Kraft. Und auch am geltenden Schutz ungeborenen Lebens ändert sich nichts.“
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