FDP verlangt schärferen Kurs gegenüber Russland
Vor knapp zwei Wochen kehrte Putin-Kritiker Alexej Nawalny nach Russland zurück, wurde verhaftet - und zu einer Haftstrafe verurteilt. Deutschland und seine europäischen Partner müssten sich nun mit Nachdruck für die sofortige Freilassung Nawalnys einsetzen, fordert die FDP.
Metrolinien werden stillgelegt, Stadtviertel abgeriegelt, Bahnhöfe geschlossen, Polizisten zu Tausenden in Stellung gebracht. „Die übernervöse Reaktion der russischen Führung auf die Proteste für Nawalny zeigt, dass Präsident Putin vor den wegweisenden russischen Parlamentswahlen im Herbst um seine Autorität fürchtet“, äußert sich der Vizevorsitzende der FDP-Fraktion, Alexander Graf Lambsdorff, gegenüber der „Rheinischen Post“. Die Proteste gegen die Wahlfälschung in Weißrussland wirken laut Lambsdorff auf den russischen Präsidenten wie eine dunkle Vorahnung. „Denn längst finden die Demonstrationen nicht mehr nur in Sankt Petersburg und Moskau, sondern im ganzen Land statt.“
Für Oppositionelle sei es in Russland fast unmöglich, in einem fairen Wettbewerb um ein Mandat zu kämpfen. Unabhängige Kandidaten, wie Alexej Nawalny, müssen lange Unterschriftenlisten vorlegen, wobei regelmäßig kurz vor dem Stichtag Tausende von Namen für ungültig erklärt werden, sodass die Kandidaten keine Chance mehr auf Zulassung zur Wahl haben, führt Lambsdorff aus. „Und wenn das alles nicht reicht, wird ein Strafverfahren angezettelt, weil Verurteilte ihre Wählbarkeit verlieren.“
Die FDP fordert daher sofortige Strafmaßnahmen gegen die russische Regierung – auch und vor allem von Deutschland, das im August vergangenen Jahres Nawalnys Leben nach dessen Nowitschok-Vergiftung durch den russischen Geheimdienst gerettet hatte. Die Bundesregierung müsse darauf hinwirken, „dass sich Mitglieder aller demokratischen Parteien in Russland vor den Wahlen endlich wieder ohne Angst um Leib und Leben organisieren und betätigen dürfen.“ Die „exzessive Gewaltanwendung“ gegen friedliche Demonstranten und die „haltlosen Verurteilungen“ von einflussreichen Oppositionellen müssten ein Ende finden.
Bijan Djir-Sarai ergänzte: „Deutschland sollte sich mit den mutigen Menschen solidarisieren, die in ganz Russland für die Freilassung des Oppositionellen Nawalny und für mehr Demokratie auf die Straße gehen. Deutschland und die EU müssen den Druck auf Moskau erhöhen und sich für ein sofortiges Ende der Gewalt und die Freilassung der Demonstranten einsetzen.“
Lambsdorff kritisiert vor allem auch das Festhalten der Bundesregierung an der Fertigstellung der umstrittenen Gaspipeline: „Man kann das Projekt Nord Stream 2 und den Fall Nawalny nicht einfach trennen“, sagte Lambsdorff. Dass trotz der klaren Beweislage gegen die ermittelten Täter des Giftanschlags auf Nawalny nicht nur AfD und Linkspartei weiterhin Präsident Putin huldigen, sondern auch Teile der SPD, sei für Lambsdorff unverständlich. „Manuela Schwesig will Nord Stream 2 um jeden Preis zu Ende bauen und gründet zur Tarnung eine Umweltstiftung, die 99 Prozent ihres Geldes, die Geschäftsgrundsätze und den Geschäftsführer vom russischen Staatskonzern Gazprom zugewiesen bekommt.“
Für ihn ist die zunehmende Ablehnung des Gasprojekts Nord Stream 2 in Europa ein diplomatisches Desaster der Bundesregierung:“Polen, Balten, Skandinavien, USA, Ukraine, Europaparlament, jetzt auch Frankreich — alle sind gegen Nord Stream 2“, schrieb Lambsdorff am Montag auf Twitter. „Objektiv betrachtet, ist Deutschland energie- und außenpolitisch vollkommen isoliert“, kritisierte er.
Deutschland werde natürlich auch in Zukunft Erdgas aus Russland brauchen, weshalb es nicht darum gehe, eine milliardenschwere Investitionsruine in der Ostsee zu schaffen, wie es die Grünen vorschlagen. „Aber jetzt wäre es besser, einen vorläufigen Baustopp zu erlassen, um Putin die Gelegenheit zu geben, seine Politik zu ändern“, fordert Lambsdorff. Denn: „Ein Weiterbau der deutsch-russischen Gaspipeline wäre das völlig falsche Signal.“
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