Russische Kriegsverbrecher strafrechtlich zur Verantwortung ziehen

Der russische Überfall auf die Ukraine vor einem Jahr markiert eine neue Phase der europäischen Geschichte. Justizminister Marco Buschmann schreibt über die Bedeutung des Völkerstrafrechts in Zeiten dieses russischen Angriffskrieges.

Marco Buschmann
Justizminister Marco Buschmann macht klar: Putin und seine Armee werden die volle Härte des Völkerstrafrechts zu spüren bekommen. © BPA/Steffen Kugler

In seinem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ betont Buschmann, dass „in allem Horror“, den der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gebracht habe, die liberalen Demokratien auf der ganzen Welt in ihrer Unterstützung für die Ukraine und ihrer Verurteilung der russischen Aggression geeint seien. Er schreibt: „Auch uns, den liberalen Demokratien, gilt ja ausdrücklich dieser Angriff. Er gilt der Freiheit und der Selbstbestimmung überhaupt. Es ist ein Krieg der Gewalt gegen das Recht.“

Putins Kalkül sei nicht aufgegangen, stellt der Justizminister fest. „Die tapferen Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigen sich und ihre Demokratie. Die Welt verurteilt den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands in historisch beispielloser Einmütigkeit. Und die liberalen Demokratien sind eben nicht, wie Putin geglaubt hat, schwach und feige.“ Freiheit und liberale Demokratien hätten einmal mehr ihre Stärke und Fähigkeit zur Problemlösung unter Beweis gestellt.

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Die richtigen Lehren ziehen

Buschmann zeigt sich überzeugt, dass die freie Welt aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts gelernt habe: „Wenn man es mit einem Diktator zu tun hat, der explizit ein territoriales Expansionsprogramm verfolgt, wird Appeasement-Politik nicht erfolgreich sein.“ Appeasement-Politik verstehe ein solcher Diktator vielmehr als Einladung, mit Aggression und Rechtsverletzung fortzufahren, so der Justizminister. Umso mehr gelte es, Russland in die Schranken zu weisen.

Zugleich müssten auch aus der Gegenwart die richtigen Lehren gezogen werden. Buschmann betont die Notwendigkeit einer nationalen Sicherheitsstrategie. Die Entwicklung einer solchen Strategie sei jede Anstrengung wert. „Wir dürfen Fehler nicht wiederholen und müssen Abhängigkeiten reduzieren, die uns künftig gefährlich werden können.“ Es gelte, kritische Infrastruktur in Deutschland zu schützen, autoritären Staaten keine Einfallstore zu öffnen, Worst-Case-Szenarien durchzuspielen und Verwundbarkeiten zu erkennen und zu verringern.

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Kriegsverbrechen konsequent verfolgen

„Wenn die Waffen sprechen, lässt sich das Recht nicht den Mund verbieten“, erklärt der Justizminister. Russland führe einen Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Aber die Taten würden von den Institutionen des Völkerstrafrechts registriert. Buschmann macht klar: „Das Recht arbeitet.“ Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, der deutsche Generalbundesanwalt und auch die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft ermittelten und bereiteten die Verfolgung der Kriegsverbrecher vor. Buschmann ist überzeugt: „Wir werden die Täter zur Verantwortung ziehen.“ Schließlich werde auch Putin mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Kriegsverbrechen, die täglich in der Ukraine verübt werden, nicht durchkommen.

Zugleich ist sich Buschmann dessen bewusst, dass die juristische Aufarbeitung ein langwieriger Prozess sei: „Wir werden jahrelang ermitteln müssen.“ Diese Verbrechen, „die die Menschheit als Ganzes berühren“, müssten auch von der Menschheit geahndet werden. Dass diese Verbrechen nicht straflos bleiben, dafür zu arbeiten sei die Aufgabe der zivilisierten und der freien Welt.

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Völkerstrafrecht muss weiterentwickelt werden

Für den Justizminister offenbart die Verfolgung der russischen Kriegsverbrechen, an welchen Stellen das Völkerstrafrecht gestärkt und weiterentwickelt werden muss. Er identifiziert vier zentrale Herausforderungen. Erstens will sich Buschmann dafür einsetzen, dass der Straftatbestand der Aggression in die Statuten des Internationalen Strafgerichtshofs aufgenommen wird. Solange es jedoch keine Rechtsgrundlage gebe, um Putin vor dem Strafgerichtshof wegen Aggression zu belangen, wolle er entschlossen auf die Einsetzung eines Sondertribunals hinarbeiten. Dieses müsse dabei so gestaltet sein, dass der Strafgerichtshof nicht geschwächt wird.

Zweitens will Buschmann die Strafprozessordnung für Völkerstrafrechtsverfahren mit Blick auf die Opfer anpassen. Die Opfer sollen sich als Nebenkläger den Verfahren anschließen können und auch psychologische Unterstützung erhalten. Drittens sollen wegweisende deutsche Völkerstrafrechtsprozesse verdolmetscht und wesentliche Urteile ins Englische übersetzt werden, um diese einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Viertens sollen Strafbarkeitslücken im deutschen Völkerstrafgesetzbuch geschlossen werden, indem es mit den Rechtsnormen des Internationalen Strafgerichtshofs synchronisiert wird. Er hat hierzu bereits ein Eckpunktepapier vorgelegt.

„Ich denke, wir ziehen mit all dem die richtigen und nötigen Schlüsse aus der gegenwärtigen Wiederkehr schlimmster Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen auf unserem Kontinent“, schreibt Buschmann. „Und wir ziehen einmal mehr die richtigen Schlüsse aus unserer eigenen Vergangenheit von Gewalt, Rechtsbruch und Angriffskrieg. Denn die Verantwortung für diese Geschichte wird nicht enden.“