WISSING-Interview: Schaden für Gaststätten verheerend

FDP-Generalsekretär Dr. Volker Wissing gab der „Westdeutschen Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) folgendes Interview. Die Fragen stellte Stefan Biestmann:

Frage: Der beschlossene Teil-Lockdown stößt in vielen Branchen auf Kritik. Was hätten Sie anders gemacht?

Wissing: Die aktuelle Krisen-Politik ist bislang sehr stark obrigkeitsstaatlich geprägt. Der Staat bekommt die Pandemie aber nicht allein mit Verordnungen in den Griff. Entscheidend ist, die konstruktive Mitwirkung, das individuelle Verhalten und die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Ich hätte mir gewünscht, dass wir dies viel stärker aufgreifen. Warum hat sich die Kanzlerin nicht in einer Rede an die Nation direkt an die Bürgerinnen und Bürger gewandt und so das deutliche Signal gesetzt, dass wir vor einem Kraftakt stehen, den wir nur gemeinsam bewältigen können.

Frage: Reichen die geplanten neuen Hilfen von bis zu zehn Milliarden Euro für die Wirtschaft aus?

Wissing: Es ist müßig über die Höhe der Hilfen zu diskutieren, für die Gastronomie ist der Schaden bereits da und er ist verheerend. Alleine schon die Ankündigung der Maßnahmen hat das deutliche Signal in die Öffentlichkeit gesendet, dass aus Sicht der Bundesregierung Restaurants und Bars keine sicheren Orte mehr sind. Den Beweis dafür ist die Bundesregierung aber schuldig geblieben. Wer mit seiner Kommunikation den Lebensunterhalt von Millionen Menschen infrage stellt, sollte dann nicht nur etwas, sondern vollständig entschädigen. Das ist eine Frage der Fairness.

Frage: Sie haben kürzlich zu viel Aktionismus in der Corona-Politik bemängelt. An welche Art von Aktionismus denken Sie?

Wissing: Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat zuerst ein Beherbergungsverbot eingeführt. Wenig später sagt er, es sei nicht so wichtig. Und wieder ein paar Tage später schafft er das Verbot ab. Mit so einem Zickzack-Kurs überzeugt man niemanden. So kann man keine Pandemie wirksam bekämpfen.

Frage: Immer mehr Politiker fordern, den Bundestag in der Corona-Pandemie stärker zu beteiligen. Reicht es aus, wie von der CDU angedeutet, damit bis zur nächsten Pandemie zu warten?

Wissing: Das Grundprinzip unserer Verfassung sieht vor, dass die wesentlichen Entscheidungen vom Parlament getroffen werden. Wir haben eine Fülle von Grundrechtseingriffen erlebt. Es wäre dringend notwendig, dass wir die Rolle des Parlaments bei der Pandemiebekämpfung stärken. Es wäre fatal, damit erst bei der nächsten Pandemie zu beginnen. Gerade wenn es um die Frage der Eigenverantwortung der Bürger geht, ist es doch wichtig, dass wir auch eine offene Debatte über den richtigen Weg haben. Es geht um massive Grundrechtseingriffe und massive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Das wird uns in den nächsten Jahren noch erheblich belasten.

Frage: Sie haben gesagt, Sie halten im Jahr 2021 ein zweites Wirtschaftswunder für möglich. Wie kann das gelingen?

Wissing: Deutschland steht vor der Herkulesaufgabe, neben der gestiegenen Staatsverschuldung die demografische Entwicklung zu stemmen sowie die Transformationen der Autoindustrie, die Digitalisierung und den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Wir können das nur schaffen, wenn wir das stärken, was uns in der Vergangenheit geholfen hat. Wir brauchen Entlastung, mehr Investitionsanreize und müssen die Kreativität jedes Einzelnen fördern. Völlig kontraproduktiv wäre es, die Steuern zu erhöhen. Ein zweites Wirtschaftswunder ist möglich. Wir müssen nur das Richtige dafür tun.

Frage: Ihr Amt als rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister wollen Sie noch bis März weiterführen. Sind Sie als FDP-Generalsekretär nicht ausgelastet?

Wissing: Die neue Herausforderung ist natürlich groß. Für einen gewissen Zeitraum kann man diese beiden Aufgaben aber durchaus bewältigen.

Frage: In Rheinland-Pfalz reagiert die FDP relativ geräuschlos als Teil der „Ampel“ mit SPD und Grünen. Ist das auch Ihre Wunschkoalition auf Bundesebene?

Wissing: Mir geht es nicht um Wunschkoalitionen, mir geht es darum, liberale Politik zu machen. Mein Ziel ist ein gutes Wahlergebnis für die Freien Demokraten, auf dessen Grundlage wir dann, die uns wichtigen Projekte in eine Regierung einbringen können. Wir wollen auch bei der nächsten Wahl zweistellig werden und Regierungsverantwortung übernehmen.  

Frage: Das war 2017 noch anders, als die FDP die Jamaika-Koalitionsgespräche platzen ließ. Sie hätten während der Corona-Pandemie als Teil der Regierung mitgestalten können. Trauern Sie dieser vergebenen Chance hinterher?

Wissing: Ich hätte mich damals gefreut, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Aber die CDU hat uns keine inhaltlichen Spielräume gegeben, wir hätten nur Posten besetzen sollen – das konnten und wollten wir nicht mitmachen. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass sich das nach der nächsten Wahl ändern wird. Die FDP will inhaltlich gestalten – und mitregieren.

Zur Übersicht Pressemitteilungen