Samtpfötigkeit darf es nicht geben
Erstmals zeigen Bilder, wie brutal China die Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang unterdrückt. Die Freien Demokraten sind entsetzt - und wollen die neue China-Strategie forcieren.
Erstmals zeigen Bilder, wie brutal China die Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang unterdrückt. Die Freien Demokraten sind entsetzt. „Die Bilder aus China sind schockierend. Bei allen Gelegenheiten müssen wir chinesische Offizielle auf die Menschenrechtslage ansprechen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner angesichts der neuen Fotos und Dokumente der „Xinjiang Police Files“. Die Aufnahmen sind Teil eines umfassenden Leaks, das etwa der „Spiegel“ oder der Bayerische Rundfunk (BR) mit weiteren Medienpartnern ausgewertet hat. Darin sind Informationen über rund 300.000 durch die Behörden registrierte Chinesen enthalten, zum größten Teil Uiguren.
Lindner drängt im Handelsblatt darauf, die Menschrechtsverletzungen klar anzusprechen. „Samtpfötigkeit aufgrund unserer wirtschaftlichen Interessen darf es nicht geben“, sagte er. Die enorme Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom chinesischen Markt sei vor diesem Hintergrund besonders bedrückend. Es sei deshalb „auch ein Gebot der ökonomischen Klugheit, unsere wirtschaftlichen Beziehungen rasch zu differenzieren“. Es gehe nicht um einen Rückzug vom chinesischen Markt. Andere Märkte müssten aber relativ wichtiger werden. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai präzisierte: „Deutschland und die EU brauchen dringend eine neue China-Strategie.“
Unseren Worten müssen Taten folgen
Die Ampel-Koalition habe sich auf die Notwendigkeit einer umfassenden China-Strategie verständigt: „Dieses Vorhaben muss jetzt schleunigst in die Tat umgesetzt werden.“ Djir-Sarai hält auch personenbezogene Sanktionen gegen die chinesische Staatsführung und die Verantwortlichen vor Ort für wichtig, die könnten aber nur ein Anfang sein: „Die Lehren aus der verfehlten Russlandpolitik der letzten Jahre müssen auch auf unsere zukünftige Politik gegenüber China angewendet werden.“ Es müss nun alles daran gesetzt werden, die wirtschaftlichen Beziehungen „breiter aufzustellen und unsere Zusammenarbeit mit Wertepartnern wie Kanada oder Japan“ zu stärken. Für ihn liegt die Ratifizierung des Freihandelsabkommens CETA da auf der Hand.
Für Lindner wäre es mehr als ein Symbol, wenn nun umgehend das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada ratifiziert wird. „Hier ermutige ich meinen grünen Koalitionspartner. Unseren Worten müssen Taten folgen“, spielte er auf Äußerungen von Robert Habeck auf dem Weltwirtschaftsforum an. Es müssten umgehend Gespräche mit anderen Wertepartnern wie den USA aufgenommen werden, um die Handelsbeziehungen weiter zu vertiefen.
Die noch ausstehenden Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA will auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr weiter vorantreiben: „Wir dürfen nicht allein auf China als großen Handelspartner setzen“, so der Freidemokrat. Er bedauert in diesem Zusammenhang, dass Deutschland nicht nur in hohem Maße von Russland abhängig ist, sondern auch vom chinesischen Markt. Er fordert: „Wir müssen in den kommenden Monaten und Jahren daran arbeiten, unsere Partner stärker zu diversifizieren.“ Deswegen sei es auch richtig, dass der Bundeskanzler die Beziehungen zu Japan und afrikanischen Ländern, die unsere Werte teilen, intensiviere, sagte Dürr.
Strategie des Westens ist längst überfällig
FDP-Vize Johannes Vogel meint: „Wer schon länger genau hinschaut, kann leider nicht überrascht sein. Die Enthüllungen dokumentieren erschütternd plastisch die Radikalisierung des chinesischen Regimes unter Xi Jinping“, kommentiert er die jüngsten Enthüllungen gegenüber dem SPIEGEL. „Die digitale Totalüberwachung der eigenen Bevölkerung, die brutale Unterdrückung von Minderheiten wie den Uiguren oder der Freiheitsbewegung in Hong Kong, die militärische Bedrohung Taiwans lassen nur einen Schluss zu: China handelt nach innen wie nach außen rücksichtslos und freiheitsverachtend.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion benennt das, was ihn seit Jahren umtreibt: „Die schreckliche Entwicklung schreit geradezu nach einer gemeinsamen Strategie des Westens im neuen Systemwettbewerb, die längst überfällig ist.“ Gerade Europa müsse „seine Strategiearmut mit Blick auf China schleunigst überwinden“, daran müsse die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik dringend arbeiten.
Im ZDF-Mittagsmagazin bekräftigte er: „Mittelfristig müssen wir uns die Frage stellen, wie wir mit China umgehen.“ Ein erster Schritt wäre, wenn sich Länder wie die Vereinigten Staaten, Europa, Australien, Neuseeland oder Japan und Südkorea auf eine gemeinsame Strategie einigen würden.
China-Strategie muss klare und unmissverständliche Antworten finden
FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte erwartet nun, dass die neue China-Strategie der Bundesregierung klare und unmissverständliche Antworten findet. „Massive Menschenrechtsverletzungen in Form von systematischen Internierungs- und Umerziehungslagern dürfen wir unter keinen Umständen wortlos hinnehmen.“ Jetzt sei eine einheitliche europäische und transatlantische Abstimmung im Umgang mit China notwendig.
Menschenrechtsexpertin und FDP-Fraktionsvize Gyde Jensen verweist im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auf den Koalitionsvertag und die China-Strategie, die ihre Partei mit der SPD und den Grünen umsetzen will. „Wirtschaftliche Abhängigkeiten müssen analysiert werden, und dann muss dieses Verhältnis analysiert werden. Wie groß sind diese Abhängigkeiten?“, sagt Jensen. Sie bringt zudem, ähnlich wie auch andere Vertreter der Ampel-Parteien, personenbezogene Sanktionen gegen Verantwortliche ins Spiel, die für diese Menschenrechtsverletzungen verantwortlich seien.
Volksrepublik China begeht Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Schon im Beschluss des Bundesparteitages im April heißt es zu China: „Menschenrechtsverletzungen und fehlende Rechtsstaatlichkeit dürfen nicht schweigend hingenommen werden. Insbesondere die beispiellose technische Überwachung der Bevölkerung sowie die Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten durch den chinesischen Staat stehen im Widerspruch zu Chinas völkerrechtlichen Verpflichtungen. Durch die Internierung, Zwangssterilisierung und kulturelle Gleichschaltung von Angehörigen ethnischer Minderheiten begeht die Volksrepublik China Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
Ein wichtiger Schritt ist für die Freien Demokraten daher, den bewährten Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) weiterzuentwickeln und deren Regeln konsequent durchzusetzen. „Zugleich werden wir das europäisch- kanadische Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA schnellstmöglich ratifizieren, verfolgen das Ziel eines transatlantischen Wirtschaftsraums und wollen die wirtschaftliche Kooperation mit liberalen Demokratien weltweit vertiefen“, heißt es in dem Beschluss weiter. „Im Verbund mit unseren europäischen Partnern treten wir der aggressiven Seidenstraßen-Strategie der Volksrepublik China entgegen – mit ambitionierten und wertegeleiteten Handelsverträgen mit den ASEAN- Staaten sowie den Staaten Afrikas und Lateinamerikas.“
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