Liberale Bürgermeister: Dr. Anita Maaß aus Lommatzsch

Dr. Anita Maaß, Bürgermeisterin von Lommatzsch, erzählt im Interview, warum gerade liberale Ideen die Entwicklung von Kommunen vorantreiben und wie sie den Balanceakt zwischen Schuldenabbau und Investitionen meistert.

Dr. Anita Maaß
Für Dr. Anita Maaß, Bürgermeisterin von Lommatzsch, ist Kommunalpolitik die Schule der Demokratie – dort kann sie Projekte von der Idee bis zur Umsetzung begleiten.

Wie heißt die Kommune in der Sie Bürgermeisterin sind?

Lommatzsch.

Seit wann sind Sie Bürgermeisterin?

Gewählt am 18.09.2005 (wie Angela Merkel).

Wie würden Sie Ihre politische Grundeinstellung beschreiben?

Ich bin eine weltoffene Liberale, der gute Bildung, eigenständiges Denken und Selbstverantwortung sowie persönliche Freiheit sehr wichtig sind. Der demokratische Rechtsstaat und die soziale Marktwirtschaft sind nach meiner Ansicht für eine solche Lebensweise der politische Rahmen, den es zu erhalten gilt.

Was macht für Sie den Reiz der Kommunalpolitik aus?

Kommunalpolitik ist die Schule der Demokratie. In einer kleinen Stadt konnte ich unsere Projekte sehr direkt von der Idee bis zur Umsetzung begleiten und mich einbringen.

Wie wird man eigentlich liberale Bürgermeisterin?

Ich bin es durch Zufall geworden: zwar haben mich Freunde dazu aufgefordert, aber zugleich war die Problemlage in meiner Stadt 2005 so groß, dass die Menschen einen Wechsel an der Spitze der Stadtverwaltung wollten.

Was ist das besondere an Ihrer Kommune?

Lommatzsch ist eine liebenswerte Kleinstadt im ländlichen Raum zwischen Dresden, Leipzig und Chemnitz. Prägend für die Stadt sind die großen Felder und die intensive Landwirtschaft in der Kornkammer Sachsens. Außerdem produzieren Bürger und Unternehmen in Lommatzsch mit 19 Windkraftanlagen, einer großen Flächen- sowie vielen kleine Photovoltaikanlagen und einer Biogasanlage mehr Strom als in der Stadt verbraucht wird. Damit ist Lommatzsch bilanziell für Strom autark. Übrigens sind die meisten gefrorene Erbsen, die in Deutschland verkauft werden, auf unseren Feldern gewachsen. Sie werden in einem Zweigbetrieb der FRoSTA AG tiefgekühlt. Auch stammt die Familie mütterlicherseits von Schauspieler Terence Hill aus Lommatzsch. Er lebte als Kind einige Jahre in Lommatzsch und wir haben dazu sowie zu seinem filmischen Schaffen ein Museum gestaltet.

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Was sind die angenehmsten und die unangenehmsten Aufgaben in Ihrem Amt?

Es macht mir Spaß eine Verwaltung zu führen und mich unmittelbar in die Themen einbringen zu können. Es macht mir weniger Spaß, im Stadtrat die notwendigen Mehrheiten für wichtige Entscheidungen zu organisieren.

Warum sind Liberale die besseren Bürgermeisterinnen? ;-)

Ein guter Bürgermeister ist nahbar, verlässlich und kompetent. Ich glaube nicht, dass so etwas an einer Mitgliedskarte festgemacht werden kann. Besser wäre die Frage: Warum ist liberale Kommunalpolitik die beste: weil liberale Kommunalpolitik auf starke kommunale Selbstverwaltung setzt, Menschen vertraut und einbezieht sowie nachhaltig, generationsgerecht und dienstleistungsorientiert handelt.

Bitte vervollständigen:

Ratssitzungen sind… nicht immer einfach.

Meine liebsten Termine als Bürgermeisterin… sind die Haushaltsberatungen.

Wenn ich in meinem Kalender einen Geburtstagsgratulations-Termin sehe… freue ich mich auf die spannenden Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern.

Das Beste, was ein/e Bürgermeisterin zu einem Termin mitbringen kann, ist/sind… Zeit für die Menschen.

Ich mag an „meinem“ Rathaus… die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Seit ich Bürgermeisterin bin, … haben wir die Stadt von einem „kleinen hässlichen Entlein“ zu einem „stolzen Schwan“ entwickelt.

Wenn ich nicht mehr Bürgermeisterin bin… (nach Ablauf meiner Wahlperiode 2026) freue ich mich auf neue Herausforderungen und neue berufliche Chancen.

Meine größte Herausforderung als Bürgermeisterin ist oder war… der Schuldenabbau bei gleichzeitig hoher Investitionstätigkeit zum Beheben von Instanthaltungsstau.

Was haben Sie in Ihrer Kommune bewirkt, auf was sind Sie besonders stolz?

Ich bin besonders auf die Sanierung der Innenstadt und des Marktplatzes stolz.

100 Dinge die man als Bürgermeisterin tun sollte … welches sind ihre Top 3?

1. Zuhören, 2. sich selbst kritisch reflektieren können, 3. Menschen zur Mitwirkung bewegen

Warum ist gerade die Kommunalpolitik so wichtig für uns Liberale?

Kommunale Selbstverwaltung heißt Selbstgestaltung und Selbstverantwortung, das lieben wir Liberale.

Sie finden eine Wunderlampe, der Geist aus der Lampe erfüllt Ihnen drei Wünsche, einen für Ihre Kommune, einen für Ihre Partei und einen für Sie. Was wünschen Sie sich?

Wunsch für die Kommune: stets vernünftig und für die gesamte Stadt denkende Menschen im Stadtrat zu haben

Wunsch für die Partei: den Wiedereinzug in den sächsischen Landtag zu schaffen

Wunsch für mich: stets eine stabile Gesundheit haben zu dürfen

Was sind derzeit Ihre spannendsten Projekte?

Die Haushaltsplanung für den Doppelhaushalt 2025/2026 mit mittelfristiger Finanzplanung bis 2029. Das wird mein letzter Haushalt sein, den ich begleite. Deshalb möchte ich noch so viel wie möglich unterbringen.

Welche Herausforderungen sehen Sie derzeit für Ihre Arbeit/ Ihre Stadt?

Die Vereinfachung von Verwaltungsprozessen für die Bürger.

Welche Fortschritte haben sie schon bei der Digitalisierung Ihrer Verwaltung gemacht?

Wir sind eine kleine Gemeinde und deshalb auf die vorhandenen Möglichkeiten unseres IT-Zweckverbandes angewiesen. Die Digitalisierung der Ratsarbeit und die ersten Anwendungen aus dem Amt 24 laufen schon, das reicht mir aber noch lange nicht.

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Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie im demografischen Wandel und wie bereitet sich Ihre Stadt darauf vor?

Die Stadt hat seit 1990 rd. 30% ihrer Bevölkerung verloren. Somit ist der demografische Wandel seit 2006 ein ständiges Thema für die Stadtentwicklung für mich. Konkret bedeutet das, sich auf die geringere und ältere Bevölkerung einzustellen und die Ausgaben der Kommune entsprechend anzupassen. Eine Chance ist, dass seit etwa 2015 junge Menschen wieder Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Region finden. Wenn wir es schaffen, sie auch nach der Lehre in der Region zu halten und in der Familiengründungsphase wieder zurück nach Lommatzsch zu locken, wäre das toll. In der hübschen Altstadt finden junge Leute auch noch Häuser, die sie (auch mit viel Eigeninitiative) sanieren und sich somit finanziell leisten können.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?

Um 7:45 Uhr bin ich gewöhnlich im Rathaus. Dienstags folgt 8 Uhr eine Gesamtdienstberatung mit allen 16 Mitarbeiterinnen und dem einen Mitarbeiter der Verwaltung, da ich keine Ämter mehr habe. Außerdem sind wir fast nur Frauen im Rathaus und haben auch zwei Hausmeisterinnen. Danach beantworte ich Mails, gebe Rechnungen frei, bearbeite Posteingänge oder gehe zu Geburtstagen bzw. Ehejubiläen. 14-tägig tagt unser Stadtrat. Als kleine Kommune mit 18 Stadträten haben wir keine Ausschüsse, sondern beraten alle Themen im Stadtrat vor. Deshalb stimmen wir uns dienstags 13 Uhr in der Woche der Stadtratssitzung in der Verwaltung ab. Besprechen die Präsentationen oder aktuelle Informationen für den Stadtrat. Donnerstags von 13-14 Uhr führen wir regelmäßige Bauhofberatungen durch. Gemeinsam mit dem Bauhofleiter, den Mitarbeitern der Bauverwaltung und den Einrichtungen werden die anstehenden Aufgaben für besprochen, z.B. Grünpflegemaßnahmen, Baumpflegearbeiten, Arbeiten an den Bürgerhäusern etc. Eben alle Aufgaben, die für eine ordentliche und saubere Stadt nötig sind. Den Bürgern ist ein gepflegtes Erscheinungsbild der Kleinstadt mit ihren 37 Dörfern sehr wichtig. Donnerstags biete ich auch von 16-18 Uhr wöchentlich Bürgersprechstunden an. In der Regel verläuft mein Tag nie so, wie die Termine in meinem Kalender eingetragen sind. Plötzlich steht ein Bürger mit einem Problem in der Tür, werde ich für Entscheidungen bei Bauberatungen vor Ort gebraucht oder ruft ein Unternehmer mit einem dringenden Anliegen an. Die Abwechslung ist herausfordernd, macht aber auch viel Spaß. Abends und an den Wochenenden habe ich Termine mit Vereinen oder der Feuerwehr.

Welche Pläne haben Sie für die wirtschaftliche Entwicklung Ihrer Stadt? Wie wollen Sie Investitionen anziehen und Arbeitsplätze schaffen?

Wichtig für uns ist es, Arbeitsplätze zu halten. Das gelingt nur, wenn es auch immer genügend Einwohner in unserer Stadt gibt. Die weitere Stadtsanierung ist deshalb von großer Bedeutung. Neue Arbeitsplätze entstehen meist in Handwerksfirmen. Deshalb sind stetige Investitionen der öffentlichen Hand vor Ort wichtig.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um die Verkehrsinfrastruktur in Ihrer Stadt zu verbessern?

Wir konnten im letzten Sommer den 2. Bauabschnitt unserer Ortsumfahrung eröffnen. Dem ging ein jahrelanger Kampf für die Straße voraus. Dank des FDP-Wirtschaftsministers Sven Morlok wurde der Straßenabschnitt noch in seiner Zeit in den Landesverkehrsplan eingeordnet. Leider gelang mir die Einordnung des 3. Bauabschnittes unter dem SPD- Wirtschaftsministers nicht mehr. Damit ist die Straße nicht vollständig fertig und entlastet nur teilweise die Innenstadt vom Schwerverkehr. Wir können nun aber den fertigen Teil der Ortsumfahrung nutzen, um in einem Verkehrsversuch, den Schwerverkehr in einer Fahrtrichtung und damit im Ringverkehr durch die Stadt zu führen. Damit sollen die Belastungen für die Anwohner verringert werden. Der Versuch wird im 1. Quartal 2025 starten. Aktuell laufen die konzeptionellen Vorarbeiten.

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben, die sich politisch engagieren möchten?

Wer politisch etwas gestalten will, braucht Geduld und Gelassenheit und einen stabilen inneren liberalen Kompass.

Was war die schwierigste Entscheidung, die Sie in Ihrer Amtszeit treffen mussten, und wie sind Sie damit umgegangen?

Es gab zwei schwierige Entscheidungen im Zusammenhang mit der Haushaltskonsolidierung: 1. Ich musste im Jahr 2008 einer Bürgschaft der Stadt für unser hoch verschuldetes Kulturhaus zustimmen, bekam dafür im Gegenzug vom Kreditinstitut aber erhebliche Krediterleichterungen. 2. Ich musste im Jahr 2011 das Freibad aufgrund baulicher Mängel schließen. Diese Entscheidungen haben wir offen im Stadtrat besprochen. Inzwischen ist das Kulturhaus in einem sicheren Fahrwasser und die GmbH in das Vermögen der Stadt überführt. Ein Nachnutzungskonzept für das Freibades zu entwickeln, wollte der Stadtrat leider bisher nicht. Insgesamt haben beide Maßnahmen aber erhebliche positive Effekte für die Haushaltsentwicklung gehabt.

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