Sanktionenrecht wird grundlegend reformiert
Justizminister Marco Buschmann überarbeitet das Sanktionenrecht. Die Reform der Ersatzfreiheitstrafe sei „längst überfällig“ und geschlechterspezifische Gewalt wird in Zukunft „mit aller Strenge“ bestraft.
Im Bundestag erläuterte Buschmann seinen Reformvorschlag zur Ersatzfreiheitsstrafe: Wenn jemand zu einer Geldstrafe verurteilt wird, die er aber nicht bezahlen kann oder bezahlen will, dann tilgt er diese Geldstrafe durch Haft. Bislang ist es allerdings so, dass ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht. Für Buschmann ein Missverhältnis: „Denn 24 Stunden Haft, 24 Stunden Verlust der persönlichen Freiheit, auch der Bewegungsfreiheit, wiegen natürlich schwerer als der ökonomische Gegenwert von sechs bis acht Stunden Arbeit.“
Reform ist ein historischer Durchbruch
Der Gesetzentwurf sieht nun eine Halbierung des Umrechnungsmaßstabes von Geld- und Freiheitsstrafe vor. Zukünftig werden zwei Tagessätze Geldstrafe nur noch einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen. Buschmann betonte gegenüber den Abgeordneten im Plenum des Bundestages: „Sage und schreibe zehnmal haben zuvor Initiativen aus Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung vergeblich versucht, das System der Ersatzfreiheitsstrafe zu reformieren. Jetzt stehen wir vor diesem historischen Durchbruch.“ Dadurch werde die „grundrechtliche Perspektive der Freiheit der Betroffenen“ besser berücksichtigt und trotzdem ein Anreiz gesetzt, die Geldstrafe zu zahlen.
Der Justizminister geht in seinen Refomrplänen allerdings noch weiter: „Wir sorgen dafür, dass wir Ratenzahlungsangebote machen. Wir sorgen dafür, dass durch die Ableistung sozialer Arbeit Ersatzfreiheitsstrafen vermieden werden können. Wir sorgen dafür, dass Menschen, die Sprachprobleme haben, über diese Möglichkeit in einer für sie verständlichen Sprache aufgeklärt werden.“ Ziel sei immer, dass die Geldstrafe beglichen werde und Menschen nicht in Haft müssten.
Justiz personell und sachlich stärken
Buschmann rechnet damit, dass durch die Reform der Ersatzfreiheitsstrafe ein substanzieller zweistelliger Millionenbetrag bei den Ländern eingespart werden kann. Er appellierte an die Länder: „Meine Erwartungshaltung ist, dass diese Einsparungen nicht in den allgemeinen Länderhaushalten versickern, sondern dass dieses Geld in der Justiz bleibt und genutzt wird, um die Justiz personell und sachlich zu stärken.“
Höhere Strafen für Gewalt gegen Frauen und queere Menschen
Ein weiterer wichtiger Bestandteil von Buschmanns Strafrechtsreform ist eine Ergänzung der Strafzumessungsnorm. In der Norm werden Kriterien aufgeführt, die bei der Bemessung einer Strafe berücksichtigt werden sollen, beispielsweise antisemitische oder rassistische Motive. Nach Inkrafttreten des neuen Sanktionenrechts werden künftig auch „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive berücksichtigt.
Buschmann stellte klar: „Wenn in diesem Land jemand meint, dass er eine Frau schlagen oder umbringen kann, weil sie ein Mensch zweiter Klasse wäre, weil er glaubt, dass sie sein Eigentum wäre, oder weil es sonst irgendeinen Grund geben soll, warum man nicht Frauen genauso respektieren sollte wie Männer, dann können wir dies in Zukunft als strafschärfendes Motiv in der Strafzumessung besser berücksichtigen. Dasselbe gilt auch für queere Menschen.“
Verbesserungen im Maßregelrecht
Auch das Maßregelrecht will Buschmann verbessern: Für die Unterbringung in Entziehungsanstalten sollen in Zukunft strengere Regeln gelten, um Missbrauch des Maßregelvollzugs vorzubeugen. In den vergangenen Jahren habe die Unterbringung deutlich zugenommen und die Anstalten an den Rand der Arbeitsfähigkeit gebracht. „Wir sorgen dafür, dass diese wichtigen Einrichtungen besser arbeiten können, dass sie sich konzentrieren auf diejenigen, die wirklich therapiefähig und -willig sind“, stellte der Justizminister in Aussicht. Dies fördere zudem den Behandlungserfolg und stärke die Resozialisierung.
Ein augewogenes neues Sanktionensystem
FDP-Rechtsexpertin Katrin Helling-Plahr lobte den Vorschlag des Justizministers zur Ersatzfreiheitsstraße als „eine ausgewogene Lösung“, die die repressive und präventive Wirksamkeit der Geldstrafe sichere und dabei zugleich die zum Teil schwerwiegenden Folgen einer Freiheitsstrafe auf das Berufs- und Privatleben der verurteilten Personen im Blick habe. „Damit schaffen wir ein für alle faires Sanktionensystem“, so Helling-Plahr.