Dem Menschen die Freiheit geben, er selbst zu sein

Dr. Marco Buschmann setzt sich als Justizminister für Freiheit, Rechtsstaat und Digitalisierung ein. Ein Gespräch mit der fdplus über die anstehenden Vorhaben.

Dr. Marco Buschmann
© Laurence Chaperon

Sie sind promovierter Jurist, was hat Sie in jungen Jahren am Jurastudium gereizt?

Schon als Schüler habe ich mich für Fragen interessiert wie: Was ist Gerechtigkeit? Welche Aufgabe hat der Staat? Wie sichern wir Freiheit? Da schien mir das Jura-Studium nur konsequent zu sein.

Wie haben Sie die Vereidigung als Bundesminister der Justiz erlebt?

Den im Grundgesetz vorgeschriebenen Amtseid kennen alle Politikinteressierte. Ihn selbst zu schwören: Das habe ich als etwas sehr Besonderes erlebt. Zwei Gefühle standen für mich in diesem Moment im Vordergrund: Freude über das gemeinsam Erreichte – und Demut angesichts der übernommenen Verantwortung.

Welche inhaltlichen und persönlichen Herausforderungen hält Ihr neues Amt für Sie bereit?

Die rechtspolitische To-Do-Liste für diese Legislaturperiode ist lang. Egal ob im Familienrecht, bei den Bürgerrechten oder im Bereich der Digitalisierung: In den vergangenen Jahren ist vieles liegen geblieben; die vor uns liegenden Modernisierungsaufgaben sind gewaltig. Sie anzugehen, ist inhaltlich wie persönlich eine Herausforderung. Zugleich ist es ein großes Privileg, sich dieser Herausforderung stellen zu können – gemeinsam mit vielen hundert hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Sie sind der neunte von der FDP gestellte Bundesminister der Justiz. In welcher Tradition sehen Sie sich?

Dass Bundesminister der Justiz häufig aus der FDP kommen, ist kein Zufall. Der Leitwert der Freien Demokraten ist die rechtsstaatlich verfasste Freiheit. Für deren Wahrung trägt das Bundesministerium der Justiz eine herausgehobene Verantwortung; schon deshalb haben Liberale eine fast schon natürliche Affinität zu diesem Ressort. Zugleich ist das Justizministerium auch das Ressort des gesellschaftspolitischen Fortschritts. Viele historisch wichtige Reformen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, egal ob im Familienrecht oder im Strafrecht, sind hier ausgearbeitet worden – oft angestoßen von den Freien Demokraten. Mein Ziel ist es, an beide Traditionen anzuknüpfen: an die Tradition des engagierten Einsatzes für den Wert der Freiheit und an die Tradition der gesellschaftspolitischen Erneuerung. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die letzte Justizministerin aus der FDP, hat in ihren Amtszeiten ebenfalls beide Traditionen fortgeschrieben. Gerade auch daran möchte ich anknüpfen.

Nach 100 Tagen im Amt haben Sie bereits die Abschaffung des Paragrafen 219a sowie die Einführung der Verantwortungsgemeinschaft angestoßen. Welche Vorhaben wollen Sie als Nächstes angehen?

Mit etlichen weiteren wichtigen Vorhaben stehen wir in den Startlöchern. Ich denke etwa an die Liberalisierung des Namensrechts, an die Reform des Abstammungsrechts oder an die Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie. Schon auf der Zielgeraden sind wir bei der Verstetigung der virtuellen Hauptversammlung. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Digitalisierung des Gesellschaftsrechts, dem natürlich weitere Schritte folgen müssen. Große Aufmerksamkeit werden wir außerdem den abschließenden europäischen Beratungen zum Digital Services Act widmen. Dieses Vorhaben soll dazu beitragen, die Meinungsfreiheit im Netz in ganz Europa zu sichern. Und wir wollen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, die alle Bürgerinnen und Bürger betrifft und im Moment nach Gerichtsentscheidungen ausgesetzt ist, durch die anlassbezogene Speicherung von Daten nach dem sogenannten Quick-Freeze-Verfahren ersetzen. Hinter all diesen vielen Projekten verbirgt sich ein großer Gedanke. Thomas Dehler, der erste Bundesminister der Justiz der Bundesrepublik Deutschland, formulierte ihn wie folgt: „Die Aufgabe des wahren Rechts ist, dem Menschen die Freiheit zu geben, er selbst sein zu können.“ Dieser Gedanke wird mich bei meiner Tätigkeit immer wieder leiten.

Zu den Kernkompetenzen der FDP gehören auch Digitalisierung und Entbürokratisierung. Wie können diese Kompetenzen in Ihrem Ressort bei künftigen Vorhaben zum Tragen kommen?

Die Themen Digitalisierung und Entbürokratisierung sind in der Rechtspolitik der letzten Jahre stiefmütterlich behandelt worden. Jetzt spürt man einen neuen Geist. Das zeigt schon der Koalitionsvertrag. Mehr Videoverhandlungen vor Gericht, zivilgerichtliche Onlineverfahren, Einführung eines Digitalen Führungszeugnisses, Beurkundungen per Videokommunikation, Digitalpakt Justiz und vieles mehr. Unsere Agenda ist ambitioniert – und sie trägt die klare Handschrift der FDP. Mit voller Tatkraft werden wir all jenes angehen.

Was machen Sie als Erstes, wenn Sie morgens ins Büro kommen?

Das Erste ist ein doppelter Espresso.