Ein Lockdown muss ausgeschlossen werden
Die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels zum weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie stoßen bei der FDP auf viel Kritik. Für die Freien Demokraten steht fest: Es braucht keine ‚epidemische Lage von nationaler Tragweite‘ mehr.
Die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels zum weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie stoßen bei der FDP auf viel Kritik. FDP-Generalsekretär Volker Wissing vermisst Weichenstellungen vor allem für die Schulen. FDP-Chef Christian Lindner kritisierte: „Inzidenz weiter zentraler Bewertungsmaßstab, kein Wort zu Impfboostern, weiter Sonderrechte für die Regierung ohne Parlament, keine echte Strategie für niedrigschwellige Impfangebote, dafür Daumenschrauben für Ungeimpfte. Diese MPK hat uns nicht gut auf den Herbst vorbereitet“, twitterte er. Lindner stellte am Rande der Bund-Länder-Konferenz zudem klar: „Die Pandemie ist noch nicht überwunden, doch das Pandemiegeschehen hat sich verändert. Das Parlament ist handlungsfähig.“ Er forderte ein Ende aller Freiheitseinschränkungen für Geimpfte und Genesene: „Die Bundesregierung muss ihre Sonderrechte an den Bundestag zurückgeben. Es braucht keine ‚epidemische Lage von nationaler Tragweite‘ mehr.“
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat die Rücknahme aller Corona-Beschränkungen für vollständig Geimpfte und Genesene verlangt. „Diese Menschen sind geschützt, und sie stellen auch keine Gefahr für Andere dar. Also müssen wir hier Freiheitseinschränkungen beenden“, sagte Lindner am Dienstag in Berlin.
Bei Ungeimpften dürfe nicht der Versuch unternommen werden, „über die Ankündigung von Daumenschrauben“ die Bereitschaft zu erhöhen, sich impfen zu lassen. „Die Selbstbestimmung der Menschen muss erhalten bleiben“, betonte der FDP-Chef. Zudem müsse schon jetzt die dritte Impfung geplant werden — „das kann man vorbereiten“. Lindner bedauerte, dass davon seitens des Bundeskanzleramts bislang noch keine Rede sei.
„Eine Verlängerung der epidemischen Lage, welche der Bundesregierung Sonderbefugnisse erteilt, ist nicht mehr der Situation angemessen. Wir können nun wieder zur Normalisierung des Verhältnisses der Staatsgewalten übergehen“, so Lindner. Die Rolle des Deutschen Bundestages solle wieder gestärkt werden. Zugleich setze sich die Fraktion der Freien Demokraten im Bundestag dafür ein, dass die Menschen Impfangebote wahrnehmen. „Jetzt müssen wir mit mobilen Angeboten den Impfstoff zu den Menschen bringen, zum Beispiel auf den Campus der Uni, vor den Supermarkt oder zu Sportevents“, warb er für mehr Kreativität bei der Impfkampagne. „Da muss es jetzt mobile Teams geben, die spontan ohne Termin die Impfung verabreichen und in den Stadtteilen, in denen nicht überwiegend Deutsch gesprochen wird. Da muss es Teams geben, die auch in anderen Sprachen über die Funk informieren und für die Impfung werben.“
Er appellierte zudem an die Bund-Länder-Runde, die alleinige Fixierung an der Inzidenz, sprich die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche, zu überwinden: „Es müssen auch weitere Faktoren in die Bewertung des Pandemiegeschehens einfließen. Dringend muss die Hospitalisierung, sprich die Situation in den Krankenhäusern, in den Blick genommen werden, um deren Überlastung zu verhindern.“ Zuvor hatte Lindner im Interview mit dem WDR bekräftigt: „Solche Indikatoren haben wir bereits vor Monaten im Deutschen Bundestag ins Gespräch gebracht, auch konkret beantragt. Ich sehe, dass in der Vorlage, die jetzt heute beraten wird, von Bund und Ländern immer noch nur sehr wolkig über eine Veränderung der Bewertungsgrundlage gesprochen wird. Das muss dringend auf eine andere Basis gestellt werden.“ Zudem müsse ein neuerlicher Lockdown politisch ausgeschlossen werden. „Und die Voraussetzungen dafür sind in allen Hinsichten, zum Beispiel auch rechtlich, jetzt zu schaffen.“
Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Marco Buschmann, sprach sich gegen eine Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aus. Dafür gebe es keine ausreichende Begründung mehr. Nötig sei vielmehr eine Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes, die zum Beispiel leichte Sicherheitsmaßnahmen wie das Maskentragen auch jenseits eines nationalen Notstandes zulasse, dafür aber schwerere Maßnahmen nur unter strengsten Auflagen.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki kritisierte die Pläne, die kostenlosen Corona-Schnelltests im Oktober auslaufen zu lassen. Denn: „Wenn wir feststellen, wir haben nach wie vor eine epidemiologische Notlage nationaler Tragweite, dann ist es sinnvoll und auch richtig, dass man diejenigen, die nicht geimpft sind, durch Tests versucht herauszufinden für den Fall, dass sie Infektionsträger sind oder auch nicht.“ Sollten die Tests hingegen kostenpflichtig werden, würden auch weniger Menschen diese in Anspruch nehmen und immer mehr Testzentren mangels Nachfrage schließen. „Stellen Sie sich vor, wir haben tausend Menschen, die infektiös sind und jetzt aus Kostengründen sich dem Test nicht unterziehen und damit auch nicht in Quarantäne gehen“, so Kubicki. „Deshalb müssen Tests kostenlos bleiben.“ Sonst steige in der Folge vielmehr die Gefahr für die Allgemeinheit und damit auch für Gruppen, die sich etwa aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen könnten.
Offener Brief an Bildungsministerin
„Das Tempo bei der Krisenbekämpfung muss deutlich anziehen, damit das Krisenjahr 2021 nicht wieder ein verlorenes Jahr für Schülerinnen und Schüler und deren Eltern wird“, mahnte FDP-Generalsekretär Volker Wissing. „Während die ersten Bundesländer schon wieder in den Unterricht gestartet sind, scheint die Bundesregierung immer noch in den Sommerferien zu sein“, kritisierte er. Man müsse endlich die Frage von Luftfiltern in den Schulen klären, Weichen für eine Unterrichtsgarantie stellen und alle Möglichkeiten zur Bewerbung und zur Beschleunigung des Impfens ausschöpfen.
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