Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen
Der Bundestag hat eine Grundgesetzänderung beschlossen, die die Schuldenbremse aussetzt und ein Sondervermögen bereitstellt. Die FDP kritisiert die Entscheidung scharf. Fraktionschef Christian Dürr warnt, dass dieser Schritt den Weg für eine 'hemmungslose Schuldenmacherei' ebnet.

Am Dienstag traf der Bundestag eine weitreichende Entscheidung: Union und SPD brachten mit Stimmen der Grünen eine Grundgesetzänderung auf den Weg, die Verteidigungsausgaben künftig von der Schuldenbremse ausnimmt. Zudem wird ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro geschaffen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr bezeichnete dies als einen „historischen Moment“ – jedoch nicht im positiven Sinne. Seiner Ansicht nach wird die Finanzarchitektur Deutschlands damit grundlegend verändert. Die Freien Demokraten lehnen eine Aufweichung der Schuldenbremse entschieden ab. „Die Schuldenbremse war kein Hindernis für Fortschritt, sondern eine Versicherung für kommende Generationen“, betonte Dürr. Sie diene als Schutzmechanismus, der verhindere, dass künftige Generationen für heutige politische Versäumnisse zahlen müssen. In diesem Sinne seien die Schulden von heute die Steuern von morgen. Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke warnte ebenso eindringlich: „Die Zinsen werden steigen“, nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen EU.
Gefahr der "hemmungslosen Schuldenmacherei"
Besonders besorgniserregend sei auch die politische Signalwirkung der Reform der Schuldenbremse. Dürr sieht darin einen „Startschuss für hemmungslose Schuldenmacherei“. Ohne klare Begrenzungen könne der Staat beliebig Geld ausgeben, ohne sich um Finanzierung oder wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu kümmern. Kernaufgaben des Staats, wie Beamte oder Nachrichtendienste, könnten zukünftig auf Pump finanziert werden. Dies entspreche keiner soliden Fiskalpolitik.
Besonders kritisch sei, dass die neuen Schulden keine klare Zweckbindung haben. „Fast 270 Milliarden Euro werden aufgenommen, aber nicht gezielt für Verteidigung oder Infrastruktur eingesetzt. Stattdessen dient das Geld dazu, die Koalition zusammenzuhalten“, kritisierte Dürr. Der eigentliche Zweck sei nicht der Fortschritt, sondern vor allem die Finanzierung eines wachsenden Sozialstaats. „Der Wohlstand von morgen wird für kurzfristige Wahlgeschenke geopfert.“
Für die FDP ist besonders brisant, dass die Union diese wirtschaftspolitischen Regelungen mitträgt. Die Maßnahmen aus dem schwarz-roten Sondierungspapier seien laut Dürr klassische linke Wirtschaftspolitik: Mindestlohnerhöhungen, eine höhere Mütterrente ohne echte Rentenreform, Zwangsquoten für grünen Stahl, die Mietpreisbremse, Steuererhöhungen, mehr Bürokratie und fehlende Einsparungen. „Mit dieser Entscheidung stellt sich die Union gegen eine echte Wirtschaftswende. Viel Geld, kaum Reformen – das wird die Kanzlerschaft von Merz prägen“, bilanzierte Dürr. Statt notwendige Wirtschaftsreformen anzugehen, setze man auf staatliche Eingriffe und Regulierung. Diese Kehrtwende von Merz dürfte viele Bürgerinnen und Bürger enttäuschen, die eigentlich eine Wirtschaftswende und bürgerliche Politik wählten.
Angriff auf den Föderalismus
Auch die Landesverfassungen sind von der Grundgesetzänderung betroffen. So wird die Schuldenbremse künftig auch für die Bundesländer ausgehebelt und sie sollen ein Fünftel des neuen Sondervermögens selbst verwalten. Doch laut Fricke sind die Formulierungen im Gesetzentwurf hierzu so unklar, dass niemand genau wisse, welche Regelungen in den Landesverfassungen tangiert werden oder wie viel Geld die Länder tatsächlich erhalten. Darüber hinaus läuft der Gedanke der Eigenstaatlichkeit der Länder und ihrer Verfassungsautonomie durch das Gesetz ins Leere, dies entspricht einem Angriff auf den Föderalismus. Die FDP-Fraktionen in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen wollen daher in den Ländern Klagen einreichen. So soll verhindert werden, dass die jeweiligen Landesregierungen der geplanten Änderung des Grundgesetzes im Bundesrat zustimmen.
Die FDP brachte darüber hinaus am Dienstag einen alternativen Vorschlag ein: Statt immer neue Schulden für diverse Zwecke aufzunehmen, sollte das bestehende Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden Euro in einen Verteidigungsfonds mit einem Gesamtvolumen von 300 Milliarden Euro überführt werden. Diese Mittel wären ausschließlich zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit vorgesehen. Eine zentrale Bedingung: Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO sollte fest im regulären Haushalt verankert werden. Dieses Vorgehen hätte klare Prioritäten im Haushalt gesetzt und gleichzeitig zusätzliche Mittel bereitgestellt. Der Antrag wurde von Union, SPD und Grünen jedoch abgelehnt.
Die FDP kämpft weiter für Freiheit und Eigenverantwortung
Obwohl die FDP im neuen Bundestag nicht mehr vertreten sein wird und somit die FDP-Abgeordneten vorerst ihre letzten Reden im Bundestag hielten, ist Dürr überzeugt: Die liberale Kraft im Land wird eine „Renaissance“ erleben – gerade weil die jüngsten politischen Entscheidungen zeigen, wie dringend sie gebraucht wird. Denn: „Fiskalische Solidität ist die Grundlage einer freien Gesellschaft.“
Seine Botschaft ist klar: „Die einen bekämpfen den Staat mit Hass, die anderen umarmen ihn so sehr, dass er handlungsunfähig wird. Doch die Antwort muss anders lauten: Eine Politik, die dem Einzelnen etwas zutraut, und ein Staat, der in seinen Kernaufgaben stark ist.“ Mit dieser Grundgesetzänderung werde die staatliche Gewalt völlig entfesselt, anstatt begrenzt. Er brachte es mit einem prägnanten Vergleich auf den Punkt: „So wenig, wie es einen vegetarischen Schlachthof gibt, so wenig gibt es einen übergriffigen Staat, der wirtschaftliche Freiheit fördert“.
Der verantwortungsvolle Umgang mit der hart erarbeiteten Freiheit jedes Einzelnen bleibe ein zentrales Anliegen der Freien Demokraten – auch in der außerparlamentarischen Opposition.
Indirekte Staatschulden nicht vergessen
Die deutsche Haushaltslage steht vor erheblichen Herausforderungen, insbesondere wenn man neben den direkten Staatsschulden auch die langfristigen Verpflichtungen des Staates berücksichtigt. Dürr warnte im Gespräch mit dem „Deutschlandfunk“ davor, Deutschland in eine Lage wie Griechenland vor rund zwölf Jahren geraten zu lassen: „Schulden sind nicht folgenlos.“ Während die direkten Staatsschulden Deutschlands derzeit bei etwa 2,5 Billionen Euro liegen, verwies Dürr auf eine oft übersehene Tatsache: „Deutschland ist ein Land, was sehr hohe indirekte Staatsverschuldung hat.“
Diese umfasse Verpflichtungen aus sozialen Sicherungssystemen wie der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, die sich auf insgesamt rund 12,5 Billionen Euro beliefen. Diese Ansprüche müssten in den kommenden Jahrzehnten bedient werden, weshalb zusätzliche direkte Schulden die ohnehin hohe Belastung weiter verschärfen könnten, mahnte der FDP-Fraktionschef. „Wenn man sie isoliert betrachtet, verkennt man das, was die Menschen in Deutschland alles noch erwirtschaften müssen, damit die Ansprüche bedient werden können,“ betonte Dürr. Die Haushaltslage Deutschlands müsse daher ganzheitlich betrachtet werden, um die langfristige finanzielle Stabilität nicht zu gefährden.
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