Lindner will Inflationsausgleich für die breite Mitte

Arbeitnehmerinnen, Geringverdiener, Rentnerinnen und Selbständige können profitieren, wenn in Zeiten steigender Preise die kalte Progression ausgeglichen wird. Das ist kein gönnerhafter Akt, sondern mehrfach geboten, meint Christian Lindner.

Christian Lindner
Christian Lindner will den Tarifverlauf bei der Einkommensteuer ändern. 48 Millionen Menschen würden vom vorgeschlagenen Ausgleich der kalten Progression begünstigt. © Leon Kuegeler, photothek

Die Bürger müssen derzeit nicht nur höhere Preise verkraften, auch die Belastung durch die kalte Progression steigt. So werden die heimlichen Steuererhöhungen genannt, wenn eine Gehaltserhöhung durch die Inflation aufgefressen wird und der Arbeitnehmer durch den höheren Verdienst dennoch mehr Steuern zahlen muss. Um die Folgen der Inflation für Millionen Bürgerinnen und Bürger zu dämpfen, hat Bundesfinanzminister Christian Lindner Eckpunkte für ein Inflationsausgleichsgesetz vorgestellt.

Von den Verbesserungen profitieren rund 48 Millionen steuerpflichtige Bürgerinnen und Bürger. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, den Einkommenssteuertarif an die Preisentwicklung zu koppeln und gleichzeitig den Grundfreibetrag zu erhöhen. Außerdem sollen Familien steuerlich bessergestellt werden durch Anhebungen von Kindergeld und Kinderfreibetrag. Bei allen, deren Jahreseinkommen unter 62.000 Euro liegt, soll der Entlastungseffekt die Mehrbelastung durch die kalte Progression übersteigen. 

„Hier geht es nicht nur um eine Entlastung, sondern um einen Verzicht auf Belastung“, sagte Lindner. Auch er sei dafür, dass „starke Schultern mehr tragen sollen als schmale Schultern“. Im Gespräch mit dem „ZDF“ unterstrich er: „Und vor allen Dingen sorgen wir dafür, dass nicht Menschen, die in Wahrheit keine breiten Schultern haben, durch die Inflation plötzlich mehr Steuern zahlen. Das ist eine reine Inflationsanpassung. Und  deshalb sage ich: Das ist sozial ausgewogen.“

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Familien hätten von vornherein mehr in der Tasche

Mit Blick auf Kritiker, die befürchten, Gutverdiener würden von Steuersenkungen am stärksten profitieren, sprach Lindner im „Handelsblatt“ von einem „bisweilen klassenkämpferischen Ton“ in der Debatte. „Die Gegner nehmen die Mitte der Gesellschaft in Geiselhaft, weil sie die IT-Spezialistin, den Herzchirurg und den Unternehmer am liebsten belasten wollen“, sagte er. Von der von ihm geplanten Änderung des Tarifverlaufs bei der Einkommensteuer würden „kleine und mittlere Einkommen relativ am stärksten“ profitieren.

Er betonte: „Im Unterschied zu meinem sozialdemokratischen Vorgänger würde ich den Eckwert der Reichensteuer nicht verschieben.“ Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warb für den Abbau der kalten Progression. „So kann verhindert werden, dass Gehaltserhöhungen durch die Inflation aufgezehrt werden. Damit hätten Familien von vornherein mehr in der Tasche“, erklärte er.

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Hohe Einkommen profitieren relativ weniger

Anders als bisweilen behauptet, zahlen Spitzenverdiener auf einen Großteil ihres Einkommens ohnehin bereits den Spitzensatz, ihre durchschnittliche Steuerbelastung sinkt also relativ gering. Lindner will vor allem die durchschnittliche Steuerbelastung der Mittelschicht senken, die in Deutschland besonders hoch belastet ist. Anderenfalls würde die Kombination aus Inflation und gleichbleibenden Steuergrenzen irgendwann dazu führen, dass selbst Facharbeiter, Lehrer oder Krankenschwestern den höchsten Steuersatz zahlen.

 

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Ausgleich der kalten Progression ist verfassungsrechtliche Verpflichtung

Lindner gab zu bedenken, dass es mit der kalten Progression eine Steuererhöhung durch Unterlassung gebe: „Wer mehr Umverteilung und höhere Steuerquoten will, der möge dafür im demokratischen Wettbewerb werben. Aus dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl lässt sich aber keine Mehrheit für Steuererhöhungen ableiten – weder durch Taten noch durch Untätigkeit. Daher haben wir auch in unserem Koalitionsvertrag Steuererhöhungen ausgeschlossen“, erinnerte der Finanzminister an die Vereinbarung zwischen den Koalitionären.

Der Ausgleich der kalten Progression sei eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, sagte Lindner. Das zu unterlassen, sei „nicht nur nicht fair“, sondern auch „von Nachteil für unser Land“. Vor dem Hintergrund steigender Preise im Zuge der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine gehe es darum, Menschen im Alltag bei ihren Lebenshaltungskosten zu unterstützen. „Wir sind in einer Situation, wo gehandelt werden muss“, sagte Lindner und verwies auch auf die für Januar geplante Wohngeldreform für Menschen mit geringem Einkommen und das Bürgergeld, das Menschen bei der Grundsicherung unterstützen soll. 

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Hintergrund:

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat einen fairen Vorschlag erarbeitet, der die Auswirkungen der kalten Progression ausgleichen soll. Er bekräftigte: “Beim Abbau der kalten Progression geht es nicht um Entlastung, sondern die Verhinderung von stärkerer Belastung.“ Sobald der alle zwei Jahre erstellte Progressionsbericht der Bundesregierung vorliegt, will Lindner seinen Vorschlag auf den Weg bringen. Er geht bislang von ausbleibenden Einnahmen für den Bund von einem hohen ein- oder niedrigen zweistelligen Milliarden-Beitrag aus. „Im Haushaltsentwurf 2023 habe ich für diese Maßnahme Vorsorge getroffen“, sagte er.

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