Antragsbuch für den 74. Ordentlichen Bundesparteitag

BFA Internationale Politik

Eine liberale Handelsagenda – Für Wettbewerb, Wachstum und Menschenrechte

Eine liberale Handelsagenda – Für Wettbewerb, Wachstum und Menschenrechte

Der Systemwettbewerb zwischen liberalen Demokratien und Autokratien ist der bestimmende Konflikt unserer Zeit. Dessen tiefgreifende Auswirkungen auf den globalen Handel sind bereits ebenso spürbar wie der Einfluss der deutlichen Zunahmen von Handelssanktionen, die in den vergangenen Jahren verstärkt Handelspolitik als Teil der Außenpolitik gezeigt haben. Globale Herausforderungen, wie die Pandemienachwirkungen, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Bekämpfung des Klimawandels und die Anfälligkeit internationaler Lieferketten erfordern, den Handel neu zu gestalten. Für uns Freie Demokraten bleibt Handel ein zentrales Instrument, das Zusammenarbeit auf Augenhöhe sowie Wohlstand und Arbeitsplätze bei uns und unseren Partnern heute wie auch für künftige Generationen schafft. Dabei müssen wir freien Handel und offene Märkte heute gleich doppelt verteidigen: gegen die Autokraten, die Offenheit ausnutzen auf der einen Seite und den Protektionismus, der auch in liberalen Demokratien zunehmend Unterstützung findet, auf der anderen Seite. Denn fairer Wettbewerb, nachhaltiges Wachstum und die Stärkung demokratischer Werte und Menschenrechte brauchen regelbasierten Handel und offene Märkte. Deshalb erteilen wir wachsendem Merkantilismus und einer weltweit auf dem Vormarsch befindlichen aggressiven Industriepolitik eine klare Absage. Gerade weil globalisierter Handel kein Selbstzweck ist, müssen wir gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass die breite Bevölkerung von den Vorteilen von freiem und fairem Handel profitiert und nicht vermeidbare Strukturveränderungen mit einer verantwortungsvollen, freiheitlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik gezielt beantworten. Damit sichern wir zugleich, dass die Europäische Union in ihrem Streben nach mehr strategischer Autonomie grundsätzlich ihren Markt nicht abschottet. 

I. Multilateraler Freihandel

1. WTO-Reform

Deutschland und die EU müssen auch weiterhin für Multilateralismus und eine reformierte Welthandelsorganisation (WTO) als Grundlage des regelbasierten Handels eintreten. Die Reform der WTO muss dafür sorgen, die Blockade des Streitschlichtungsmechanismus aufzubrechen und das gemeinsame Regelwerk modernisieren, insbesondere im Hinblick auf Industrie- und Agrarsubventionen, erzwungenen Technologietransfer, Produktfälschungen und digitalen Handel sowie den Entwicklungsländerstatus. Der Reformprozess sollte insbesondere die UN-Nachhaltigkeitsziele reflektieren. Die EU-Kommission muss mit höchster Priorität für einen Durchbruch bei der Reformagenda arbeiten, damit substanzielle Erfolge bei der nächsten WTO-Ministerkonferenz 2024 erreicht werden können. Gleichzeitig müssen wir daran arbeiten, den multilateralen und bilateralen Freihandel mit gleichgesinnten Partnern voranzubringen, da wir uns nicht erlauben können, dass aufgrund des Konsensprinzips innerhalb der WTO jeglicher Fortschritt von der Zustimmung von protektionistischen Hardlinern abhängt. 

2. Weltfreihandelszone der Demokratien

Wir Freie Demokraten streben gemeinsamen, freien und fairen Handel mit liberalen Demokratien weltweit an. Wir brauchen eine Weltfreihandelszone der Demokratien von Chile über Taiwan bis Australien, basierend auf gemeinsamen Regeln der Welthandelsorganisation. Viele Länder in Lateinamerika, Afrika und Asien wünschen sich eine demokratische Alternative zum einseitigen Handel mit China. Die Freihandelszone der Demokratien steht allen Demokratien der Welt offen und bindet den präferenziellen Marktzugang, niedrigere Zölle und den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse an die Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Standards. Die auf Regeln basierende globale Ordnung wird seit längerer Zeit unter Druck gesetzt von autoritären Staaten, die ihre eigenen Regeln schaffen wollen. Daher können sich die Mitglieder einer Freihandelszone der Demokratien auf die gegenseitige Gleichbehandlung (Reziprozität) verlassen, die von der Volksrepublik China verweigert wird. Wenn der grundlegende Konflikt unserer Zeit Autokratie versus Demokratie heißt, ist es essenziell, dass Demokratien in allen politischen Bereichen zusammenarbeiten. Vor allem handelspolitische Zusammenarbeit stärkt uns und unsere demokratischen Partner und macht uns weniger abhängig von autokratischen Staaten. Die Freihandelszone soll die WTO ergänzen, den Austausch und die Kooperation unter Demokratien fördern, aber die Welthandelsorganisation nicht ersetzen. Ganz im Gegenteil kann sie einen konstruktiven Druck auf die Mitgliedstaaten der WTO ausüben, dringend benötigte Reformen endlich anzugehen. Dazu fordern wir die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, entsprechende Verhandlungen in die Wege zu leiten.  

II. Bilateraler Freihandel 

Wir Freie Demokraten setzen uns EU-weit für die Ratifizierung aller bereits abgeschlossenen Handelsabkommen und Investitionsschutzabkommen mit Ausnahme des Abkommens mit China ein. Wir wollen, dass die EU laufende Verhandlungen abschließt und neue Gespräche mit weiteren Partnern aufnimmt. Freihandelsabkommen sollen separat von Investitionsschutzabkommen verhandelt werden, damit Zustimmungsprozesse klarer nach europäischer und nach nationaler Ebene strukturiert und somit schneller und transparenter sind. Darüber hinaus setzen wir uns für die vollständige Integration des Investitionsschutzes auf europäischer Ebene und damit den Wegfall des Einstimmigkeitserfordernis beim Abschluss von Abkommen ein. Denn aktueller denn je gilt: Freihandel ist die beste Wirtschaftsförderung

1. Kanada

Auf Initiative der Freien Demokraten hat Deutschland das Abkommen nun endlich auch ratifiziert. Das Freihandelsabkommen mit Kanada wird seit 2017 vorläufig angewendet. Die von den politischen Gegnern auf beiden Seiten des politischen Spektrums an die Wand gemalten Schreckszenarien, dass Umwelt- und Sozialstandards in Deutschland abgesenkt würden, sind alle nicht eingetreten. Stattdessen sind die Zollschranken für erlaubte Waren gefallen und der Dienstleistungssektor hat von der Liberalisierung profitiert. 

2. USA

Die Vertiefung der transatlantischen Handelsbeziehungen ist sowohl für die Reform der WTO als auch eine Allianz liberaler Demokratien unerlässlich. Weder die Vereinigten Staaten noch Europa werden ihre strategischen Ziele ohneeinander erreichen. Der Inflation Reduction Act (IRA) mit protektionistischen Vorgaben kann zu Wettbewerbsverzerrungen unter Verletzung von WTO-Regeln führen. Wir begrüßen, dass konstruktive Gespräche unter den transatlantischen Partnern geführt werden, um bei der Umsetzung des IRA die Diskriminierung europäischer Unternehmen zu verhindern. Gerade vor diesem Hintergrund darf die EU nicht in einen Subventionswettbewerb verfallen und die europäischen Wettbewerbsregeln aufweichen, sondern sollte sich darum bemühen, durch die Vertiefung des Binnenmarkts insbesondere im Dienstleistungsbereich attraktive Standortbedingungen zu schaffen. Die gemeinsamen Herausforderungen müssen gemeinsam angegangen werden, auch um dadurch Abschottungstendenzen auf beiden Seiten des Atlantiks entgegenzuwirken.

Der Trade and Technology Council (TTC) bietet das Potential, die transatlantische Handelspartnerschaft zwischen den USA und der EU konkret zu stärken. Dafür müssen aus den seit Juni 2021 geführten Gesprächen konkrete Lösungen entstehen, zum Beispiel für die gegenseitige Anerkennung von Standards. Insbesondere im digitalen Handel, dem Fluss von Daten sowie dem Handel mit Dienstleistungen können die EU und die USA als wirtschaftliche und demokratische Supermächte weltweite Standards setzen. In der aktuellen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA wird die strategische Bedeutung des TTC zu Recht hervorgehoben und es bedarf einer ähnlichen Relevanz auch in der deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik, um diese Chance für die transatlantischen Handelsbeziehungen zu nutzen. 

Auf der Arbeit des TTCs aufbauend, sollten wir weiterhin das Ziel eines gemeinsamen transatlantischen Wirtschaftsraums zwischen der EU und den USA anstreben. Deshalb brauchen wir so bald wie möglich auch einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA und idealerweise mit dem gesamten USMCA-Raum (Kanada, Mexiko, USA). 

3. Mercosur 

Das EU-Mercosur-Abkommen würde den zweitgrößten Wirtschaftsraum der Welt schaffen und bietet beiden Seiten Möglichkeiten für Wachstum, Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung. Es fördert nachhaltige Entwicklung, stärkt Arbeitnehmerrechte, unterstützt die gemeinsame Bekämpfung des Klimawandels, verbessert Umwelt-, Natur- und Artenschutz. Zudem schafft das Abkommen belastbare Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Austausch und gerade in der aktuellen Lage sind die Rohstoffreserven wie die Gasvorkommen in Argentinien von strategischer Bedeutung für die Energieversorgungssicherheit in Europa. Nachverhandlungen lehnen wir ab und setzen uns für eine zügige Unterzeichnung ein. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass einzelne Bedenken über die Auswirkungen des Abkommens auf den Umweltschutz durch eine gemeinsame Auslegungserklärung mit den Mercosur-Ländern geklärt werden, welche den Weg zu einer zügigen Unterzeichnung freimachen sollte.

4. Chile 

Das modernisierte Assoziierungsabkommen mit Chile ist eine Chance für die Diversifizierung von Rohstoffpartnerschaften und zudem eine wichtige Wertepartnerschaft. Abschluss und Ratifizierung müssen schnellstmöglich erfolgen. Das Abkommen ist das erste, das dezidiert die Rechte von Frauen und ihre Teilhabe am Handel stärkt. 

5. Mexiko 

Das erneuerte Freihandelsabkommen mit Mexiko bietet vor allem für die europäische Agrarwirtschaft sowie für den Dienstleitungssektor neue Perspektiven und stärkt Arbeitnehmerrechte und den Umweltschutz in Mexiko. Die enge Zusammenarbeit mit Mexiko ist von besonderem Interesse auch im Hinblick auf eine engere transatlantische Zusammenarbeit.

6. Indopazifik

Die EU-Strategie für den indopazifischen Raum ist ein wichtiger Fortschritt für eine größere geopolitische Rolle der EU in der Region. In Anbetracht des RCEP-Abkommens, dessen Unterzeichner seit Januar 2022 die größte Freihandelszone der Welt bilden und etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung und der Wirtschaftsleistung umfassen, muss die EU-Kommission ihre Indopazifik-Strategie allerdings auch stärker handelspolitisch ausrichten und mit Handelsabkommen untermauern. 

7. Australien und Neuseeland

Das 2022 abgeschlossene Freihandelsabkommen mit Neuseeland muss umgehend ratifiziert werden und die Verhandlungen mit Australien zügig vorangetrieben werden. Beide Ländern stärken die Zusammenarbeit unter Demokratien und die Rolle der EU im indopazifischen Raum. 

8. Indien 

Nach der grundsätzlichen Einigung beim EU-Indien-Gipfel im Mai 2021, bis Ende 2023 über ein Handelsabkommen, ein eigenständiges Investitionsabkommen und ein Abkommen über geografische Indikatoren zu verhandeln, muss die EU sich dafür einsetzen, die Verhandlungen für alle drei Abkommen konsequent voranzutreiben. Aspekte zu Menschen- und Frauenrechten müssen dabei Grundlage der Gespräche sein. Indien ist mit 1,4 Milliarden Bürgerinnen und Bürgern die größte Demokratie der Welt, ein aufstrebender und wichtiger Markt und in Teilen eine High-Tech-Nation. Insbesondere auch in der Bekämpfung des Klimawandels, bei der Infrastruktur sowie Erneuerbaren Energien wie Wasserstoff gibt es großes Potential für Zusammenarbeit.

9. Taiwan

Die taiwanesische Wirtschaft hat aufgrund der Produktion von Halbleitern eine weltweit herausgehobene Bedeutung, sowohl aus geopolitischer als auch aus wirtschaftlicher Perspektive. Insbesondere für die geplante Erhöhung der strategischen Unabhängigkeit der EU im Bereich Halbleiter (Chips Act) ist sowohl die Ansiedelung dieser Industrie innerhalb der EU als auch die Zusammenarbeit mit demokratischen Partnern essenziell. Wir fordern die EU-Kommission auf, dem Rat ein Verhandlungsmandat vorzulegen, um zeitnah Gespräche zu einem Investitionsabkommen mit Taiwan aufzunehmen, ohne auf Fortschritte bei dem zurecht auf Eis liegenden Investitionsabkommen mit China (CAI) abzuwarten.

10. ASEAN 

Langfristiges Ziel sollte eine gemeinsame Freihandelszone der EU mit allen ASEAN-Staaten bleiben. Eingedenk der sehr unterschiedlichen rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Situationen in den verschiedenen ASEAN-Ländern, die ein Block-zu-Block-Abkommen aktuell nicht realistisch machen, ist es umso wichtiger, die laufenden bilateralen Verhandlungen mit einzelnen ASEAN-Staaten zügig voranzutreiben. Dazu gehört insbesondere ein substanzieller Fortschritt der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indonesien sowie die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen der EU und Malaysia. Zudem müssen die Bemühungen für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Philippinen intensiviert werden, sobald sich die Grundrechtslage in diesen Ländern verbessert hat. Die von der EU-Kommission angekündigte Wiederaufnahme der Gespräche für ein Freihandelsabkommen mit Thailand sind zu begrüßen. Dabei wird die Rolle der menschenrechtlichen Situation im Land eine wichtige Rolle spielen müssen. Diese bilateralen Handelsabkommen mit den ASEAN-Ländern müssen dann als Grundlage für Block-zu-Block-Abkommen dienen, denn sie sind ein wichtiger Schritt hin zu einer strategischen Partnerschaft. 

11. China 

Die Freien Demokraten lehnen die Ratifizierung des Investitionsabkommen (CAI) zwischen der EU und China ab, solange die chinesischen Sanktionen gegen EU-Organisationen, Verbände, Abgeordnete nationaler Parlamente sowie des Europäischen Parlaments und Ausschüsse des Europäischen Parlaments in Kraft sind und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen die Uiguren und weitere Minderheiten fortdauern. Deutschland und die EU müssen eine entschlossenere, umfassendere und konsistentere China-Strategie erarbeiten und die Mitgliedstaaten dahinter versammeln. Die Verteidigung unserer Werte und die regelbasierte multilaterale Ordnung müssen Kern dieser Strategie sein, die die Vielschichtigkeit der Beziehungen zwischen der EU und China berücksichtigt muss. In vielen Bereichen ist China ein Kooperations- und Handelspartner, ganz grundlegend allerdings ein wirtschaftlicher Konkurrent und Systemrivale. Daher muss ein EU-weiter Stresstest regelmäßig wirtschaftliche Abhängigkeiten in strategischen Sektoren, wie beispielsweise kritischen Rohstoffen, analysieren.

12. Afrika 

Die EU muss mittelfristig einen stärkeren Fokus auf Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit afrikanischen Partnern legen, wobei das langfristige Ziel eine Freihandelszone zwischen der EU und Afrika sein sollte. Dies würde sowohl den Ländern des afrikanischen als auch des europäischen Kontinents immense wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven bieten.

III. Handlungsfähigkeit der EU und Schutz der Menschenrechte stärken

Für uns Freie Demokraten ist Handel ein Instrument der Zusammenarbeit auf Augenhöhe, das Wohlstand und Arbeitsplätze schafft – bei uns und unseren Partnern. Handel ist ein Mittel, um Menschen ganz konkrete wirtschaftliche Perspektiven und somit die Gestaltung ihres eigenen Lebens zu ermöglichen. Insbesondere für viele Menschen in Partnerländern außerhalb Europas bedeutet mehr Handel auch Wege aus der Armut hinein in die Selbstbestimmung. 

Freihandel bringt gleichgesinnte Partner zusammen, er kann und sollte die Demokratie unterstützen, Menschenrechte fördern und den Klimawandel bekämpfen. Diese Chancen werden insbesondere durch die Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung in den EU-Freihandelsabkommen gestärkt.

Darüber hinaus muss die EU interne Instrumente schaffen, die ihre Handlungsfähigkeit und offene strategische Autonomie stärken und einen stärkeren Schutz der Menschenrechte herbeiführt. Wir Freien Demokraten setzen uns daher dafür ein, dass die zahlreichen Gesetzgebungsinitiativen in der Europäischen Union eine liberale Handschrift erhalten. 

1. GSP-Instrument 

Das Allgemeine Zollpräferenzsystem (APS oder Generalised Scheme of Preferences, GSP) bietet Entwicklungsländern bevorzugten Zugang zum EU-Binnenmarkt. Darüber hinaus sind weitere Vergünstigungen vorgesehen, wenn grundlegende Menschenrechte eingehalten werden („GSP plus“), die der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung dieser Länder dienen. Sollten die grundsätzlichen Bedingungen für diesen besonders vorteilhaften Zugang nicht erfüllt werden, muss die EU konsequent handeln und wirtschaftliche Vorteile aussetzen. 

2. Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit 

Wir Freie Demokraten begrüßen, dass auf EU-Ebene aktuell an einem Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit gearbeitet wird. Dabei muss die richtige Balance gefunden werden aus Produktkategorie, Region der Herstellung sowie verantwortliche Unternehmen. Dieses neue Instrument muss zielgenau wirken, um Zwangsarbeit effektiv zu bekämpfen, statt auf Pauschalverdacht zu setzen. Dafür ist vor allem eine EU-weite Abstimmung und Listung der nachweislich aus Zwangsarbeit stammenden Produkte oder der mit Zwangsarbeit produzieren Unternehmen essenziell, um zu verhindern, dass diese Produkte in den Binnenmarkt eingeführt werden.

3. Europäisches Lieferkettengesetz 

Unternehmertum ist Verantwortung. Keinem Unternehmer, keiner Unternehmerin kann es egal sein, ob es in den eigenen Lieferketten Kinderarbeit oder Zwangsarbeit gibt. Denn Globalisierung bedeutet auch Globalisierung von Standards. Daher stehen wir Freie Demokraten einem Lieferkettengesetz, das es Unternehmen einfacher macht, ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachzukommen, grundsätzlich positiv gegenüber. Den deutschen Alleingang unter der GroKo haben wir kritisiert. Strukturell ist ein Lieferkettengesetz nur auf europäischer Ebene sinnvoll. Haftungspflichten dürfen nur dort greifen, wo Unternehmen hinreichende direkte Aufklärungs- und Einwirkungsmöglichkeiten in ihrer Lieferkette haben. Wir setzen uns für ein schlankes, europäisches Lieferkettengesetz ein, in dem der Schutz von Menschenrechten in den Partnerländern und -regionen strukturell gestärkt und europäische Unternehmen nicht durch das Schaffen von unverhältnismäßigen Risiken gezwungen werden, ihre Partner aufzugeben.

4. Ausgleichsmaßnahmen für CO2-starke Einfuhren (CBAM)

Im Rahmen der „Fit for 55“-Initiative hat die Kommission vorgeschlagen, bestimmte Waren, bei deren Herstellung besonders viel CO2 emittiert wird (wie zum Beispiel Stahl), in das EU-Zertifikatesystem einzubinden. Wir Freie Demokraten begrüßen diesen Grundsatz, weil er Wettbewerbsgleichheit und Umweltschutz weltweit vernünftig kombiniert. Wir sind uns zugleich bewusst, dass viele unserer Handelspartner ein europäisches CO2-Grenzsausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM) als Protektionismus begreifen und die Kompatibilität mit den WTO-Regeln anzweifeln. Sollte dies bestätigt werden, kann dieses Instrument so nicht eingesetzt werden. Um dem Diskriminierungsverbot des Welthandelsrechts zu genügen, darf das neue CBAM-Instrument nicht dazu führen, dass CO2-lastige ausländische Produkte ganz vom europäischen Markt ferngehalten werden oder einzelne Importländer besonders hohen Hürden ausgesetzt werden. Deshalb muss darauf geachtet werden, dass bei der Auswahl der Produkte und der bürokratischen Überwachung die Verhältnismäßigkeit eingehalten wird. Zugleich setzen wir uns weiter für eine geographische Ausweitung des EU-Emissionshandels ein, weil ein globaler Emissionshandel gegenüber dem CBAM vorzugswürdig ist.

5. Anti-Zwangs-Instrument (ACI)

Die Kommission hat im Dezember 2021 außerdem vorgeschlagen, ein neues Instrument zu schaffen, damit Gegenmaßnahmen ergriffen werden können, wenn die EU von anderen Staaten mit handelspolitischen Drohungen oder Aktionen unter Druck gesetzt wird. Beispiele sind etwa die chinesischen Handelsbeschränkungen wegen der Eröffnung eines „Taiwan-Büros“ in Litauen oder potentielle US-Strafzölle wegen der Einführung von nationalen Steuern gegenüber US-Digitalfirmen. Wir Freie Demokraten halten diese Initiative für sehr wichtig, damit die Europäische Union sich gemeinsam gegen völkerrechtswidrigen Zwang gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten zu wehren weiß.

Wir Freie Demokraten stehen für Freihandel, nachhaltiges Wachstum und den Schutz der Menschenrechte weltweit. Gerade deswegen setzen wir uns dafür ein, dass die Handelspolitik der Europäischen Union aktiv verfolgt wird. Wie die Ratifikation des EU-Abkommens mit Kanada gezeigt hat, macht eine liberale Stimme in der Bundesregierung und in Europa den entscheidenden Unterschied. 

Begründung

Erfolgt mündlich.

zurück zum Antragsbuch