LV Baden-Württemberg
Der Hamburger Hafen war erst der Anfang – Systemwettbewerb mit China ernst nehmen
Der Hamburger Hafen war erst der Anfang – Systemwettbewerb mit China ernst nehmen
In den letzten Jahrzehnten erfuhr die Volksrepublik China ein weltweit beispielloses wirtschaftliches Wachstum. Als Freie Demokraten begrüßen wir es, dass Millionen von Chinesen auf diese Art und Weise den Weg aus der Armut finden konnten und weiterhin finden werden.
Dennoch müssen wir auch 20 Jahre nach dem Beitritt der Volksrepublik China zur Welthandelsorganisation feststellen, dass das Land in puncto Marktöffnung nicht nennenswert vorangekommen ist. Viel mehr noch hat das Jahrhundertprojekt der „Neuen Seidenstraße“ den Anspruch, neben der Stärkung des globalen und wirtschaftlichen Einflusses, das politische System der Volksrepublik China in all seinen Facetten und mit all seinen Werten weltweit Geltung zu verschaffen. Mit der „Belt and Road Initiative“ hat die Volksrepublik China den Anspruch, zum ersten Mal seit Ende des Kalten Krieges den globalen Wertekanon Demokratie, Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit weltweit in Frage zu stellen – auf kurz oder lang wird sich Europa diesem Systemwettbewerb stellen müssen.
Die Freien Demokraten konstatieren, dass weder die Bundesrepublik Deutschland noch die Europäische Union bisher eine ausreichende, geschweige denn umfangreiche Antwort auf die Ansprüche der Volksrepublik China liefert. Wollen wir aber auch zukünftig die liberale Welt mit Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit stärken, ist eine klare außenpolitische Haltung zur Volksrepublik China notwendig.
Deshalb fordern wir:
Ein geeintes Europa als Antwort auf die Volksrepublik China
Weder die Europäische Union noch die einzelnen Mitgliedstaaten sind ohne völlige Einheit gegenüber der Volksrepublik China ein Gesprächspartner auf Augenhöhe.
Insbesondere bilaterale und subregionale Frameworks der Zusammenarbeit, wie das vom chinesischen Außenministerium ins Leben gerufene 17+1-Format, haben eine Pflicht, sich nicht nur an europäische Gesetze und Regeln zu halten, sondern auch, zur Wahrung gesamteuropäischer Interessen, ausschließlich in Abstimmung mit den anderen Mitgliedstaaten sowie der europäischen Kommission Abkommen zu schließen. Ein solches Verhalten wird ebenfalls zur Transparenz und Akzeptanz der gegenseitigen Interessen beitragen.
Auch die Staaten des Balkans müssen ohne EU-Mitgliedschaft stärker an die Europäische Union gebunden und vom Klammergriff der Volksrepublik China befreit werden. Deshalb fordern wir die schnellere Umsetzung der zugesicherten Visafreizügigkeit in die EU. Alle Staaten des Balkans sollen eine Mitgliedsperspektive für die Europäische Union erhalten. Wir fordern daher die Umleitung der für die Türkei vorgeplanten Heranführungshilfe für EU-Beitrittskandidaten zugunsten der Balkanstaaten. Die Ausschüttung von EU-Fördergeldern muss aber auch an die Einhaltung von europäischen Ausschreibenormen gekoppelt sein. Infrastrukturprojekte, die durch chinesische Firmen umgesetzt wurden und werden, sind hier wiederholt negativ aufgefallen.
Zusätzlich soll den Ländern des Balkans die Möglichkeit zur NATO-Mitgliedschaft gegeben werden. So soll den Ländern signalisiert werden, dass eine Mitgliedschaft in den Institutionen des Westens erreichbar ist, und geostrategischer Einflussnahme der Volksrepublik Chinas (und auch Russlands) entgegengewirkt werden.
The New Great Game – Eine Europäische Konnektivitätsstrategie
Die „Belt and Road Initiative“ der Volksrepublik China ist das ambitionierteste Infrastrukturprojekt des 21. Jahrhunderts. Mit Hilfe dieser Initiative hat Xi Jinping den Anspruch, die Volksrepublik China zu nicht weniger als dem neuen Zentrum der Welt zu machen. Das nach außen kommunizierte „Win- Win-Projekt für alle“ nimmt schon jetzt global massiven Einfluss auf die politische Lage.
Auf dem europäischen Kontinent hat die Volksrepublik China mit dem Hafen in Piräus den einzigen Tiefwasserhafen zwischen Sueskanal und Bosporus gekauft. Nicht nur geographisch gesehen war der Kauf ein Coup für die Volksrepublik China: Die Investitionen führten dazu, dass Griechenland gegen eine Abgabe eines gemeinsamen europäischen Statements zur Menschenrechtslage in der Volksrepublik China im UN-Menschenrechtsrat stimmte.
Die politischen Zugeständnisse werden oftmals über eine beispiellose finanzielle Abhängigkeit geschaffen, wie etwa das Beispiel Laos offenbart. Die kaum rückzahlbaren Kredite chinesischer Banken werden durch politische Gefälligkeiten getilgt. So hält der Staat Laos der Volksrepublik China im Kreise der ASEAN-Staaten schon jetzt den Rücken frei, wenn es um zweifelhafte Besitzansprüche im Südchinesischen Meer geht.
Die wenigen Beispiele verdeutlichen, dass eine europäische Alternative zur "Belt and Road Initiative" von dringender Notwendigkeit ist. Hierzu bedarf es einer europäischen Konnektivitätsstrategie, die an klaren Standards orientiert ist. Eine solche Strategie verfolgt einerseits das Ziel, den europäischen Kontinent noch näher zusammenzubringen, andererseits muss sie den europäischen Ansatz für eine nachhaltige Konnektivität weltweit etablieren. Insbesondere ist dazu der konsequente Ausbau des transeuropäischen Transportnetzes voran zu treiben. Besonderes Augenmerk soll hier auf die Vernetzung der großen europäischen Warenumschlagsplätze durch das Schienennetz gerichtet werden. Hierfür muss die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten in diesem Bereich verstärkt werden.
Die europäische Strategie muss sich in ihren Charakteristika entscheidend von der chinesischen „Belt and Road Initiative" unterscheiden. Intransparente Auftragsvergabeverfahren und den Einsatz von ausschließlich nicht-heimischen Arbeitskräften lehnen wir deswegen entschieden ab.
Europäische Investitionskontrolle
Wir begrüßen die Einführung der europäischen sowie die Verschärfung der deutschen Investitionskontrolle zur Bewahrung kritischer Inputs, kritischer Technologie sowie kritischer Infrastruktur. Eine weitere europäische Vereinheitlichung des FDI-Screenings ist zum effektiven Schutz vor Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unabdingbar. Die eingeführte Meldepflicht für Mitgliedstaaten sowie die Kontrolle durch die europäische Kommission sind ein erster Schritt, mittelfristig muss die Prüfungsbefugnis der Kommission auch die Beschränkung und Untersagung von Investitionen beinhalten.
Kein Ausverkauf der Infrastruktur
Deutschland darf sich nicht durch den Ausverkauf von Infrastruktur in eine Abhängigkeit zur Volksrepublik China begeben. Der Teilverkauf des Hamburger Hafens war ein Fehler, der sich aufgrund der bestehenden, zu laschen Regeln zum Schutz kritischer Infrastruktur nicht verhindern ließ. Der Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes durch chinesische Firmen wie Huawei ist abzulehnen. Wie weit die Abhängigkeiten reichen, wenn ein Staat elementar wichtige Infrastruktur an die Volksrepublik China verkauft, ist am Beispiel Griechenlands ersichtlich: die Volksrepublik China hält mittlerweile hohe Anteile am griechischen Stromnetz und zudem den Hafen Piräus in Staatshand. Griechenland fällt es in der Folge immer schwerer, sich bei gemeinsamen europäischen Entscheidungen gegen den chinesischen Staat zu wenden. Bei Erwerb entsprechender Infrastruktur von Körperschaften aus Nicht-NATO-Mitgliedstaaten sollte daher eine Sicherheitsprüfung von entsprechenden Stellen in der EU unternommen werden.
Erzwungene Technologietransfers beenden
Neben dem Schutz kritischer Technologien durch effektive Investitionskontrolle innerhalb des Unionsgebiets muss die europäische Union weiterhin konsequent gegen WTO-Regelverstöße der Volksrepublik vorgehen. Erzwungene Technologietransfers als Voraussetzung für den Eintritt in den chinesischen Markt stellen nicht nur eine Bedrohung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen dar, sondern unterstützen im Rahmen von Dual-Use-Technologien auch den chinesischen Sicherheits- und Militärapparat. Die eingeschränkte Vertragsfreiheit, unzulängliche Transparenz und mangelhafte Investitions- und Rechtssicherheit sind Gift für den Schutz geistigen Eigentums.
Weiterhin fordern wir die Aufhebung des „Joint-Venture-Zwangs“ für Schlüsselindustrien.
Politische Einflussnahme auf Hochschulen unterbinden
Besonders bedenklich ist der wachsende Einfluss sogenannter Konfuzius-Institute an Hochschulen. Hierbei handelt es sich um von der Volksrepublik China kontrollierte Einrichtungen, die unter dem Deckmantel des kulturellen Austausches und der Sprachvermittlung den außenpolitischen Zielen der Volksrepublik China dienen. Wenn akademisches Personal von einer fremden Macht abhängig ist, wenn die Grenze von Wissenschaft und Propaganda verwischt wird, wenn politisch-ideologische Forderungen mit dem Schein der Objektivität umgeben werden, ist die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr. Die Volksrepublik China ist kein EU-Mitgliedsland, kein strategischer Partner, sondern ein systemischer Rivale, der daran arbeitet, das politische System der Volksrepublik China mit all seinen Facetten und mit all seinen Werten weltweit zu etablieren. Auf diese zunehmend aggressive Negation der offenen Gesellschaft muss entschlossen reagiert wehren. Denn die Wissenschaft als Institution ist untrennbar mit dem liberalen Rechtsstaat verbunden, und eine Wissenschaft, die sich in den Dienst einer totalitären Macht stellt, gibt sich selbst preis.
Die Freien Demokraten fordern daher, die Zulassung und den Fortbestand von Konfuzius-Instituten an allen Hochschulen mit größtmöglicher Sorgfalt zu evaluieren. Hochschulen werden verpflichtet, direkte oder indirekte Mittelzuwendungen aus dem außereuropäischen Ausland skrupulös zu erfassen und transparent zu veröffentlichen.
Abschaffung der Entwicklungshilfe für China
Trotz des rasanten wirtschaftlichen Aufstiegs und dem Status als Staat mit der größten in Kaufkraft gemessenen Wirtschaftsleistung weltweit ist die Volksrepublik China immer noch Empfänger deutscher Entwicklungshilfe. Wir finden: Das Geld inklusive seiner günstigen Kreditvergaben wäre woanders besser investiert.
Wir fordern das Ende jeglicher finanziellen entwicklungspolitischen Maßnahmen aus Deutschland an staatliche Institutionen der Volksrepublik China. Internationale Bildungs- und Menschenrechtsorganisationen (wie die politischen Stiftungen) können weiterhin gefördert werden.
Freien Handel ermöglichen
Die Volksrepublik China ist einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands und der Europäischen Union. Der Handel mit dem Land ist immens wichtig für viele Zweige unserer Industrie, nicht nur als Exportland, sondern auch als Teil der Wertschöpfungskette. Konsumenten haben riesige Vorteile durch den Import von chinesischen Waren. Dennoch wird zu viel Handel durch gegenseitige Zollbeschränkungen verhindert, viele europäische Firmen stehen in der Volksrepublik China unfairen Investitionsbedingungen und Rechtsunsicherheiten gegenüber. Deshalb muss die Europäische Union Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit der Volksrepublik China eröffnen. Nur so kann ein ungestörter freier ökonomischer Austausch zum Vorteil aller ermöglicht werden. Wir fordern, dass die EU folgende Aspekte bei der Verhandlung berücksichtigt:
- Ein soweit wie möglich gehender gegenseitiger Abbau von tarifären Handelsbeschränkungen
- Eine Einigung zu gemeinsamen Industrie- und Warenstandards, die die Anforderungen des europäischen Konsumentenschutzes erfüllen
- Investitionssicherheit für europäische Investoren in der Volksrepublik China, dazu gehört eine Beendigung der Pflicht zu Joint-Ventures und der Preisgabe geistigen Eigentums ausländischer Firmen
- Ungleichbehandlung von chinesischen und nicht-chinesischen Firmen in der Volksrepublik China beenden
- Sicherstellung von Rechten an geistigem Eigentum
- Klares Bekenntnis gegen Wirtschaftsspionage
Begründung
Erfolgt mündlich.