Bundeswehr soll eine der schlagkräftigsten Armeen Europas werden
Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine betonte der Finanzminister die Bedeutung einer handlungsfähigen Bundeswehr. Für die Ausrüstung sollen 100 Milliarden Euro als Sondervermögen bereitgestellt werden.
Der russische Angriff auf die Ukraine muss nach Ansicht von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner weitreichende Folgen für die deutsche Sicherheitspolitik haben. Die Vernachlässigung der Streitkräfte werde nun binnen kurzer Zeit korrigiert werden müssen. Lindner will als Reaktion mehr Mittel für die Bundeswehr bereitstellen. Die Zeit selbstgerechter Träume und einer Friedensdividende in den öffentlichen Haushalten sei vorbei, so Lindner in einer Sondersitzung des Bundestags.
„Die Sicherheitspolitik muss neu gedacht werden“, brachte es der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im Interview mit dem Deutschlandfunk auf den Punkt. Denn die Vorstellung, die man in der Vergangenheit in Deutschland gehabt habe, „dass wir in einer Welt leben, umgeben von friedlichen Nachbarn und wenn es irgendwo Probleme gibt, dass die Amerikaner die für uns lösen werden, das wird so nicht mehr funktionieren.“ Jetzt brauche es eine deutliche Stärkung der Bundeswehr — wie auch eine Debatte über den Auftrag und die Struktur der Armee. Denn: „Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich die Lage dramatisch verändert. Darauf müssen wir reagieren“, sagte Djir-Sarai dem Spiegel.
„Unser Ziel, auch mein Ziel, ist, dass wir im Laufe dieses Jahrzehnts eine der handlungsfähigsten, schlagkräftigsten Armeen in Europa bekommen. Eine der am besten ausgerüsteten Armeen in Europa, weil das der Bedeutung Deutschlands, unserer Verantwortung in Europa entspricht“, so der FDP-Chef im ARD-Morgenmagazin. Über ein Sondervermögen sollen insgesamt 100 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Im Grundgesetz solle aber abgesichert werden, dass der Bundeswehr-Fonds nicht durch wechselnde parlamentarische Mehrheiten modifiziert oder anders verwendet werden könne, betonte der Finanzminister im Bundestag.
Europa muss in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme sprechen
In der Sondersitzung des Bundestags betonte Linder, Putin habe die Ukraine angegriffen, weil sich ein souveräner Staat in freier Selbstbestimmung dafür entschieden habe, seinen Weg nach Westen zu gehen. „Die Ukraine ist ein souveräner Staat. Und sie hat von ihrem Recht Gebrauch gemacht, über ihre Zukunft zu entscheiden. Und sie hat sich gegen Autoritarismus entschieden. Sie hat sich für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entschieden und dafür ist sie angegriffen worden“, so Lindner.
Der Angriff auf die Ukraine sei deshalb nicht nur der Überfall auf einen souveränen Staat. Es sei ein Angriff auf eine Werteordnung, „ein Angriff auf uns alle.“ Jetzt sei es höchste Zeit, „dass wir als Europäerinnen und Europäer in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme sprechen“, forderte auch Bijan Djir-Sarai. „Es ist notwendig, dass diese Zeitenwende kommt. Denn wir haben in der Vergangenheit die Außen- und Sicherheitspolitik vernachlässigt“, sagte Djir-Sarai. Dabei gehe es nicht darum, dass Deutschland zur militärischen Großmacht werde, sondern um die Sicherheitsarchitektur in Europa.
Große Investitionen sind notwendig
Der designierte FDP-Generalsekretär hält Investitionen in die Bundeswehr für dringend geboten. Der aktuelle Zustand sei ein Spiegelbild der Debatten, die wir die letzten 15 bis 20 Jahre geführt haben, „basierend auf der Vorstellung, dass wir eigentliche keine Armee brauchen.“ Er ist überzeugt: „Wir müssen künftig mehr für unsere eigene Sicherheit ausgeben.“ Er begrüßte im Interview mit n-tv die Ankündigung der Bundesregierung, künftig das Zwei-Prozent-Ziel der NATO einzuhalten. „Deutschland war als Organisation nie ein Musterland in der NATO. Daher ist es erfreulich, dass Deutschland künftig die NATO-Ziele einhält und damit einen wesentlichen Beitrag leistet, um Sicherheit in Europa zu gewährleisten.“
Auf die Frage, wo genau die 100 Milliarden Euro und der aufgestockte Wehretat investiert werden müssten, sagte Djir-Sarai, dass es in der Bundeswehr viele Felder gebe, in denen große Investitionen notwendig seien. „Wir brauchen eine Bundeswehr, die schlagfertig ist“ Djir-Sarai wies darauf hin, dass die Bundeswehr mit den angekündigten Investitionen aber nicht sehr schnell aus- und aufgerüstet werden könnte: „Es wird nicht gelingen, die Bundeswehr innerhalb eines Jahres so aufzustellen, dass wir zufrieden sind. Das wird ein langer Prozess sein, bis die Bundeswehr die notwendigen Kriterien der Zeit erfüllt.“
Investition in die Freiheit
Die Bundesregierung ist sich einig: in einer solchen Situation muss Deutschland wieder mehr Augenmerk auf die vernachlässigte Bundeswehr legen, um unsere Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit zu sichern. Der russische Angriff auf die Ukraine muss weitreichende Folgen für die deutsche Sicherheitspolitik haben. Die Bundeswehr müsse mit der geplanten Milliarden-Investition zu einer der schlagkräftigsten Armeen in Europa werden, so Lindner.
Das Sondervermögen werde über das Grundgesetz abgesichert, dort solle auch festgelegt werden, „dass die Verwendung nur und ausschließlich für die Stärkung unserer Bündnisfähigkeit gedacht ist“, erklärte Lindner im Bundestag. „Das war das Angebot auch an CDU/CSU, an diejenigen die sich sorgen machen um die finanzielle Solidität unseres Landes“, betonte der FDP-Chef. Die Kredite seien in der aktuellen Lage daher auch eine Investition in die Freiheit. Insofern handle es sich beim Sondervermögen „ein neues Instrument, weil 15 Jahre Vernachlässigung der Bundeswehr nicht in zwölf Monaten aufgeholt werden können.“
Der FDP-Haushaltsexperte und Bundesvorstandsmitglied Otto Fricke erklärte im Interview mit MDR Aktuell, dass die 100 Milliarden Euro dafür sorgen werden, „dass unabhängig von der Frage, wo wir in den Jahren sind, immer die Kreditermächtigung da ist.“ Mit dieser einmaligen Summe könne in den nächsten Jahren planungssicher alles was notwendig und sinnvoll ist dann finanziert werden, wenn es lieferbar sei. Man könne sich das Sondervermögen so vorstellen, wie die Einräumung eines weiteren Kredits, der dann genutzt werde, wenn die jeweilige Ausgabe da sei.
Das Sondervermögen wird nach gegenwärtiger Planung durch ein weiteres Gesetz eine Kreditermächtigung in Höhe von 100 Milliarden Euro erhalten. Durch den Wirtschaftsplan des Sondervermögens kann der Haushaltsausschuss auch hier die verschiedenen Projekte und Ausgaben begleiten und kontrollieren. Dabei strebt die FDP an, dass die Regeln der 25-Millionen-Vorlagen auch hier gelten und diese gesetzlich ausdrücklich verankert werden, um so das Mitspracherecht des Parlaments weiter zu verstärken. Diese Kreditermächtigungen sind in dieser weltpolitischen Lage jedoch, so hat es Finanzminister Lindner am Sonntag formuliert, „Investitionen in unsere Freiheit“.
Ziel ist es, bestehende Fähigkeitslücken schnell zu schließen und unserer Bundeswehr für die Herausforderungen unserer Zeit die notwendige Ausstattung zur Verfügung zu stellen.
- Lindner im ARD-Morgenmagazin: Lindner will „eine der schlagkräftigsten Armeen in Europa“
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- Djir-Sarai im n-tv-Frühstart-Interview
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