FDP fordert einen EU-Sondergipfel zu Afghanistan

Nach dem Abzug der internationalen Truppen erobern die Taliban immer mehr Gebiete in Afghanistan. Die FDP will europäische Hilfen für Flüchtlinge – und Visa für besonders gefährdete Frauen und Mädchen.

Silhouette Soldat mit Bazooka
Die Freien Demokraten fordern angesichts der sich zuspitzenden Krise in Afghanistan einen EU-Sondergipfel.

Die Lage in Afghanistan verschlechtert sich nach dem weitgehend abgeschlossenen Abzug der internationalen Truppen zusehends. Provinzhauptstadt und Provinzhauptstadt fällt in die Hände der Taliban, zuletzt brachten sie die Stadt Ghasni, 150 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernt, militärisch unter ihre Kontrolle. Hunderttausende Afghanen sind im Inneren des Landes bereits auf der Flucht. Angesichts der sich zuspitzenden Krise hat die FDP-Bundestagsfraktion nun ein Zehn-Punkte-Papier vorgelegt. Zentrale Forderung: ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff erläuterte gegenüber dem SPIEGEL: „In Afghanistan spielt sich ein Drama ab, dem wir trotz des Nato-Abzugs nicht tatenlos zusehen dürfen.“ Auf einem EU-Gipfel sollten daher konkrete Maßnahmen beschlossen werden, wie die Vermittlung eines Waffenstillstands, Sanktionen für Unterstützer der Taliban und mehr Geld für das Uno-Flüchtlingshilfswerk zur Versorgung afghanischer Flüchtlinge in den Nachbarländern, fordern die Freien Demokraten.

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„Auch mit der Türkei muss gesprochen werden, um ankommende afghanische Flüchtlinge nach dem Vorbild des EU-Türkei-Deals vor Ort zu versorgen“, verwies Lambsdorff auf die finanziellen Milliardenhilfen, die die EU für die Kriegsflüchtlinge aus Syrien in der Türkei bereits seit Jahren leistet.

Die Freien Demokraten fordern zudem weitere Maßnahmen von der Bundesregierung in ihrem Zehn-Punkte-Papier. So solle sich Deutschland innerhalb der EU in der Entwicklungshilfe dafür einsetzen, dass keine deutschen oder europäischen Gelder indirekt über regionale Projekte an die Taliban oder direkt in Regionen unter Herrschaft der Taliban fließen. Mit afghanischen Anrainerstaaten wie Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan soll die EU Gespräche aufnehmen, um sichere Fluchtkorridore für afghanische Flüchtlinge zu ermöglichen. Tadschikistan habe sich bereits zur Aufnahme von bis zu 100.000 afghanischen Flüchtlingen bereit erklärt. „Nun liegt es auch in der Verantwortung der Europäischen Union, diese Länder bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen logistisch, materiell und finanziell zu unterstützen“, fordern die Liberalen.

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Zudem fordern die Freien Demokraten, dass nicht nur „alle afghanischen Ortskräfte, die in den vergangenen Jahren mit den deutschen Einsatzkräften kooperiert haben und deren Leben durch den Vormarsch der Taliban akut bedroht ist“, sondern auch alle Ortskräfte, die über Drittunternehmen Dienstleistungen für die deutschen Sicherheitskräfte erbracht haben, schnellstmöglich nach Visaerteilung nach Deutschland ausreisen können sollten. Ihnen und ihren Familienangehörigen müssten nach einer Visaerteilung sofort durch Charterflüge oder bereitgestellte Flugtickets eine Ausreise ermöglicht werden. „Die bürokratische Hürden, fehlende Visastellen und mangelnde logistische Unterstützung bei der Ausreise ist unverantwortlich.“

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Freie Demokraten fordern Visaprogramm für bedrohte Frauen

Die Freien Demokraten thematisieren in ihrem Papier auch die Lage von Frauen und Mädchen, die in den vergangenen Jahren unter dem Schutz der internationalen Truppen verstärkte Möglichkeiten zur Bildung in Schulen und Hochschulen erhielten. Viele afghanische Frauen und Mädchen hätten diese Chancen genutzt und seien heute gut ausgebildet und berufstätig. „Der Vormarsch der Taliban bedroht die individuellen Rechte aller afghanischen Frauen und Mädchen, er gefährdet aber insbesondere Afghaninnen, die beispielsweise in Bereichen wie dem Bildungswesen, der Politik oder der Medienbranche tätig sind“, heißt es in dem Papier der Liberalen.

Deutschland und die internationale Gemeinschaft hätten hier eine besondere Schutzverantwortung. Die FDP verlangt daher die „zügige Einrichtung eines Sondervisa Programms für Afghaninnen, die durch die Ausweitung des Herrschaftsbereichs der Taliban besonders von Verfolgung und Gewalt bedroht sind“. In den USA, verweist die FDP auf Medienberichte, werde ein entsprechendes Programm bereits geprüft.

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Angesichts der Expansion der Taliban warnte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) die Islamisten davor, in Afghanistan ein Kalifat zu errichten und deutsche Entwicklungshilfezahlungen – derzeit rund 430 Millionen Euro pro Jahr – einzustellen. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Bijan Djir-Sarai, glaubt jedoch nicht, dass das Aussetzen der Entwicklungshilfe die Taliban abschrecken könnte. „Auch wenn die Taliban auf die Entwicklungshilfezahlungen angewiesen sind, wird sie die Drohung von Außenminister Maas nicht davon abhalten, auch weiterhin mit Gewalt und Terror gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen.”

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