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Freihandel schafft Chancen für Deutschland, Europa und die Welt
Freihandel schafft Chancen für Deutschland, Europa und die Welt
Deutschland ist eine Handels- und Exportnation. Keine andere Volkswirtschaft der G7 hat einen vergleichsweise hohen Außenhandelsanteil am Bruttoinlandsprodukt wie die Bundesrepublik. Das ist auch gut so, weil bereits heute 90 Prozent des weltweiten Wachstums außerhalb des EU-Binnenmarkts stattfindet. Die Globalisierung ist im 21. Jahrhundert angekommen und die Motoren werden in Asien, Afrika und Lateinamerika sein. Unsere Arbeitsplätze, unser Wohlstand und die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft hängen von freiem und regelbasierten Welthandel ab.
Die globalen Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie des völkerrechtswidrige Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine haben die deutsche Wirtschaft hart getroffen. Die starke Verteuerung von Energie, die Störung der Lieferketten und die hohe Inflation haben große Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und gefährden den Standort Deutschland. Gleichzeitig nimmt weltweit die Tendenz zu mehr Protektionismus und Blockbildung zu. Im deutschen und europäischen Interesse sind vor allem resiliente Wertschöpfungsketten. Einseitige Abhängigkeiten beispielsweise bei Rohstoffen oder Halbleitern, entgegnen wir Liberalen mit Diversifizierung von Handelspartnern, nicht mit Abkopplung.
Internationale Krisen und Unsicherheiten bergen aber auch die Chance für Veränderung. Gerade in der Handelspolitik können wir nach vielen Jahren der Stagnation endlich eine neue Dynamik voranbringen und eine Zeitenwende herbeiführen. Um unsere Handelsbeziehungen auszubauen und zu diversifizieren, ist der weltweite Freihandel das Mittel der Wahl. Deswegen setzen wir uns für die Verabschiedung von möglichst vielen Freihandelsabkommen zwischen der EU und anderen Staaten ein. Die Ratifizierung von CETA, des Freihandelsabkommen mit Kanada, im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass die FDP einen echten Unterschied machen kann. Aus diesem Erfolg ziehen wir die Motivation für die fortgesetzte Neuausrichtung unserer Handelspolitik. Geboten ist dabei eine pragmatische Herangehensweise. So werden Standards, die bei Abkommen wie beispielsweise im Ende letzten Jahres geschlossenen Handelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland verhältnismäßig leicht erreichbar sind, für Abkommen mit Indien oder Indonesien zur unüberwindbaren Hürde. Handelsabkommen mit Augenmaß sind für alle Seiten besser als ein Scheitern von Verhandlungen aufgrund von ideologischen Verhandlungszielen.
Wenn es uns gelingt, den Handel Europas mit der Welt zu diversifizieren und zu intensivieren, nimmt der Wohlstand zu, Klima und Umwelt werden wirksamer geschützt und die regelbasierte Friedensordnung wird gestärkt. In diesem Zusammenhang ist es auch dringend geboten, die multilaterale Rechtsordnung zu schützen und notwendige Reformmaßnahmen der WTO gemeinsam mit den USA und Japan, aber auch mit den Schwellen- und Entwicklungsländern anzugehen. Der Abbau von Handelshemmnissen, die Harmonisierung von Standards und Regelungen und den Abbau von Subventionen weltweit, kann nur multilateral gelingen. Dies ist die Voraussetzung für faire Wettbewerbs- und Investitionsbedingungen weltweit. Sollte es hier keine Fortschritte für mehr Transparenz und gegen unfaire Handelspraktiken vor allem von Seiten Chinas geben, wird es nicht zu einer weiteren Liberalisierung des Welthandels kommen, sondern zur Gegenreaktion der Abschottung und des Protektionismus.
Starker Freihandel mit neuen Partnern
EU-Chile
Im Dezember 2022 haben die EU und Chile die Verhandlungen zur Modernisierung ihres bestehenden Assoziierungsabkommens abgeschlossen. Die Verhandlungsrichtlinien wurden im November 2017 vom Europäischen Rat angenommen und definierten den Umfang der Verhandlungen. Das modernisierte erweiterte Rahmenabkommen zwischen der EU und Chile vertieft die Handels- und Investitionsbeziehungen beider Partner. Es beseitigt die meisten verbleibenden Handelszölle auf Waren, vereinfacht den Handel mit Dienstleistungen und erleichtert kleinen Unternehmen die Geschäftstätigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland sollte das Abkommen sobald wie möglich ratifizieren.
EU-Mexiko
Die Europäische Union und Mexiko haben 2018 eine grundsätzliche Einigung über die wichtigsten Handelsteile eines neuen Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Mexiko erzielt. Dieses Abkommen ersetzt das bestehende Abkommen beider Handelspartner von 2000 über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit. Dabei ist auch von Bedeutung, dass Mexiko mit Kanada und den Vereinigten Staaten Mitglied des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) ist. Darüber hinaus besteht unter anderem ein Freihandelsabkommen mit den Staaten Mittelamerikas. Im April 2020 wurden die Verhandlungen zwischen der EU und Mexiko abgeschlossen. Der Vertrag wird EU-Parlament und den EU-Mitgliedstaaten vorgelegt werden. Die Bundesrepublik Deutschland sollte das Abkommen sobald wie möglich ratifizieren.
EU-Australien
Die Europäische Union hat Verhandlungen über ein umfassendes und ehrgeiziges Handelsabkommen mit Australien aufgenommen. Die EU ist Australiens zweitgrößter Handelspartner nach China. Der bilaterale Warenhandel zwischen den beiden Partnern hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Durch das Freihandelsabkommen könnte der Handel mit Waren und Dienstleistungen zwischen den beiden Partnern um rund ein Drittel zunehmen. Für die EU sind dabei die großen Rohstoffvorkommen in Australien von besonderer Bedeutung. Die Bundesregierung sollte sich in Brüssel für einen raschen Abschluss der Verhandlungen einsetzen.
EU-Mercosur
Im Jahr 1999 begannen die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Mitgliedsländern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. 20 Jahre später kam es zu einer grundsätzlichen Einigung zwischen der Europäischen Kommission und den Mercosur-Staaten zum Freihandelsteil. Das Freihandelsabkommen hat enormes Potential. Mit seinem Abschluss würde die weltweit größte Freihandelszone mit mehr als 710 Mio. Einwohnern entstehen. Im Freihandelsteil würden 91 Prozent der Zölle zwischen der EU und dem Mercosur gehandelten Waren fallen. Im Mercosur-Raum sollen darüber hinaus künftig die geografischen Herkunftsbezeichnungen von 357 europäischen Nahrungsmitteln geschützt werden. Das sogenannte Trade and Sustainable Development Kapitel (TSD) enthält Regelungen zu den Themen Arbeit, Umwelt und Klima. Die Mercosur-Staaten haben sich darin zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichtet. Von europäischer Seite stehen insbesondere der Energie- und Rohstoffhandel mit den Mercosur-Staaten im Vordergrund. Die Bundesregierung sollte sich in Brüssel für einen baldigen Abschluss der Verhandlungen einsetzen.
EU-Thailand
Die EU und Thailand haben im März 2023 bekannt gegeben, dass sie nach knapp zehn Jahren Pause ihre Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen wieder aufnehmen. In den kommenden Monaten solle es eine erste Verhandlungsrunde geben. Beide Seiten hatte erstmals 2013 Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufgenommen. Diese wurden nach der Machtübernahme durch das thailändische Militär 2014 jedoch ausgesetzt. Im Zentrum soll unter anderem das Thema Nachhaltigkeit stehen. Die Kommission kündigte an, dass eine Untersuchung in Auftrag geben werden soll, die wirtschaftliche, ökologische, menschenrechtliche und soziale Auswirkungen eines Abkommens analysiert. Die Bundesregierung sollte sich in Brüssel für die rasche Planung der ersten Verhandlungsrunde einsetzen.
EU-Indien
Im Juni 2022 hat die Europäische Union die Verhandlungen mit Indien über ein Freihandelsabkommen wieder aufgenommen und separate Verhandlungen über ein Investitionsschutzabkommen und ein Abkommen über geografische Angaben eingeleitet. Die EU ist Indiens drittgrößter Handelspartner. Indien ist der zehntgrößte Handelspartner der EU. Australien ist es gelungen, mit einem „Early-Harvest-Abkommen“ einen pragmatischen Zwischenschritt auf dem Weg zu einem Freihandelsabkommen mit Indien abzuschließen. Die Bundesregierung sollte sich in Brüssel dafür einsetzen, eine vergleichbare Möglichkeit für den Freihandel zwischen der EU und Indien zu eruieren und die Verhandlungen produktiv fortzusetzen.
EU-Indonesien
Die EU verhandelt seit 2016 mit Indonesien über ein Freihandelsabkommen. Ziele sind, den Zugang zu neuen Märkten zu schaffen, den Handel und die Investitionen zwischen der EU und Indonesien zu steigern und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Die Absicht ist es, ein Abkommen zu schließen, das in seinem Umfang den Handelsabkommen mit Singapur von 2014 und Vietnam von 2015 entspricht. Die Bundesregierung sollte sich in Brüssel für die rasche Fortsetzung der Verhandlungen einsetzen.
EU-USA
Unter der Präsidentschaft von Donald Trump kamen die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA zum Erliegen. Nun ist es an der Zeit für einen Neustart der Verhandlungen. Die Schaffung eines transatlantischen Wirtschaftsraums ist die beste Antwort auf die Versuche autokratischer Regime, einen Keil in die westliche Wertegemeinschaft zu treiben. Die Bundesrepublik Deutschland muss im Europäischen Rat aktiv werden, um eine Initiative für neue Verhandlungen über einen gemeinsamen transatlantischen Wirtschaftsraum für Freihandel und fairen Handel ergreifen. Ihre wichtigsten Ziele sind, Industriezölle abzuschaffen, Marktzugangsbarrieren für Zukunftstechnologien abzuschaffen, besonders mit Blick auf Dekarbonisierung, Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft und gemeinsame Standards festzulegen.
Insbesondere vor dem Hinblick des amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) muss klar sein, dass es mehr Zusammenarbeit, anstatt Subventionsspiralen braucht, um die westlichen Demokratien auf einen klimaneutralen Industriepfad zu bringen. Die Bundesrepublik soll sich vor diesem Hintergrund weiterhin entschieden für eine stärkere Einbindung der EU in die Kulisse des IRA einsetzen. Durch die bestehende Ratifizierung von CETA und die anstehende Ratifizierung des Abkommens mit Mexiko erhält ein Freihandelsabkommen mit den USA eine zusätzliche Bedeutung, da mit diesem Abkommen das gesamte handelspolitische Potenzial des nordamerikanischen Raums erschlossen werden könnte.
Wir Freie Demokraten fordern daher:
- Den Abschluss und die Ratifikation des EU-Mercosur-Abkommens noch im Jahr 2023.
- Die rasche Ratifikation der Freihandelsabkommen zwischen der EU und Chile und der EU und Mexiko durch den Deutschen Bundestag.
- Den raschen Abschluss der Verhandlungen über Freihandelsabkommens zwischen der EU und Australien.
- Die rasche Einleitung der nächsten Verhandlungsschritte bei den Freihandelsabkommen mit Indien, Indonesien und Thailand.
- Die Initiierung eines Gespräch mit den USA über einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen für einen transatlantischen Wirtschaftsraum. Zugleich müssen wir daran arbeiten, dass bereits Zwischenschritte erfolgen und die bestehenden Instrumente als Hebel dienen können, um den Inflations Reduction Act nicht zu einer Hürde für den transatlantischen Handel werden zu lassen.
- Die Durchführung einer abgestuften handelspolitischen Agenda und die pragmatische Ausrichtung der Verhandlungen. Ideologische Blockaden und jahrzehntelange Verhandlungsrunden müssen der Vergangenheit angehören. Wir dürfen unsere Handelspartner weltweit nicht mit überzogenen Forderungen an deren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen überfordern.
- Eine Reform der WTO und somit die Sicherung von fairen weltweit geltenden Wettbewerbs- und Investitionsbedingungen.
- Die Entwicklung handelspolitischer Schutzinstrumente im Hinblick auf wettbewerbsverzerrende Subventionen, um weiterhin offene Märkte zu garantieren.
- Den Abschluss weiterer weltweiter Handels- und Investitionsschutzabkommen, um kritische Abhängigkeiten von einzelnen Staaten abzubauen. Souveränität entsteht nicht durch Re-shoring, sondern durch Diversifizierung der Waren- und Dienstleistungsströme.
- Die Abschaffung aller Zölle, den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse und die komplette Abschaffung aller handelsverzerrender Subventionen. Diese Freihandelspolitik führt zu mehr Wohlstand und Frieden auf der Welt.
- Perspektivisch die Schaffung einer Weltfreihandelszone der liberalen Demokratien mit dem Ziel, mehr geopolitische Stabilität zu erreichen. Insbesondere im Bereich der kritischen Abhängigkeiten sollten wir aus unseren Wertepartnern auch Handelspartner machen.
Begründung
Erfolgt mündlich.