Stopp-Signal für die EU-Lieferkettenrichtlinie
Deutschland wird der EU-Lieferkettenrichtlinie nicht zustimmen. Dafür haben die FDP-Bundesminister Christian Lindner und Marco Buschmann gesorgt.
Das geplante Gesetz, das dafür sorgen soll, dass Unternehmen Menschenrechts- und Umweltstandards einhalten, gehe weit über das hinaus, was für „praxistauglich und zumutbar“ erachtet werde, hatten die Häuser von Christian Lindner und Marco Buschmann letzte Woche mitgeteilt. Sie fürchten um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und nicht zu bewältigende bürokratische Lasten. „Die Risiken für unser Land und seine mittelständisch geprägte Wirtschaft überwiegen. Ich habe daher entschieden, dass ich dem vorliegenden Vorschlag nicht zustimme“, sagte Marco Buschmann der „Rheinischen Post“. „Die EU-Lieferkettenregulierung verfolgt ein gutes Ziel, bedeutete aber Rechtsunsicherheit und ein Übermaß bürokratischer Lasten. Daher sollte die EU den vorliegenden Entwurf ablehnen. Denn nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht“, so Buschmann.
„Gerade in der jetzigen Situation der deutschen Wirtschaft ist die Richtlinie eine zusätzliche Belastung und deshalb können wir das nicht mittragen“, verteidigte auch Lindner den Widerstand gegen das geplante EU-Lieferkettengesetz. „Man kann genau das Gegenteil von dem erreichen, was man eigentlich mit der Lieferkettenrichtlinie wollte. Und deshalb ist es gut, dass sie noch mal zurück in die Montagehalle kommt.“
Perspektive der Entlastung statt neuer Zumutungen
„Hohe Standards bei Lieferketten sind ein gutes und berechtigtes Ziel, das ich teile“, sagte Buschmann am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Das gute Ziel darf aber nicht zu einer Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts führen.“ Eine Regulierung von Lieferketten müsse die menschenrechtliche Situation, aber auch die wirtschaftliche Lage verbessern. Deutschland habe aktiv bis zum Schluss mitverhandelt, um dem näherzukommen.
„Ich schätze es, dass Kollege Hubertus Heil Vorschläge vorgelegt hat, um bürokratische Entlastungen für die Wirtschaft auf den Weg zu bringen“, so das FDP-Präsidiumsmitglied. „Wir sollten auch unabhängig vom Abstimmungsverhalten bei der Lieferketten-Richtlinie weiter daran arbeiten, der deutschen Wirtschaft eine Perspektive der Entlastung statt neuer Zumutungen zu eröffnen“, lautet sein Appell. Deutschland brauche dringend mehr wirtschaftliche Dynamik. „Wir müssen Bürokratie abbauen — statt neue bürokratische Fesseln anzulegen.“ In diesem Punkt hoffe er auf gute Zusammenarbeit mit Heil. „Ich habe dieser Tage den Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in die Ressortabstimmung gegeben“, sagte Buschmann. Darin schlage er vor, doppelte Berichtspflichten aus dieser Richtlinie und dem deutschen Lieferkettengesetz abzubauen. Da der Arbeitsminister diese Idee ebenfalls erwogen habe, „freue ich mich, wenn er diesen Weg nun mitgeht“. Dies wäre — unabhängig vom Abstimmungsverhalten bei der Lieferketten-Richtlinie — ein guter Schritt.
Rahmenbedingungen in Deutschland sind Wettbewerbsnachteil
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai will jetzt Tempo machen. Die Rahmenbedingungen in Deutschland seien international betrachtet ein Wettbewerbsnachteil, sagte Djir-Sarai im Frühstart von ntv. „Wir sind ein Hochsteuerland. Die Belastungen für die Menschen, für die Betriebe, für die Unternehmen in Deutschland sind außerordentlich hoch. Vor allem, wenn wir uns vergleichen mit anderen erfolgreichen Wirtschaftsnationen, die übrigens auch viel besser aus der Krise rausgekommen sind als wir.“
Aus dem gleichen Grund lehnte Djir-Sarai die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie ab. „Mit dem EU-Lieferkettengesetz schaffen wir ein Bürokratiemonster, wenn es so kommen würde.“ Hinter dem Gesetz stünden edle Absichten wie Menschenrechte und eine werteorientierte Unternehmenspolitik. „All diese Dinge sind wichtig und gut, aber an dieser Stelle nur Theorie“, so der FDP-Politiker.
Bürokratische Belastungen abbauen
Am Ende des Tages würde die Bürokratie im Grunde genommen fast schon keine Form der wirtschaftlichen Tätigkeit mehr erlauben. „Nehmen Sie europäische Unternehmen, die beispielsweise in Afrika investieren wollen. Die haben so schwierige Rahmenbedingungen, dass die dann auf die Investitionen verzichten. Chinesische Unternehmen oder andere Unternehmen haben diese Rahmenbedingungen nicht. Die investieren — und wir nicht.“ Mit Blick auf die aktuelle laufende Debatte, wie die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wieder aufgebaut werden kann, „wäre es geradezu paradox, jetzt diese Richtlinie zu beschließen.“
FDP-Vize Johannes Vogel wies in diesem Zusammenhang die Kritik an der Haltung seiner Partei zurück: „Das, was Hubertus Heil ideologisch motiviert nennt, ist übrigens Teil der Arbeitsgrundlage dieser Koalition: Im Belastungsmoratorium hatte sich die Regierung darauf verständigt, bürokratische Belastungen abbauen zu wollen. Ich finde es richtig, dass die FDP sich diesem Ziel verpflichtet fühlt.“
Kleine und mittelständische Betriebe stark betroffen
Konkret bemängeln die Freien Demokraten, dass deutlich mehr Unternehmen betroffen wären als nach dem deutschen Lieferkettengesetz. Die EU-Regelung soll Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro verpflichten, Standards in den Lieferketten sicherzustellen. Das deutsche Gesetz gilt aktuell für Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Lindner und Buschmann stören sich zudem an der Möglichkeit für zivilrechtliche Haftungen, die das deutsche Gesetz nicht vorsieht, und an der in der EU-Richtlinie vorgesehenen Verpflichtung für Unternehmen, Klimapläne zu erstellen.
Sie argumentieren, dass ein strengeres Lieferkettengesetz die menschenrechtliche und ökologische Situation verschlechtern könnte. Gerade deutsche Unternehmen gälten als Investoren und Einkäufer „mit einer besonders hohen Sensibilität für Belange der Menschenrechte und der Umwelt“, hieß es aus Ministeriumskreisen. Sollten sie sich infolge der Regelung aus internationalen Lieferbeziehungen zurückziehen, träten an ihre Stelle andere Unternehmen, „deren menschenrechtliche und ökologische Sensibilität die Lage in den betroffenen Ländern gewiss nicht verbessern wird“.
Unternehmen von bürokratischen Zwängen befreien
Für die Freien Demokraten war immer klar, dass sie die neue Lieferketten-Richtlinie nur mittragen können, wenn faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen und Unternehmen nicht über Gebühr belastet werden. Doch diese europäischen Regelung ginge noch einmal deutlich über das verkorkste deutsche Lieferkettengesetz der Merkel-Ära hinaus. Mit den Plänen der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen (CDU) kämen Bürokratiekosten von etwa 100 Millionen Euro pro Jahr hinzu, ohne effektiv etwas für Umwelt und Menschenrechte zu bewirken. „Der wirtschaftliche Aufschwung wird nur gelingen, wenn wir Unternehmen von bürokratischen Zwängen befreien. Wir stehen im Wettbewerb mit den USA und China und würden dem Schutz der Menschenrechte und der Umwelt einen Bärendienst erweisen, wenn wir uns selbst fesseln“, so die Freien Demokraten.
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