Die Gefahr einer verprollten und vertrumpten Demokratie
Christian Lindner warnt vor dem Einfluss von populistischen Parolen auf die Gesellschaft. Die Sprache in der Flüchtlingspolitik drohe, die politische Kultur zu verrohen.
Zur Flüchtlingspolitik mahnt Lindner: „Wenn die Debatte von rechter Pöbelei und linkem Shitstorm geprägt wird, verliert die politische Mitte ihre Heimat.“ Auch FDP-Präsidiumsmitglied Hans-Ulrich Rülke sieht diese Entwicklung mit Bedauern. „Unter dem Motto ‚Man wird ja wohl noch sagen dürfen‘ werden Grenzen überschritten“, betont er. Es finde derzeit eine gefährliche Klimaveränderung in der Gesellschaft statt. Anstatt die Debatte mit kämpferischen Worten aufzuheizen, müssen Lösungen für die derzeitigen Probleme präsentiert werden.
„Wir brauchen ein weltoffenes Einwanderungsgesetz und ein republikanisches Leitbild der Integration“, fordert Lindner. Es könne nicht sein, dass gut ausgebildete Menschen seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden, nur, weil sie einen türkischen Namen haben. Ebenso dürfe man nicht die Geringschätzung freiheitlicher Werte in Teilen der deutsch-türkischen Community verharmlosen. „Es gibt ein doppeltes Problem – bei den Einheimischen und bei Zugewanderten“, stellt der FDP-Chef fest. Und die Streitigkeiten in der Regierung tragen im Moment nicht zu einer wirklichen Verbesserung dieses Problems bei.
Die Dauerkrise der Großen Koalition sieht Lindner auch als Bestätigung für das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen. „Der Konflikt zwischen CDU und CSU war schon letztes Jahr spürbar“, betont er. Auch die jetzigen Anfeindungen zwischen CSU und Grünen zeigten, dass chaotische Zustände vorprogrammiert gewesen wären. Eine Koalition zwischen der Union, der FDP und den Grünen war deshalb unmöglich. Lindner: „In dieser Konstellation und mit dieser Kanzlerin war der nötige Aufbruch für Deutschland nicht erreichbar.“