Lieferkettengesetz wäre Misstrauensvotum gegen die Wirtschaft

Die EU hat die geplante Abstimmung über das umstrittene europaweite Lieferkettengesetz verschoben. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat den Widerstand ihrer Partei gegen das Gesetz verteidigt.

Bürokratie
Die FDP will ein Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene, das Unternehmen in Zeiten der Rezession nicht zusätzlich belastet.

Eine Abstimmung über eine zuvor von Unterhändlern ausgehandelte Einigung über das Lieferkettengesetz war am Freitag verschoben worden. Das liegt auch daran, dass FDP-geführte Ministerien in der deutschen Bundesregierung vor der Abstimmung angekündigt hatten, dem Vorhaben nicht zustimmen zu wollen. In der Debatte über die Haltung ihrer Partei warf Strack-Zimmermann SPD und Grünen unfaire Methoden vor. Die Art der Angriffe auf die FDP hinsichtlich des Gesetzes „gehen an der Realität vorbei und sind ein grobes Foul“, sagte das FDP-Präsidiumsmitglied am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

Sie betonte, die gesamte Bundesregierung — also auch SPD und Grüne — habe im vergangenen Jahr beim Europäischen Rat hinterlegt, dass die Verhandlungen über das Lieferkettengesetz ergebnisoffen geführt würden und Deutschland nur zustimmen könne, wenn das Ergebnis passe. Die sei nun nicht der Fall, unter anderem weil der bürokratische Aufwand durch die Richtlinie so dramatisch wäre, dass viele Unternehmen die Anforderungen nicht erfüllen könnten. FDP-Fraktionschef Christian Dürr erläuterte: „Wir erweisen dem zentralen Anliegen — nämlich der Einhaltung der Menschenrechte — einen Bärendienst, wenn wir die Lieferketten-Richtlinie in ihrer jetzigen Form verabschieden“. Es drohe die Gefahr, dass sich Unternehmen aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken zurückzögen. 

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Unternehmen nicht zusätzlich belasten

Die Vertagung der Entscheidung zeige, dass es im Europäischen Rat keine hinreichende Mehrheit für den Vorschlag gebe. „Auch andere Länder haben Bedenken“, sagte Dürr. Zum Argument, das Vorgehen der FDP wecke Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands, sagte Dürr: „Nein, das Gegenteil ist richtig. Das sehen wir auch daran, dass jetzt immer mehr Mitgliedstaaten skeptisch bei dieser Richtlinie sind.“ Er sei überzeugt, dass die europäischen Nachbarn das Vorgehen nachvollziehen könnten.

FDP-Vize Johannes Vogel machte im Interview mit NDR Info klar, dass man „unbedingt mehr Klimaschutz und Menschenrechte“ brauche, das EU-Lieferkettengesetz jedoch „genau zum Gegenteil“ führe. Vogel betonte, dass Deutschland ein „riesiges Problem mit Wettbewerbsfähigkeit“ habe. Zusätzliche Bürokratie sei „genau falsch“. Als konkretes Beispiel nannte Vogel die Garantieübernahme der Mittelständler für indirekte Zulieferer. Er befürchtet, dass sich viele Mittelständler wegen Haftungsrisiken und der „maximalen Bürokratie“ aus den Märkten zurückziehen würden. Seine Ziele würde das aktuelle EU-Lieferkettengesetz somit nicht erreichen. Stattdessen zeigte Vogel sich offen, einen Neuanlauf für eine europäische Richtlinie zu starten, die keinen zusätzlichen Bürokratieaufwand mit sich bringt.

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Nach der Europawahl neu über Lieferkettengesetz reden

Für FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner ergibt die Umsetzung des umstrittenen Lieferkettengesetzes auf europäischer Ebene vor der Wahl zum neuen EU-Parlament im Frühsommer keinen Sinn. Nach der Wahl könne es eine neue Initiative geben, sagte Lindner am Dienstag in Dublin. Der vorliegende Kompromiss innerhalb der EU sei für die Bundesregierung aber nicht akzeptabel. Die Richtlinie bringe viele bürokratische Hürden für Unternehmen. Sie sei auch nicht im Interesse von Entwicklungs- und Schwellenländern. Diese könnten europäische Unternehmen dann aus Sorge vor Verstößen meiden und Investitionen dort unterlassen. Angewendet werden sollen die Vorgaben auf EU-Firmen mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Konzernumsatz von über 150 Millionen Euro. In Risikosektoren — also der Textilbranche, Agrarwirtschaft und Lebensmittelindustrie — sollen auch Betriebe ab 250 Beschäftigten einbezogen werden.

Bedingungen wurden nicht erfüllt

Mit einer deutschen Enthaltung könnte das gesamte EU-Lieferkettengesetz scheitern, da sich unter den Mitgliedstaaten keine Mehrheit abzeichnet. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte, Deutschlands Verlässlichkeit in der EU stehe auf dem Spiel. Die Bundesregierung könnte durch ihr Nein zur Lieferkettenrichtlinie Vertrauen verlieren.

Christian Lindner hielt nun im Münchner Merkur dagegen: „Nein, das werfen der FDP insbesondere SPD und Grüne taktisch vor. Die Bundesregierung hat aber im November festgelegt, unter welchen Bedingungen sie zustimmt. Diese Bedingungen wurden nicht erfüllt. Die Lieferkettenrichtlinie belastet die Betriebe, ohne dass wirklich Fortschritte für Menschenrechte und Umwelt erreicht werden. Deshalb sind viele EU-Staaten dagegen.“

In Deutschland gilt bereits seit 2023 ein nationales Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, auf die Einhaltung internationaler Standards zu Menschenrechten und Umwelt entlang der eigenen Lieferkette zu achten. Von der EU-Richtlinie wären deutlich mehr Unternehmen betroffen. Gerade kleinere Betriebe seien nicht in der Lage, die „unverhältnismäßig bürokratischen und komplexen Vorgaben“ zu erfüllen, die der vorgelegte Entwurf des EU-Lieferkettengesetzes enthalte, sagte Strack-Zimmermann. Das sei mit dem Ziel der Ampel-Koalition, den Mittelstand zu entlasten, nicht zu vereinbaren. „Ich fordere die SPD und die Grünen daher auf, zurück zur Vernunft zu kommen.“

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