Bundesverfassungsgericht stärkt die Schuldenbremse

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Umwidmung von Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verfassungswidrig war. Damit schafft das Gericht Klarheit über eine gängige Staatspraxis.

Christian Lindner
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner macht klar: Deutschland braucht die Schuldenbremse. © Xander Heinl/photothek.de

Ziel des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 war es, unverbrauchte Mittel zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für die Klimapolitik umzuwidmen. Der sogenannte Klima- und Transformationsfonds erhielt Mittel aus Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts war das nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Kritikpunkt der Richter: Der Gesetzgeber habe das Umschichten in den Klimafonds nicht ausreichend begründet.  

Finanzminister Christian Lindner hob in einer ersten Reaktion positiv hervor, dass das Urteil in wichtigen Fragen zusätzliche Klarheit schaffe. Damit habe sich Karlsruhe „erstmals umfassend zu den Ausnahmen von der Schuldenbremse und zur Nutzung von Sondervermögen geäußert“, sagte Lindner. „Die Bundesregierung respektiert dieses Urteil – es schafft Klarheit zur Schuldenbremse.“ Im Ergebnis werde sie verschärft. „Das Urteil bietet die Chance, Richtung und Prioritäten der Politik zu präzisieren“, so Lindner.

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Prioritäten von Regierungspolitik präzisieren

Das Urteil habe potenziell weitgehende Auswirkungen auf die Staatspraxis und die Haushaltspolitik von Bund und Ländern, gab er zu bedenken. „Deshalb werten wir dieses Urteil sehr sorgfältig aus.“ Eines ist für ihn klar: „Steuererhöhungen bleiben ausgeschlossen, Ausnahmen von der Schuldenbremse erst recht, nachdem der einmalige Kompromiss verworfen wurde. Jetzt ist der Anlass, Richtung und Prioritäten von Regierungspolitik zu präzisieren.“

Als erste Konsequenz habe er „eine Sperre des Wirtschaftsplans des KTF vorgenommen“. Dies betreffe die Jahre 2024 und 2025. Von der Sperre ausgenommen seien aber Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der Wärmewende in Gebäudebereich. Es solle nun so rasch wie möglich ein neuer Wirtschaftsplan aufgestellt werden. Die Beratungen des Etatentwurfs 2024 seien nach der aktuellen Einschätzung nicht vom Urteil betroffen. Deshalb könnten die Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestages wie geplant fortgesetzt werden.

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Wir kommen nun an einem Wendepunkt

Lindner schließt auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Steuererhöhungen oder das Aufheben der Schuldenbremse aus. Die Leitplanken der Bundesregierung blieben unverändert: „Einerseits die Schuldenbremse, bei der wir neue Rechtsklarheit haben, andererseits der Verzicht auf Steuererhöhungen“, betonte der FDP-Chef am Donnerstag im Bundestag. „Ein Höchststeuerland, das seine steuerliche Belastung weiter anhebt, würde nicht nur den wirtschaftlichen Aufschwung gefährden, sondern massiv die notwendigen Investitionen verhindern, die wir beispielsweise in neue Technologien benötigen.“

Doch es werde sich etwas ändern: „Wir kommen nun an einem Wendepunkt. Wir werden mit weniger Geld wirksamere Politik machen müssen als im vergangenen Jahrzehnt“, sagte Lindner. „Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern wir haben ein Problem damit, schon seit vielen Jahren, Prioritäten zu setzen.“ Lindner betonte, das Urteil könne „Auswirkungen auf die Haushaltspolitik in Bund und Ländern generell haben“. Deshalb werte die Bundesregierung es zur Stunde sorgfältig aus. „Es ist jetzt zu früh, bereits eine Debatte über grundlegende Konsequenzen zu führen“, betonte Lindner. “Wir wollen die neu gewonnene Rechtsklarheit nicht nutzen, um die Schuldenbremse zu schwächen, sondern um sie zu stärken.“

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Ampel hält Schuldenbremse ein – im Gegensatz zur Großen Koalition

Mit Blick auf Äußerungen aus der Union monierte FDP-Fraktionschef Christian Dürr: „Ich empfinde es offen gestanden als absurd, dass ausgerechnet diejenigen, die die Schuldenbremse erst gerissen haben und dann ganz schleifen wollten, ich denke an Helge Braun oder Markus Söder, sich am heutigen Tage geradezu als Gralshüter der Schuldenbremse aufspielen. Das Urteil, und das ist gut, schafft Klarheit über eine gängige Staatspraxis in Bund und Ländern.“

Er erinnerte an den zweiten Nachtragshaushalt im Jahr 2020, beschlossen unter einer unionsgeführten Bundesregierung von Angela Merkel: „Dort wurden zweckgebundene Schulden für die Pandemie umgebucht, und zwar in den damaligen Energie- und Klimafonds, der heute Klima- und Transformationsfonds heißt. Anders als die unionsgeführte Koalition damals, halten wir heute die Schuldenbremse ein.“

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Hintergrund:

Ursprünglich waren die 60 Milliarden Euro, um die es geht, dafür gedacht, die gravierenden Folgen der Corona-Krise besser bewältigen zu können. Das Geld wurde während der Pandemie aber nicht ausgegeben. Im vergangenen Jahr widmete die Regierungskoalition die 60 Milliarden in einen Klimafonds um, den „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF). Dafür verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen im Jahr 2022 einen Nachtragshaushalt, und zwar rückwirkend für das Haushaltsjahr 2021.  „Nach bestem fachlichen Rat haben wir es für verfassungsrechtlich verantwortbar gehalten“, erläuterte Lindner.   

Das Bundesverfassungsgericht hat nun geurteilt, dass das Gesetz über den zweiten Nachtragshaushalt 2021 verfassungswidrig ist. Der Bund darf die zur Bekämpfung der Corona-Krise gedachten Gelder damit nicht umschichten. Welche Schritte für die geplanten Vorhaben im Klima- und Transformationsfonds (KTF) notwendig sind, werden die Koalitionspartner nun beraten. Eines ist klar: Jetzt schlägt die Stunde der Konsolidierung und Priorisierung. 

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