Wir sollten die Grenzen innerhalb Europas wieder öffnen
Christian Lindner findet: „Für eine zweite Infektionswelle ist es eine kluge Strategie, regional differenziert vorzugehen. Wenn die Zahl der Infizierten an einem Ort zunimmt, muss dort wieder geschlossen werden, nicht aber das ganze Land.“ Der Bund sei gefordert, schnellstmöglich die digitale Nachverfolgung von Infektionsketten mit der angekündigten App zu realisieren. „Und die Grenzen innerhalb Europas sollten wir wieder öffnen“, sagt er im Gespräch mit dem Spiegel.
Er warf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vor, in dieser Frage „halsstarrig“ zu sein — dies sei kein Beitrag zur Völkerverständigung. „Wenn es auf der anderen Seite der Grenzen Bereitschaft zur Öffnung gibt, dann darf es auf der deutschen Seite nicht länger eine Blockade geben.“ Diese gelte auch für die unnötige Quarantänepflicht für Reisende aus dem europäischen Ausland.
Deutschland hatte erstmals Mitte März Grenzkontrollen angeordnet und dann verlängert. Menschen, die weder Deutsche noch dauerhaft hier ansässig sind, dürfen seither nur noch aus einem „triftigen Reisegrund“ nach Deutschland kommen. Die Einreise ist zudem auf bestimmte Grenzübergänge beschränkt. Außerdem mus sich jeder, der aus dem Ausland nach Deutschland einreist, für zwei Wochen in Quarantäne begeben.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff spricht sich gegen eine Quarantäne etwa für Rückkehrer aus Schweden und den Niederlanden aus. „Grenzen sollten immer nur dann geschlossen werden, wenn es ein Infektionsgeschehen gibt“, betont Lambsdorff. Pauschale Grenzschließungen seien der falsche Weg. “Es wäre viel besser die europäischen Mitgliedsstaaten hätten sich besser abgesprochen, hätten miteinander vereinbart, welche Maßnahmen sinnvoll sind und welche nicht.“ Darum sei es richtig, „wenn Armin Laschet jetzt beispielsweise sagt, man soll die Quarantäne für Rückkehrer beispielsweise aus den Niederlanden oder Schweden aufheben. Das macht ja überhaupt keinen Sinn mehr.“
Grenzkontrollen halten das Virus nicht auf
In der Debatte um eine Öffnung der innereuropäischen Grenzen in der Corona-Krise hat auch Bayerns FDP-Generalsekretär Lukas Köhler den Nutzen der Grenzschließungen infrage gestellt. „Die Grenzschließungen sind unverhältnismäßig, selektiv und ihr Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist mehr als fraglich“. Vor allem sieht Köhler nun Bundesinnenminister Horst Seehofer in der Pflicht: „Das Schließen unserer Grenzen ist nicht mehr als Placebo-Politik und gehört abgeschafft“, sagte er. Grenzkontrollen hielten das Virus nicht auf, behinderten aber den Warenverkehr und gefährdeten Versorgungsketten, argumentierte der FDP-Politiker.
Zudem führten die Kontrollen zu kilometerlangen Staus an den Grenzübergängen. „Das ist auch aus umweltpolitischer Sicht unverantwortlich“, sagte der Umweltexperte. Besonders in Krisenzeiten brauche es indes „mehr Europa und nicht weniger“, so Köhler. „Wir müssen jetzt gemeinsam an grenzüberschreitenden Lösungen im Kampf gegen Corona arbeiten. Dazu gehören auch zwischen den Staaten gut abgestimmte Maßnahmen. Schlagbäume helfen uns hier nicht weiter.“
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