WISSING-Interview: Die FDP ist eine Regierungspartei

Der FDP-Generalsekretär Volker Wissing gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Montagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz.

Frage: Herr Wissing, ein FDP-Bundesparteitag mit mehr als 600 Delegierten in Corona-Zeiten und steigenden Infektionszahlen. Sind Sie damit nicht ein hohes Risiko eingegangen?

Wissing: Wir haben strenge Hygienevorschriften eingehalten. Nach unserer Satzung müssen wir jedes Jahr mindestens einen Parteitag abhalten. Demokratie muss auch gelebt werden. Der Parteitag hat uns spürbar gutgetan, jenseits von virtuellen Konferenzen wieder persönlich zusammenzukommen. Wir können Demokratie nicht nur virtuell organisieren.

Frage: In den Umfragen liegt die FDP nur noch bei fünf Prozent. Sie sollen die Partei als neuer Generalsekretär wieder aus der Krise und in den Bundestagswahlkampf führen. Wie soll der auf dem Parteitag beschworene Aufbruch gelingen?

Wissing: Deutschland befindet sich in einer der schwersten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte. Die Bundesregierung verabschiedet sich gerade schrittweise von den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. Die FDP will das Erbe von Ludwig Erhard bewahren. Wir brauchen wieder ein Wirtschaftswunder und dafür eine andere Wirtschaftspolitik.

Frage: Die FDP also wieder in der alten Rolle der Wirtschafts- und Steuersenkungspartei?

Wissing: Wir sind programmatisch breit aufgestellt. Die Wirtschaftspolitik spielt allerdings gerade eine ganz zentrale Rolle. Es wäre fahrlässig, wenn wir uns in dieser Krise nicht darauf konzentrieren würden.

Frage: Die FDP will 2021 wieder in die Regierung. War es nach er Bundestagswahl 2017 nicht ein schwerer Fehler, die Jamaika-Verhandlungen mit Union und Grünen platzen zu lassen und nicht in die Bundesregierung zu gehen?

Wissing: Die FDP ist eine Regierungspartei. Wir wollen gestalten, sind nicht extrem und haben in der Opposition immer ein Wahrnehmungsproblem. In der Regierung können wir unsere Stärke als Partei der Marktwirtschaft ausspielen. 2017 war das mit der Union und den Grünen aber nicht möglich gewesen. Da war steuerpolitisch nichts zu machen, nicht einmal die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Man wollte gar nicht mit uns regieren. Nur am Kabinettstisch und im Dienstwagen zu sitzen, ohne gestalten zu können, ist für Freie Demokraten aber kein Anreiz.

Frage: Jetzt will Christian Lindner unbedingt 2021 in die Regierung, und verbindet das sogar mit seiner Zukunft als Parteichef. Heißt es jetzt, regieren um jeden Preis?

Wissing: Nein, sicher nicht. Es bleibt dabei: Lieber nicht regieren als schlecht regieren. Wir müssen uns mit möglichen Regierungspartnern nach der Bundestagswahl über eine Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft unterhalten. Wir brauchen ein gerechteres Steuersystem und Entlastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Außerdem muss eine Unternehmensteuerreform auf den Weg gebracht werden, um Arbeitsplätze zu sichern und die Abwanderung von Betrieben zu verhindern. Die Regierungspolitik braucht eine andere Richtung. Sonst sind wir nicht dabei.

Frage: Sie wollen das Wahlalter auf 16 Jahre absenken. Was spricht dafür?

Wissing: Junge Menschen interessieren sich früher für Politik und wollen sich auch einbringen. Das sieht man etwa an der Bewegung Fridays for Future. Dann sollte man ihnen auch die Möglichkeit dazu geben. Es gibt andere Länder wie Österreich, die gute Erfahrungen damit gemacht haben. Man muss dafür auch nicht die Volljährigkeit absenken oder die Strafmündigkeit. Wir sollten uns freuen, wenn junge Menschen Lust haben, Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen junge Menschen ernstnehmen und ihnen etwas zutrauen.

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