Die Landwirtschaft braucht mehr Freiheiten

FDP-Chef Christian Lindner sieht die Landwirtschaft durch ideologische Politik und übermäßige Regularien behindert. Auf der Grünen Woche forderte er mehr Vertrauen in die Verantwortung der Betriebe und einen Paradigmenwechsel hin zu weniger Bürokratie und mehr Innovation.

Lindner.
Lindner forderte eine Agrarpolitik, die Naturschutz und ökonomische Interessen verbindet.

Auf der Grünen Woche in Berlin, der Messe für Ernährungs- und Agrarwirtschaft, kritisierte FDP-Chef Christian Lindner die Umweltpolitik der letzten Jahre. Eine überbordende Bürokratie, zahlreiche Regularien und ein falsch verstandener Umweltschutz behinderten die Landwirtschaft erheblich. Lindner forderte eine Agrarpolitik, die Naturschutz und ökonomische Interessen verbindet.

Er kritisierte, dass die Politik häufig von einer romantisierten Vorstellung der Landwirtschaft geprägt sei. Als Beispiel führte Lindner die Diskussionen zur Waldgesetznovelle an, in denen Kaltblutpferde als Alternative zu Maschinen ins Spiel gebracht wurden, da diese aufgrund zu enger Wege nicht mehr einsatzfähig wären. „Nichts hat das zu tun mit den wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Betriebe, die im Gegenteil auf Technologie setzen müssen, damit sie auch im internationalen und europäischen Wettbewerb bestehen können.“ Es gehe darum, den Betrieben Perspektiven zu eröffnen, statt sie durch Vorschriften zu beschränken. „Unser Leitbild ist die unternehmerische Freiheit“, fasste Lindner zusammen.

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Mit der Obi-Heckenschere gegen Bürokratie

Grundsätzlich kritisierte Lindner den Staat für übermäßige Eingriffe: „Was ist das für ein Bild, das sich der Staat von den Bürgerinnen und Bürgern macht, wenn er in jedes Detail eingreift?“ Er betonte, dass die Landwirtinnen und Landwirte selbst in der Lage seien, verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen, da sie und häufig auch ihre Familien schließlich auch direkt von den langfristigen Folgen betroffen seien. Mit einem humorvollen Vergleich beschrieb Lindner den Handlungsbedarf: „Ich würde sagen, bei uns ist es noch nicht so weit, dass wir eine Kettensäge brauchen. Aber es reicht auch nicht die Nagelschere. Unsere Ambition muss eine robuste Obi-Heckenschere sein, um in bestimmten Bereichen die Bürokratie drastisch runterzuschneiden.“ Die Freien Demokraten wollten beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, der Nachhaltigkeitsberichterstattung und dem Arbeitszeitgesetz „mal richtig reinscheiden“. 

Unterstützung erhielt Lindner von FDP-Politikerin und Landwirtin Carina Konrad, die sich ebenfalls gegen einen Staat aussprach, der die Rolle von Unternehmern übernehmen will. „In einer Zeit, in der sich so vieles so schnell verändert, setzen wir auf mehr Freiheiten für Betriebe“, erklärte sie. Die Politik müsse unnötige Einschränkungen vermeiden, die die ohnehin durch den Klimawandel angespannte wirtschaftliche Situation von Betrieben zusätzlich belaste. Der Staat müsse vielmehr Betrieben durch den Abbau von Bürokratie und Regularien „finanzielle Spielräume ermöglichen, um Investitionen in die Zukunft überhaupt tätigen zu können“. Außerdem müsse der Staat Daten, etwa Wetterdaten, für die Landwirtschaft nutzbar machen. Hier sehe die Landwirtin und Politikerin die klaren Gestaltungsräume der Politik und nicht bei neuen Vorschriften.

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Das Umweltbundesamt auflösen

Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft sei auch technologieoffene Forschung entscheidend. Lindner kritisierte, dass sich Deutschland selbst Technologieverbote auferlegt habe. Konrad beklagte ebenfalls, dass „Denkverbote“ dazu geführt hätten, dass Deutschland die gentechnische Entwicklung der letzten 50 Jahre in Europa „verpennt“ habe. Lindner forderte daher die Auflösung des Umweltbundesamts, das sich seiner Meinung nach zu einer „aktivistischen Behörde“ entwickelt hat. Die Aufgaben der Behörde könnten aus seiner Sicht viel besser von den jeweiligen Fachbehörden übernommen werden, was zu einer „erheblichen Beschleunigung der Verfahren“ führe, da „doppelte Zuständigkeit Sand ins Getriebe bringt.“ Angesichts des Klimawandels betonte Lindner die Notwendigkeit vertiefender Forschungserkenntnisse, um die Agrarwirtschaft klimaresilient zu machen. „Wir brauchen einen Staat mit Behörden, der nicht bremst und blockiert. Wir brauchen einen Staat mit Behörden, die ermöglichen und erleichtern“, formulierte er seinen Wunsch nach einem Paradigmenwechsel.

Ein weiterer Schwerpunkt der FDP ist die Förderung von Start-ups im Agrarbereich. Lindner sieht hier ein enormes Potenzial für Deutschland: „Wir haben ein Riesenpotenzial, das wir uns noch erschließen können.“ Allerdings fehle es an Kapitalversorgung, weshalb viele Start-ups bei fortgeschrittenen Finanzierungsrunden einen Exit an die amerikanische Börse bevorzugten. Um dies zu ändern, brauche es eine aktive Kapitalmarktpolitik. Lindner verwies auf den Erfolg der von ihm initiierte WIN-Initiative, durch die 12 Milliarden Euro an Venture-Kapital von privaten Versicherungsgesellschaften für Start-ups bereitgestellt wurden. Möglich sei dies durch eine Veränderung der Rahmenbedingungen im Bereich Beitragsgarantien bei Versicherungsprodukten geworden. „Wir haben einen Deal gemacht mit den Kapitalsammelstellen wie Versicherungen. Wir nehmen die Regulierung zurück. Dafür gibt es von euch eine Zusage, mehr Kapital in deutsche Start-ups zu investieren“, erläuterte Lindner. Lindners Devise lautet: „Man kann Wirtschaftspolitik machen, ohne einen einzigen Euro Steuergeld oder neue Schulden. Allein durch den Abbau bürokratischer Regeln gibt es eine wirtschaftliche Belebung.“

Die Fesseln in der Landwirtschaft lösen

Der FDP-Spitzenkandidat zog schließlich ein zuversichtliches Fazit: „Wir haben uns selber über die Jahre Fesseln angelegt.“ Doch die gute Nachricht sei, dass ein Comeback schnell möglich ist, wenn Deutschland den Weg frei mache und die Innovationskraft des Landes entfessle.