Bürokratieabbau ist kostenfreies Konjunkturprogramm
Er verstehe sich als „Bürokratieabbau-Minister“, erklärte Justizminister Marco Buschmann. Für ihn ist klar: Der Abbau überflüssiger Bürokratie ist ein kostenfreies Konjunkturprogramm.
Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärte Buschmann, dass Bürokratie oft als negativ empfunden wird, da sie veraltete oder übertriebene Regeln beinhalten kann, obwohl sie auch notwendige und funktionale Aspekte für die Gesellschaft hat. Es gebe allerdings einen allgemeinen Konsens darüber, dass die bürokratische Belastung in Deutschland zu hoch sei und weiter gesenkt werden müsse. Dies erwarteten sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Unternehmen, da Bürokratie oft als hinderlich für die eigentliche Arbeit empfunden werde.
Entlastung durch Vereinfachung
Er spricht auch über das Bürokratieentlastungspaket, das im Sommer beschlossen wurde. Dieses Paket soll insgesamt Entlastungen von mehr als drei Milliarden Euro bringen, wobei das Bürokratieentlastungsgesetz allein rund 682 Millionen Euro zur Entlastung beiträgt. Zusätzlich werden Anhebungen der Schwellenwerte bei der Bilanzierung und Rechnungslegung für kleine und mittelständische Unternehmen vorgezogen. „Dabei konzentrieren wir uns auf drei Maßnahmen: Vereinfachungen bei Aufbewahrungsfristen, bei Meldepflichten und Formerfordernissen.“
FDP kämpft für Bürokratieabbau
Ein besonders eindrückliches Beispiel für die Probleme, die überbordende Bürokratie für Unternehmen und Staat bedeute, sei das Vergaberecht, so Buschmann. Dabei werde auch die Herausforderung deutlich, Gesetze zu vereinfachen und gleichzeitig Rechtssicherheit zu gewährleisten. Es sei der Gang von Gesetzentwürfen, dass sich die Ressorts damit auseinandersetzten und wenn ein Gesetz dadurch bürokratieärmer werde, „wäre das doch ein Gewinn für alle“. Er unterstrich: „Dass Liberale in Regierung und Parlament auf bürokratiearme Lösungen drängen, ist ja ihr Selbstverständnis und Auftrag.“
Föderalismus verursacht Bürokratiekosten
Es gebe bis zu 16 verschiedene Interpretationen des Datenschutzrechts aufgrund der unterschiedlichen Handhabungen in den Bundesländern, so der Justizminister. Buschmann schlug vor, das Grundgesetz zu ändern, um eine einheitlich bindende Auslegung des Datenschutzrechts zu ermöglichen. Derzeit sei er dabei, um politische Unterstützung für diesen Vorschlag zu werben. Darüber hinaus schlägt er vor, einen Bürokratiekostenindex auf Landesebene einzuführen. „Das wäre eine wichtige Selbstinformation für die Landesgesetzgeber, und es würde natürlich auch im politischen Prozess etwas auslösen.“ Buschmann erkennt an, dass die Einführung eines solchen Index paradoxerweise erstmal zu mehr Bürokratie führen könne, indem eine „Bürokratie gegen Bürokratie“ entsteht. Dennoch sieht er darin einen sinnvollen Ansatz, da eine solche Maßnahme zu mehr Transparenz führen und einen Wettbewerb um Entbürokratisierung zwischen den Bundesländern anregen könnte.
Europa muss entbürokratisiert werden
Eine große Hürde beim Bürokratieabbau sei, dass ein großer Teil des Bürokratieaufwands auf EU-Vorgaben zurückzuführen sei, so der Justizminister. Um den Bürokratieaufwand auf europäischer Ebene zu reduzieren, arbeitet Deutschland gemeinsam mit Frankreich an einer Initiative für systematischen Bürokratieabbau. „In den anderen Mitgliedstaaten gibt es ein großes Interesse an dieser Initiative. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich sehr offen dafür gezeigt. Da werden wir sie beim Wort nehmen.“
Aufgrund unübersichtlicher Regelungen zu Berichtspflichten müssten Unternehmen oft denselben Sachverhalt an verschiedene Stellen berichten. Es sei deswegen dringend geboten, doppelte Berichtspflichten zu eliminieren oder deren Entstehung zu verhindern. Dies spiele insbesondere bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Lieferkettenregulierung eine zentrale Rolle.
Im Zusammenhang mit der Lieferkettenrichtlinie hinterfragte Buschmann, ob mittelständische Unternehmen realisitischerweise für die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards weltweit zur Verantwortung gezogen werden könnten. Er warnte: „Entscheidet sich das Unternehmen dann für einen Rückzug, würde ein Stück Globalisierung rückabgewickelt. Das hat mitunter die Folge, dass die ökonomische Entwicklung in Ländern, in denen man jetzt einkauft, ebenfalls Rückschritte macht. Hier sind Augenmaß und Realismus nötig.“