Kriegsverbrechen dürfen nicht straflos bleiben
Auf Einladung von Bundesjustizminister Marco Buschmann haben sich zum ersten Mal die G7-Justizminister getroffen und sich auf konkrete Maßnahmen verständigt, wie Kriegsverbrechen in der Ukraine effektiver verfolgt werden können.
Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann vor dem Treffen der G7-Justizminister mit Blick auf die Verfolgung von Kriegsverbrechen: „Es ermitteln sehr unterschiedliche Stellen: der Internationale Strafgerichtshof, die Ukraine, andere Staaten, auch wir selbst.“ Sein Ziel sei es, dass zwischen den einzelnen Akteuren Beweismittel einfacher ausgetauscht werden können und dass Zeugen nicht unnötig oft vernommen werden. Auf internationaler Ebene sei eine noch effizientere Koordinierung der Ermittlungsarbeit notwendig. Angesichts der dramatischen Lage in der Ukraine kamen deswegen erstmals in der Geschichte die Justizminister im G7-Format zusammen.
„Wir haben uns bei unserem G7-Treffen auf die Berliner Erklärung geeinigt. Wir haben uns auf konkrete Maßnahmen verständigt, wie wir unsere Ermittlungen besser koordinieren, um gegen die Kriegsverbrechen, die auf dem Boden der Ukraine begangen werden, besser vorzugehen“, erklärte Buschmann in einem Statement nach dem Treffen. Die G7-Justizminister haben sich unter anderem dazu verpflichtet, ein Netzwerk von nationalen Kontaktstellen einzurichten. „Das stellt sicher, dass sämtliche Informationen untereinander koordiniert werden.“
Kriegsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben
Bei dem G7-Treffen betonte Buschmann: „Kriegsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben, egal wer sie begangen hat und egal, wo sie begangen worden sind.“ In der Vergangenheit habe Deutschland bereits erfolgreich syrische Folterknechte des Assad-Regimes vor Gericht gestellt, erläuterte Buschmann die Möglichkeiten der deutschen Justiz bei der Ermittlung und Verfolgung von Kriegsverbrechen. Mit Blick auf die Situation in der Ukraine sagte er: „Wenn wir der Täter habhaft werden, müssen wir vorbereitet sein, ihnen nach den Regeln des Rechtsstaats ihre Verbrechen nachweisen zu können.“ Buschmann versicherte: „Die juristische Aufarbeitung der Gräueltaten in der Ukraine wird Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauern. Aber wir werden gut vorbereitet sein und einen langen Atem haben.“
Seelische Belastung von Zeugen minimieren
„Wer zusehen musste, wie Menschen ermordet wurden, oder wer selbst Opfer sexueller Gewalt wurde, ist zutiefst traumatisiert“, betonte Buschmann. Deswegen müssten die Ermittlungspersonen psychologisch extrem gut ausgebildet sein, „damit sie den Schaden nicht erhöhen“. Auch müssten Zeugenvernehmungen so geführt sein, dass sie den strafprozessualen Qualitätsstandards entsprächen. Es gehe darum, eine möglichst ungetrübte Erinnerung aufzunehmen, erläuterte er. „Und wir brauchen sie schnell, weil Psychologen uns sagen, dass sonst Verdrängung einsetzen kann, als Selbstschutzmechanismus der Seele, wenn man so will.“
In der Berliner Erklärung haben sich die G7-Justizminister darauf verständigt, dass die Ermittlungen frühzeitig koordiniert werden. „Dies wird für unsere Ermittlungsbehörden eine weitere Hilfe sein, effizient vorzugehen, Doppelarbeit und die Retraumatisierung von Opfern und Zeugen zu vermeiden und Ermittlungslücken auszuschließen.“ Beispielsweise soll das Genocide Network weiterhin als Netzwerk der nationalen Anlaufstellen dienen, um den Austausch von Informationen über die Ermittlungen zu Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu erleichtern.
Völkerstrafrecht gilt für alle
„Das Völkerstrafrecht differenziert nicht danach, von wem Kriegsverbrechen begangen werden. Natürlich schließt das auch etwaige Kriegsverbrechen der ukrainischen Seite ein“, sagte der Justizminister im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er betonte allerdings, dass „der größte Teil der Kriegsverbrechen, von denen wir wissen, von russischen Einheiten begangen“ worden sei.
In einem Statement vor dem G7-Treffen der Justizminister betonte Buschmann: „Das Völkerstrafrecht fußt auf einem kraftvollen Versprechen, nämlich: Kriegsverbrechen dürfen nicht straflos bleiben, egal wo sie begangen werden, egal wer sie verübt. Dieses Versprechen zu halten, ist unsere Pflicht.“