Polizeigesetz ist Angriff auf die Freiheit

"Das Bayerische Polizeiaufgabengesetz schafft keinen Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit, sondern ist ein Angriff auf die Freiheit", kritisiert Christian Lindner.

Katrin Göring-Eckhardt, Dietmar Bartsch und Christian Lindner vor der Presse
Katrin Göring-Eckhardt, Dietmar Bartsch und Christian Lindner vor der Presse
FDP-Chef Christian Lindner will gemeinsam mit der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckhardt und dem Vorsitzendem der Links-Fraktion Dietmar Bartsch das bayerische Polizeiaufgabengesetz vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüfen lassen. Diesen Antrag auf Normenkontrolle haben die drei Fraktionsvorsitzenden in einer Pressekonferenz angekündigt. Lindner betont: „Wenn es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Norm gibt, dann sind die Abgeordneten gefordert, unser Bundesverfassungsgericht ins Spiel zu bringen.“

Der FDP-Chef bezeichnet den Eingriff in die Privatsphäre durch das Polizeigesetz als einen Paradigmenwechsel vom „Rechtsstaat zum Obrigkeitsstaat“. Mit dem Gesetz werden die Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus auf Bereiche der Alltagskriminalität ausgeweitet. Das Polizeigesetz enthält harte Grundrechtseingriffe, wie einen Präventivgewahrsam für drei Monate, der auch unendlich oft um drei Monate verlängert werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Einsatz polizeilicher Maßnahmen bei drohender Gefahr gebilligt. Dieses Gesetz bezieht sich jedoch nur auf terroristische Bedrohungen. Christian Lindner beschreibt die von der CSU beschlossene Ausweitung als einen „Angriff auf die Grundrechte“, gegen die sich die drei Fraktionen wehren wollen. Zusammen stellen sie mehr als 25 Prozent der Mitglieder im Deutschen Bundestag und sind damit vor dem Bundesverfassungsgericht klagebefugt.

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Hintergrund

Das Polizeiaufgabengesetz wurde im vergangenen Mai im bayerischen Landtag mit der CSU-Mehrheit verabschiedet. Es enthält eine Ausweitung der Rechte der Polizei und wurde mit der Vorbeugung von Straftaten begründet. Bislang musste eine konkrete Gefahr nachgewiesen werden, um einschreiten zu dürfen. Mit dem neuen Polizeigesetz kann die Polizei aktiv werden, wenn sie Gefahren erwartet, ohne genau anzugeben, wann und wo damit zu rechnen ist.

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Im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung erklärt Lindner alles Wesentliche zur Klage der Opposition im Bund gegen Bayerns Polizeiaufgabengesetz. Lesen Sie hier das Gespräch in voller Länge.

Frage: Herr Lindner, die FDP klagt gemeinsam mit der Linken und den Grünen gegen das bayerische Polizeigesetz. Machen Sie jetzt Landtagswahlkampfmit Hilfe des höchsten Gerichtes?

Lindner: Wir sehen uns in der Sache in der Pflicht. Wenn es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Norm gibt, sind die Bundestagsabgeordneten aufgerufen, diese vom Verfassungsgericht prüfen zu lassen. Zusammen bringen wir mehr als 25 Prozent der Abgeordneten zusammen. Damit sind wir klagebefugt. So erklärt sich die ungewöhnliche Konstellation. Das ist etwas anderes, als sich auf einen gemeinsamen Entwurf für ein Polizeigesetz zu verständigen. Auf der fachlichen Ebene bleiben natürlich die Unterschiede. Sie könnten stattdessen eher fragen, ob die CSU am Polizeirecht herumgebastelt hat, nur um im Wahlkampf den starken Max zu markieren.

Frage: An welcher Stelle verstößt das Gesetz aus Ihrer Sicht gegen die Verfassung?

Lindner: Die CSU-Alleinregierung überträgt staatliche Befugnisse, die wir sonst nur aus der Terrorabwehr kennen und die dort auch ihre Berechtigung haben, auf den Bereich der allgemeinen Polizeitätigkeit. Bisher setzt das Polizeirecht eine konkrete Gefahr voraus, damit in die Bürgerrechte eingegriffen werden kann. Nach dem bayerischen Gesetz soll jetzt schon eine „drohende Gefahr“ ausreichen. Dann sind schwere Eingriffe zulässig, etwa eine dauerhafte heimliche Observation. Für die Vorfeldaufklärung sind aber die Nachrichtendienste zuständig. Ich möchte nicht, dass die Grenzen zur Polizei verwischen.

Frage: Der Vorwurf, Deutschland entwickle sich zum Willkürstaat, geht aber dann doch zu weit, oder woran machen Sie das fest?

Lindner: Von Willkürstaat habe ich nicht gesprochen. Uns geht es um den Rechtsstaat. Der schränkt nur insoweit Bürgerrechte ein, als es verhältnismäßig ist. Aber das bayerische Gesetz verletzt die Freiheit der Bürger, ohne mehr Sicherheit zu bringen. Nehmen Sie das Beispiel des vorsorglichen Gewahrsams, der zu einer Art Unendlichkeitshaft werden kann, ohne dass ein Urteil vorliegt. Natürlich ist es nötig, dass der Staat die Sicherheit seiner Bürger umfassend garantiert. Entscheidend aber ist, dass wir genügend Polizisten haben, die ausreichend ausgebildet sind. Da gibt es auch in Bayern Nachholbedarf.