Der Staat muss sorgsam wirtschaften
SPD, Grüne und Linke fordern Steuererhöhungen, um nach der Corona-Krise Schulden abzutragen. Die Liberalen wollen dagegen die Wirtschaft entfesseln: Dazu setzt die FDP vor allem auf den Verzicht von Steuererhöhungen, sowie den Abbau von Bürokratie.
Steuersenkungen und -erhöhungen sind im Bundestagswahlkampf ein oft diskutiertes Thema. So schlagen SPD, Grüne und Linke beispielsweise vor, die Vermögensteuer wieder einzuführen, um dem Staat nach der Corona-Krise mehr Einnahmen zu bescheren. Die Freien Demokraten lehnen Steuererhöhungen und das Aufweichen der Schuldenbremse dagegen ab. Denn der Verzicht auf Steuererhöhungen und die Schuldenbremse seien zwei wichtige Leitplanken für solide Finanzen.
Im Interview mit Spiegel erklärt FDP-Chef Christian Lindner dazu: „Das eine ist die Investition in wirtschaftliche Dynamik und mehr Fairness im Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie dem Staat. Und das andere ist unsere Verantwortung gegenüber der Generation der Enkel sowie unsere Aufgabe, in der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu Solidität beizutragen.“ Der Staat müsse sich nun darum kümmern, sorgsam zu wirtschaften und Haushalt, sowie Ausgaben sorgsam zu prüfen. Die Freien Demokraten schlagen dazu vor, mit einem steuerpolitischen Sofortprogramm zu beginnen. „Wir brauchen den vollen steuerlichen Verlustrücktrag der Pandemiejahre 2020 und 2021 gegen die Steuerschuld der Vorjahre“, wirbt Lindner für ein Super-Abschreibungsprogramm. Denn das sei eine direkte Liquiditätshilfe für Betriebe.
Entlasten, Entfesseln, Investieren
Für den Parteichef ist klar, Deutschland braucht jetzt den Dreiklang Entlasten, Entfesseln und Investieren. Deshalb gibt es aus Sicht der Freien Demokraten an der Schuldenbremse nichts zu rütteln. „Wie dürfen die Schuldenbremse im Grundgesetz nicht verwässern. Wir haben bereits Inflationsrisiken. Wir haben enorme Defizite in ganz Europa. Wenn wir die Schuldenbremse jetzt als Teil der Selbstdisziplinierung der Politik aufheben, hätte das enorme Auswirkungen“, warnt Lindner gegenüber dem Deutschlandfunk.
Dann müsse man gezielt das wirtschaftliche Wachstum anschieben. Denn der Nachhol- und Aufholprozess nach der Pandemie sei bisher zu langsam. Dazu schlägt Lindner eine Super-Abschreibung auf Anlagegüter vor, insbesondere für Investitionen, die dem Klimaschutz und der Digitalisierung dienen. Denn wenn Betriebe in Anlagen investieren, die zur Digitalisierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft beitragen, sollten diese Investitionen steuerlich in zwei Jahren abgeschrieben sein, so Lindner. Das koste den Staat nichts, könne aber das wirtschaftliche Wachstum beschleunigen und zusätzlich dem Staat weitere Spielräume in den Haushalten bringen. Parallel müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. „Wenn wir gar nichts tun, drohen wir den Anschluss zu verlieren.“
Man müsse nun „eine wirtschaftliche Erholung organisieren“. Sein Vorschlag: „Dass wir noch in diesem Jahr ein Super-Abschreibungsprogramm auf den Weg bringen.“ Dies soll ein steuerlicher Anreiz für Industrie und Familienbetriebe sein, in Klimaschutz und Digitalisierung zu investieren. Die bisherigen Möglichkeiten zur Abschreibung sollten dafür beschleunigt werden. „Das schafft Jobs, und hilft bei den großen Zielen Klimaschutz und Digitalisierung zugleich.“
„Was wir jetzt brauchen, sind mehr Investitionen durch weniger Belastung“, so der Liberale. Jetzt gehe es darum, dass es sichere Jobs gibt, dass man private Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung mobilisiert, dass man bei der Entwicklung der Wirtschaft nach der Pandemie endlich aufschließt und dass man nachholt, was in den letzten beiden Jahren nicht möglich war, fasst Lindner zusammen. „Und dann wachsen dem Staat die Möglichkeiten zu, sich aus den Defiziten zu befreien.“ Erst dann könne man in einem nächsten Schritt auch über Entlastungen in der breiten Mitte der Gesellschaft nachdenken, um „den Menschen zu erleichtern, sich private Lebensträume zu erfüllen.“ Aber man müsse es eben in eine zeitliche Abfolge bringen, betont der Parteichef.
Um die Staatskasse weiter aufzubessern, schlägt der Parteichef vor, die staatlichen Anteile an der Deutschen Telekom, die Milliarden wert seien, zu verkaufen. Denn die seien eine Minderheitsbeteiligung. „Das heißt, wir können auf die Geschäftspolitik gar keinen Einfluss nehmen.“ Das gewonnene Geld sollte der Staat stattdessen in die Infrastruktur, wie das Glasfasernetz, investieren.
Zudem warnt Lindner, dass besonders die Sorge vor Inflation und vor Preissteigerungen wachsen. Während die Verschuldung des Staates diese Entwicklung weiter anheize, schlagen Freien Demokraten dagegen vor, „dass bei einer Inflationsrate, die nach der Prognose von manchen jetzt im vierten Quartal über 4 Prozent gehen kann, dass wir dann auch Notwendigkeiten bekommen werden, über eine Zinserhöhung unserer Europäischen Zentralbank nachzudenken.“
Den Freien Demokraten ist es wichtig, dass nicht nur über das Verteilen des Wohlstands gesprochen wird, „sondern dass wir einen wirtschaftlichen Aufholprozess starten.“ Im Gespräch mit dem Dlf fordert Lindner: „Die Festigung des wirtschaftlichen Fundaments unserer Gesellschaft muss erste Priorität sein.“ Denn erst auf der Grundlage einer starken Wirtschaft könne man soziale und ökologische Ziele verwirklichen. Dafür könne die FDP gute Beiträge leisten, wirbt der Parteichef.
- LINDNER im DLF: „Die Festigung des wirtschaftlichen Fundaments unserer Gesellschaft muss Priorität sein“
- LINDNER im Spiegel: „Ein attraktives Angebot von Herrn Scholz wäre eine Überraschung“
- LINDNER im Bericht aus Berlin
- LINDNER bei „Was nun?“
- Wir brauchen jetzt mehr Investitionen durch weniger Belastung
- LINDNER: Keine höheren Steuern und kein Aufweichen der Schuldenbremse Voraussetzungen für Koalition
- Wir brauchen mehr Freude am Erfinden als am Verbieten
- Bei marktwirtschaftlicher Finanzpolitik hat FDP Alleinstellungsmerkmal
- Beschluss des Präsidiums: Tempo für Deutschland
- Steuererhöhungen sind Sabotage am Aufschwung
- Unternehmenssteuerlast auf 25 Prozent senken