Bundesregierung versagt in Afghanistan
Wenige Wochen nach dem Abzug der Bundeswehr haben die Taliban Afghanistan unter ihre Kontrolle gebracht. Die FDP fordert die Bundesregierung auf, schnellstmöglich deutsche Staatsangehörige und afghanische Ortskräfte in Sicherheit zu bringen.
Erschütternde Bilder aus Afghanistan: Wenige Wochen nach dem Abzug der Bundeswehr haben die Taliban das Land unter ihre Kontrolle gebracht. Tausende Menschen versuchen aus dem Land zu fliehen, suchen Schutz. In einem dringenden Appell fordert die FDP die Bundesregierung auf, schnellstmöglich alle deutschen Staatsangehörigen sowie die afghanischen Ortskräfte in Sicherheit zu bringen. „Die Bundesregierung trägt die Verantwortung für die Evakuierung sowie für die möglichen Verzögerungen und die sich daraus ergebenden Gefahren für das Leben deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger“, so FDP-Chef Christian Lindner.
Warum die Bundesregierung erst so spät mit der Evakuierung begonnen habe, dazu gebe es viele Fragen. „Diese müssen jetzt umfassend beantwortet werden“, mahnt Lindner. Es sei zu befürchten, dass durch das verspätete Handeln der Bundesregierung nicht alle afghanischen Ortskräfte ausgeflogen werden könnten. Dies gelte vor allem für diejenigen aus den ehemaligen Bundeswehrstandorten, die durch den Vormarsch der Taliban keine Möglichkeit mehr hätten, Kabul noch rechtzeitig zu erreichen. „Das muss ausgewertet werden“, fordert Lindner.
FDP verlangt Aufklärung
Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Außenpolitiker und stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, kritisiert die Bundesregierung scharf für ihre fehlende Evakuierungsstrategie für Afghanistan. „Es ist beschämend, dass die Bundesregierung ganz offensichtlich unfähig war, den afghanischen Ortskräften beispielsweise in Mazar-i-Sharif und deren Angehörigen eine rechtzeitige Ausreise zu ermöglichen. Bundesaußenminister Heiko Maas, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundesinnenminister Horst Seehoferhaben haben da auf ganzer Linie versagt“, sagt Graf Lambsdorff. Die Bundesregierung müsse jetzt endlich handeln, Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Regierungserklärung zu Afghanistan abgeben.
Gleichzeitig brauche es umgehend mehr finanzielle Mittel für das UN-Flüchtlingshilfswerk und die Internationale Organisation für Migration, um afghanische Flüchtlinge in den Nachbarländern Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan ausreichend zu versorgen. Alexander Graf Lambsdorff: „Die Staats- und Regierungschefs der EU müssen deshalb ihre finanziellen Zusagen für das UNHCR erhöhen und gleichzeitig bei den internationalen Partnern für eine neue Geberrunde werben. Hierbei sollten wir insbesondere die USA in die Pflicht nehmen.“ FDP-Chef Christian Lindner ergänzt: „Der Fall Afghanistan zeigt erneut, dass Deutschland und der Westen ihre Rolle in einer veränderten globalen Macht- und Sicherheitsarchitektur noch nicht eingenommen und auch noch nicht gefunden haben.“
Flüchtlingswelle verhindern
Ziel müsse es nun jedoch sein, eine Flüchtlingswelle, wie es sie 2015 aus Syrien gab, zu verhindern. Die FDP fordert die Bundesregierung deshalb auf, umgehend einen Sondergipfel der Europäischen Union einzuberufen, um in diesem Format über gemeinsames Handeln zu sprechen. „Wir fordern außerdem die zügige Einrichtung eines Sondervisa-Programms für Afghaninnen, die durch die Ausweitung des Herrschaftsbereichs der Taliban besonders von Verfolgung und Gewalt bedroht sind“, so Alexander Graf Lambsdorff. „Deutschland sollte die Initiative für eine internationale Konferenz ergreifen, die all jene Menschen aus Afghanistan umsiedelt, die aus Afghanistan geflohen und unter den Taliban besonders gefährdet sind. Daran sollten sich alle Länder beteiligen, die am Hindukusch militärisch engagiert waren.“
Mit Blick auf künftige Einsätze der Bundeswehr empfahl der FDP-Außenpolitiker Bundesregierung und Bundestag, Lehren aus dem gescheiterten Einsatz in Afghanistan zu ziehen. „Wir Freie Demokraten fordern seit Jahren eine Exitstrategie und eine unabhängige und umfassende Evaluierung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan“, so Graf Lambsdorff. „Die Bundesregierung hat dies immer verweigert. Es zeigt sich jetzt, wie wichtig es ist, eine Strategie zu haben, denn jetzt wirkt die Bundesregierung geradezu planlos. Es ist deshalb umso wichtiger, aus Afghanistan zu lernen und bereits heute mit den Planungen für die Evaluierung unseres Engagements in Mali zu beginnen: Setzen wir uns realistische politische Ziele? Wie verhalten sich die politischen Ziele zum militärischen Auftrag?“ Deswegen fordert die FDP-Bundestagsfraktion die Einrichtung einer Enquête-Kommission „Afghanistan“ in der nächsten Legislaturperiode.
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