Tun wir mehr als nötig
Am 9. Oktober 2022 wählt Niedersachsen einen neuen Landtag. Der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat der FDP Niedersachsen Dr. Stefan Birkner wirbt für eine Innovationsdekade in Niedersachsen. Ein Interview mit der fdplus, dem Mitglieder-Magazin der Freien Demokraten.
Herr Birkner, ganz zu Anfang: Wie schätzen Sie die Ausgangslage in Niedersachsen nach 5 Jahren Großer Koalition ein?
In Niedersachsen wurde in den letzten Jahren mehr der Status quo verwaltet, als die Zukunft unseres Landes aktiv gestaltet. Der Großen Koalition aus SPD und CDU fehlt es an einer klaren gemeinsamen Linie – und an echtem Gestaltungswillen. Das führt dazu, dass Niedersachsen in den allermeisten Bereichen hinterher hängt oder bestenfalls im Mittelfeld liegt. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass unser Bundesland mehr als nur Mittelmaß kann.
Hierfür müssen wir allerdings mehr tun, als es die aktuelle Landesregierung bisher macht. Wir haben die schlechteste Unterrichtsversorgung seit zwanzig Jahren. Die Digitalisierung kommt immer noch nur schleppend voran, weil Zuständigkeiten und Verantwortung nicht klar definiert sind. Als Auto- und Agrarland ist Niedersachsen besonders stark von den bevorstehenden Strukturwandeln in den jeweiligen Branchen betroffen. Gleichzeitig hat unser Bundesland durch seine Standortvorteile das Potenzial zu einer echten Vorbildregion für eine nachhaltige Energiewirtschaft zu werden, die Klimaschutz, Versorgungssicherheit und bezahlbare Energie miteinander verknüpft. All diese Trends werden von der aktuellen Landesregierung bisher verschlafen. Dies wollen wir ändern und setzen uns deshalb für eine echte Modernisierungsagenda in Niedersachsen ein.
Unser Ziel ist ein zweistelliges Ergebnis und so stark zu werden, dass nach dem 9. Oktober keine Regierung ohne Beteiligung der FDP möglich ist.
Auf welche Themen legt die FDP Niedersachsen im Wahlkampf einen besonderen Fokus? Wo sehen Sie in der kommenden Legislaturperiode den dringendsten Handlungsbedarf?
Die Bildungspolitik ist für uns ein zentrales Thema. Das Bildungssystem in Niedersachsen gleicht einer einzigen Baustelle. Wenn nicht einmal der Pflichtunterricht stattfinden kann, dann haben wir ein grundlegendes Problem. Wir setzen uns daher für eine echte Unterrichtsgarantie ein. Gleichzeitig wollen wir, dass die „Förderschule Lernen“ in Niedersachsen erhalten bleibt. Hierzu haben wir ein Volksbegehren initiiert, weil die aktuelle Landesregierung seit Monaten einen entsprechenden Gesetzesvorschlag unserer Landtagsfraktion verschleppt. Wir sind der Überzeugung, dass jedes Kind seinen Weg gehen können muss und dass offene Förderschulen offene Chancen bedeuten.
Daneben wollen wir kräftig in die Modernisierung Niedersachsens investieren. Wir wollen eine echte Investitionsdekade einläuten – ganz ohne neue Staatsschulden. Eine solide Finanzpolitik gibt es nur mit uns in der nächsten Landesregierung. Statt die Menschen in der Krise immer weiter finanziell zu belasten, wollen wir sie endlich entlasten. Mit einer Bürokratiebremse wollen wir außerdem die niedersächsische Wirtschaft entfesseln und für jede neue Vorschrift mindestens zwei unnötige streichen.
Bei der Digitalisierung wollen wir durch ein echtes Digitalisierungsministerium klare Strukturen schaffen und dadurch endlich mehr Tempo machen. Wir wollen, dass in Niedersachsen bis 2025 überall schnelles Internet durch Glasfaser verfügbar ist, und endlich die Funklöcher im Mobilfunknetz stopfen. Doch mit der Infrastruktur ist es nicht getan. Es braucht endlich auch digitale Lern- und Lehrkonzepte, damit wir die Chancen der Digitalisierung auch an unseren Schulen nutzen können. Und auch die Verwaltung muss in den nächsten fünf Jahren vollständig digitalisiert und papierlos gestaltet werden.
Das sind die Schwerpunktthemen der FDP Niedersachsen. Was viele Menschen gerade bewegt: steigende Energiepreise. Was sind ihre Antworten in der Landespolitik?
Mit Blick auf die aktuelle Energiekrise wird Niedersachsen eine Schlüsselrolle zukommen. Wir wollen die Potenziale der Küste nutzen und unser Bundesland zum Knotenpunkt für Energieimporte und -verteilung in Deutschland und Europa machen. Durch den Bau weiterer technologieoffener Energie-Import-Multihubs, die mittelfristig auch für klimaneutrale Energieträger wie Grünen Wasserstoff verwendet werden können, werden wir uns unabhängig von russischen Gasimporten machen. Dazu ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere von Offshore-Windparks, verstärkt voranzutreiben.
Gleichzeitig müssen wir aber auch über die Nutzung eigener fossiler Energiereserven sowie die befristete Laufzeitverlängerung für die noch aktiven Kernkraftwerke sprechen. Es erschließt sich mir nicht, weshalb wir angesichts einer Energiekrise funktionierende Anlagen aus ideologischen Gründen vom Netz nehmen sollten. Das ist auch für viele Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar, die sich tagtäglich mit den steigenden Energiepreisen konfrontiert sehen.
Wir müssen uns außerdem darauf einstellen, dass uns diese Energiekrise nicht nur im kommenden Winter begleiten wird, sondern vielleicht sogar die nächsten drei bis vier Jahre. Vor diesem Hintergrund hätten schon längst neue Brennelemente für die bestehenden Kernkraftwerke beschafft werden müssen, um ihre Kapazitäten im Notfall für einen überschaubaren Zeitraum weiter nutzen zu können. Dies müssen wir nun schleunigst nachholen. Dabei geht es nicht um den dauerhaften Wiedereinstieg in die Kernkraft, sondern darum, der aktuellen Energiekrise etwas entgegenzusetzen.
Wie steht die FDP Niedersachsen zu einer möglichen Regierungsbeteiligung? Gibt es Wunschpartner oder Ressorts, die sie beansprucht?
Wir Freie Demokraten treten als eigenständige politische Kraft an. Unser Ziel ist es natürlich, mitzuregieren und Verantwortung zu übernehmen. Denn wir sind der Überzeugung, dass es einen Unterschied macht, ob Liberale Teil einer Regierung sind oder nicht. Stabile Zweierkoalitionen sind auch in Niedersachsen keine Selbstverständlichkeit. Vor diesem Hintergrund sehen wir für uns durchaus realistische Regierungsoptionen. Dabei stehen wir allen demokratischen Parteien gesprächsbereit gegenüber. Am Ende wird es darauf ankommen, mit wem sich eine gemeinsame Idee entwickeln und umsetzen lässt, in der eine klare liberale Handschrift erkennbar wird. Es entspricht nicht meinem Demokratieverständnis, Posten und Ressorts einfach aufzuteilen, damit dann jeder Koalitionspartner das machen kann, was ihm gefällt.
Wie sieht es aktuell mit dem Wahlkampf der FDP Niedersachsen aus? Was läuft gut, was vielleicht nicht so?
Im Moment überlagert der Bundestrend die Landespolitik, im Fokus stehen die großen Krisen. Das kann frustrierend sein, weil andere wichtige Themen in den Hintergrund zu rücken scheinen. Wir dürfen aber nicht länger nur auf die aktuellen Krisen reagieren, sondern müssen gerade jetzt auch die Herausforderungen unserer Zeit angehen, damit wir für die Zukunft gewappnet sind. Vor diesem Hintergrund werden landespolitische Themen vor der Wahl noch eine größere Rolle spielen. Hierauf sind wir vorbereitet. Man spürt die Motivation, mit der unsere Kandidatinnen und Kandidaten, sowie unsere Mitglieder in den Wahlkampf gehen und für unsere Positionen werben. Die FDP fällt auf, nicht nur wegen unserer bunten und modernen Kampagne, sondern auch, weil wir uns mit unserem Gestaltungsanspruch und Aufbruchswillen von der Verwaltungsmentalität und Gemächlichkeit der anderen Parteien abheben.
Zu guter Letzt: Wie sieht der Endspurt der FDP Niedersachsen bis zur Landtagswahl am 9. Oktober aus?
Unsere Kandidatinnen und Kandidaten nehmen gerade viele Veranstaltungen wahr und auch unsere Untergliederungen organisieren viele lokale Wahlkampfaktionen. Dabei spüren wir natürlich auch die große Unterstützung seitens der Bundespartei und den anderen Landesverbänden. Insbesondere bei unserem zentralen Aktionstag am 1. Oktober in Hannover freuen wir uns viele Freie Demokraten aus dem ganzen Bundesgebiet begrüßen zu dürfen. Unser Ziel ist ein zweistelliges Ergebnis und so stark zu werden, dass nach dem 9. Oktober keine Regierung ohne Beteiligung der FDP möglich ist. Denn wir wollen Niedersachsen endlich modernisieren. Dafür tun wir mehr als nötig.