Marco Buschmann will Strafverfolgung im Netz stärken
Im Kampf gegen Radikalisierung und Hetze im Netz will der Bundesjustizminister den Fahndungsdruck im Netz mithilfe von Internet-Streifen erhöhen. Denn Gewalt- und Morddrohungen seien „genauso wie auf der Straße auch im Netz strafbar.“
Im Kampf gegen die Radikalisierung und Hetze im Netz fordert der Bundesjustizminister Marco Buschmann mehr Internet-Streifen der Polizei. „Was die Rechtslage angeht, haben wir kein Defizit. Aber wie müssen den Fahndungsdruck erhöhen“, betont Buschmann im Interview mit dem Tagesspiegel. Denn Gewalt- und Morddrohungen seien genauso wie an öffentlichen Plätzen auch im Internet strafbar. Zudem will er sich dafür einsetzen, dass weniger Menschen wegen nicht bezahlter Geldstrafen in Haft kommen. „In Haft sollten vor allem die sitzen, die auch zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden“, so der FDP-Politiker.
Verstärkter Einsatz von Polizeistreifen im Internet
Der Minister will den Kampf gegen Radikalisierungen und Hetze im Internet angehen. Dabei spricht sich Buschmann für eine Verstärkung der Strafverfolgung im Netz aus. Beispiele, wie bei der Identifizierung und Festnahme des mutmaßlichen Bundeswehrsoldaten, der im vergangenen Jahr zum Umsturz aufrief, zeigen, dass der Fahndungsdruck erhöht werden müsse. „Damit es überall so schnell geht, fehlt aber oft die personelle und materielle Ausstattung“, so Buschmann. Das müsse sich dringend ändern. Denn das Internet sei kein rechtsfreier Raum. „Dort gelten Gesetze und es ist für die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden auch möglich dort zu ermitteln.“ Dazu müsse sie dort präsent sein und die Augen offenhalten.
Gewalt- und Morddrohungen sind auch im Netz strafbar
Jedem müsse klar sein, dass die Polizei nicht tatenlos zusehen werde, wenn durch Posts im Internet Personen gefährdet werden. „Gewaltandrohungen oder Morddrohungen sind genauso wie auf der Straße auch im Netz strafbar und müssen dort strafrechtliche Ermittlungen und Konsequenzen nach sich ziehen.“ Daher müsse auch in öffentlich zugänglichen Bereichen des Netzes die Polizei auf Streife gehen, wie sie es auch auf öffentlichen Plätzen in der analogen Welt tue.
Zudem setzt sich Buschmann für europaweite Regelungen für Soziale Netzwerke ein. Dazu brauche es einen schnellen Erfolg des europäischen Digital Services Act (DSA). Denn: „Die Erfahrung zeigt, dass die geschlossene europäische Stimme auf solche Plattformen viel mehr Eindruck macht, als wenn 27 Mitgliederstaaten jeweils für sich ihre eigene Strategie wählen.“
Geldstrafen-Schuldner sollen seltener in Haft
Zudem will sich Buschmann dafür einsetzen, dass weniger Menschen wegen nicht bezahlter Geldstrafen in Haft kommen. Der Berichterstattung zufolge verbüßen zehn Prozent der Häftlinge eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe, weil sie eine vom Gericht verhängte Geldstrafe nicht bezahlt haben. Dabei handle es sich häufig um Menschen mit geringem Einkommen. Das will der Bundesminister der Justiz ändern. „In Haft sollten vor allem die sitzen, die auch zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden.“ Die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen solle in der Praxis vermieden werden, so Buschmann. „Da sind aber die Länder auch schon tätig geworden und es gibt einen regen Austausch, wie man das noch besser machen kann, etwa durch eine weitere Stärkung der Programme „Schwitzen statt Sitzen“ oder ein aktives Zugehen auf die Betroffenen, um ihnen beim Begleichen der Geldstrafe zu helfen“, so der FDP-Politiker. „Nach dem Koalitionsvertrag wollen wir zudem prüfen, ob wir auch bundesrechtlich etwas beisteuern können, um zu weniger Vollstreckungen zu kommen.“
Einfacherer Zugang zu Pflichtverteidigern
Deutschland habe bereits viele Instrumente und Institutionen, die den Zugang zum Recht auch für ärmere Menschen gewährleisten, wie beispielsweise die Prozesskostenhilfe oder die Möglichkeit der Ratenzahlung bei Geldstrafen. „Außerdem gibt es zur Höhe der Geldstrafe obergerichtliche Rechtsprechung, die eindeutig sagt, dass das zum Leben finanziell Unerlässliche den Menschen nicht genommen werden darf.“
Dennoch will Buschmann dafür sorgen, dass arme Menschen früher einen Pflichtverteidiger bekommen. Derzeit muss dafür ein Antrag gestellt werden. „Dadurch wird von diesem Recht oft kein oder erst später Gebrauch gemacht“, erklärt Buschmann. Dabei sei es sehr wichtig, schon in der Phase des Ermittlungsverfahrens kompetent vertreten zu sein. Die Freien Demokraten haben bereits in der letzten Legislaturperiode für eine Pflichtverteidigung ohne Antrag ab der ersten Vernehmung plädiert. Das sei jetzt auch im Koalitionsvertrag hinterlegt.
Buschmann prüft des weiteren eine Entkriminalisierung des Schwarzfahrens. „Wir wollen uns als Koalition das Strafgesetzbuch vornehmen und prüfen: Welche Straftatbestände passen nicht mehr in die Zeit?“ Da sei der Tatbestand des „Erschleichens von Leistungen“ nicht der einzige, der bei der Prüfung auf der „Longlist“ stehen werde, so Buschmann.
Verständnis für Empörung über AfD-Richter Maier
Die Aufregung über den sächsischen AfD-Politiker und Richter Jens Maier könne Buschmann verstehen. „Für mich ist der Gedanke, dass jemand, der erwiesenermaßen Rechtsextremist ist, Urteile im Namen des Volkes sprechen soll, geradezu unerträglich“, erklärte Buschmann dem Tagesspiegel. Der Fall sorgt für Empörung, weil der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Maier nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag zurück auf die Richterbank will. Auf die Rückkehr in den richterlichen Dienst hat Maier einen Anspruch.
Der Rechtsstaat müsse sich an seine eigenen Regeln halten, sagte Buschmann. Der Bundesjustizminister wies aber auch darauf hin, „dass es bei einer Rückkehr in den richterlichen Dienst keinen Anspruch darauf gibt, in einem bestimmten Tätigkeitsbereich eingesetzt zu werden.“ Man könne also auch mit anderen Aufgaben betraut werden, als Urteile zu fällen. „Wenn Sie mich als Staatsbürger fragen, wie ich das regeln würde – das wäre möglicherweise ein Weg“, so der FDP-Politiker. Dem Land Sachsen stünden außerdem Instrumente für die Entfernung aus dem Dienst zur Verfügung, im Rahmen von Recht und Gesetz.
Dennoch solle man aus Einzelfällen nicht den Rückschluss ziehen, es gebe in der deutschen Justiz ein Extremistenproblem systemischer Art. Buschmann betont: „Wir brauchen hier eine hohe Sensibilität und müssen sehr entschlossen vorgehen, wenn extremistisches Gedankengut in der Justiz aufgedeckt wird.“
Gewaltsamer Protest ist antidemokratisch
Auch zu Gewalt bei Demonstrationen äußerte sich der Bundesjustizminister und verurteile dies unabhängig von deren Stoßrichtung. „Gewaltsamer Protest ist antidemokratisch – und deshalb zu Recht tabu.“ Dabei gebe es keine Differenzierung nach Weltanschauung. „Unser Rechtsstaat setzt das Friedlichkeitsgebot gegenüber allen Versammlungen durch, egal wie wertvoll oder dringlich ihr Anliegen ist.“
Daher gebe es auch keine Versammlungen zweiter Klasse: Proteste gegen Corona-Maßnahmen seien genauso geschützt wie Demonstrationen für mehr Klimaschutz. „Schrille Zusammenkünfte sind nicht weniger legitim als stumme Menschenketten.“
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