THEURER-Interview: Wir wollen so viel FDP wie möglich sichtbar werden lassen

Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer gab der „Superillu“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Thilo Boss:

Frage: Herr Theurer, die ersten Sondierungsrunden haben Sie geschafft. Sind jetzt die Weichen für eine Jamaika-Koalition gestellt?

Theurer: So schnell geht das auch wieder nicht. CDU/CSU, die Grünen und wir haben klar gemacht, was für uns wichtig ist und was wir in einer kommenden Bundesregierung umsetzen wollen. Noch sind wir in der Schnupperphase. Das ist ein bisschen wie bei Igeln, die sich lieb haben. Man tastet sich vorsichtig ran, kennt langsam die Stacheln der anderen.

Frage: Und – verhandeln Sie nun?

Theurer: Da gilt der politische Dreiklang: erst sondieren, dann verhandeln, dann vielleicht koalieren. Als demokratische Partei sprechen wir natürlich mit den anderen demokratischen Parteien. Nur so funktioniert Demokratie. Wer in den Bundestag gewählt worden ist, sollte sich der Verantwortung stellen und dann versuchen, sein Programm im Sinne seiner Wählerinnen und Wähler umzusetzen. Wir wollen so viel FDP wie möglich sichtbar werden lassen.

Frage: Sie haben also schon rote Linien gezogen?

Theurer: Nun mal langsam! Wir haben die Verhandlungen noch gar nicht richtig begonnen. Uns als FDP geht es auch nicht um rote Linien, sondern um Trendwenden in der Wirtschaftspolitik, die unseren Standort wettbewerbsfähiger und damit zukunftsfähiger machen. Das schafft Jobs, Wohlstand und zahlt sich für die gesamte Gesellschaft aus. Dazu nur ein Beispiel: Deutschland braucht dringend ein Einwanderungsgesetzbuch, das zwischen Asyl für wirklich individuell Verfolgte, einem vorübergehenden humanitären Schutz für Flüchtlinge und der Einwanderung in den Arbeitsmarkt unterscheidet. Wer auf Dauer bleiben darf, den wollen wir uns selbst aussuchen. Vorbild ist Kanada mit seinem Punktesystem.

Frage: Aber das löst doch nicht die Flüchtlingsströme …

Theurer: Wenn der Aufenthalt von Kriegsflüchtlingen zeitlich begrenzt wird, schafft das Klarheit und sorgt damit bei uns für mehr Toleranz in der Gesellschaft. Nach Ende des Krieges können heimkehrende Flüchtlinge ihre Heimat wieder aufbauen und dort demokratische Strukturen schaffen. Das sollte eine Herzensangelegenheit von uns allen sein. Gleichzeitig müssen wir aber die EU-Außengrenzen besser schützen und dürfen uns nicht nur auf die Türkei verlassen. Auch das gehört zur ganzen Wahrheit.

Frage: Die alte Bundesregierung hatte einen Marshallplan für Afrika ausgerufen, um Flüchtlingsströme zu kappen. Was halten Sie davon?

Theurer: Durch eine neue Grenzpolizei, die bessere Zusammenarbeit in der EU und die gemeinsame Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika muss die neue Bundesregierung zum Taktgeber werden. Denn Afrika ist auch ein Chancen-Kontinent. Das wird durch das hohe Wirtschaftswachstum in vielen afrikanischen Ländern deutlich. Dieses enorme Potenzial müssen wir durch verstärkte wirtschaftliche Kooperation in der Außenwirtschaftspolitik im gegenseitigen Interesse nutzen und ausbauen.

Frage: Das kostet aber alles. Wie wollen Sie das bezahlen, wenn in Deutschland schon Geld für marode Brücken und das schnelle Internet fehlen?

Theurer: Einspruch! Die FDP hat Finanzierungsvorschläge vorgelegt, um unsere maroden Brücken zu sanieren und hochleistungsfähige digitale Glasfasernetze in Stadt und Land auszubauen.

Frage: Welche Vorschläge sind das denn?

Theurer: Die Finanzmittel für den Breitbandausbau wollen wir durch den Verkauf der Telekom- und Postanteile bereitstellen. Für den Ausbau und die Sanierung der Verkehrsinfrastruktur sollte die neue Bundesregierung in den nächsten 20 Jahren jeweils zwei Milliarden Euro aus dem Steueraufkommen in einen eigenen Infrastrukturfonds einzahlen. Davon würden Stadt und Land gleichzeitig profitieren, und das würde auch dem Mittelstand zugutekommen, der mir besonders am Herzen liegt.

Frage: Ein Problem bleibt, dass es in Deutschland ein erhebliches wirtschaftliches Gefälle gibt. Ostdeutschland hinkt mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch dem Westen hinterher.

Theurer: Einen wichtigen Impuls, gerade für Ostdeutschland, erwarte ich durch die steuerliche Forschungsförderung, mit der Betriebe einen bestimmten Prozentsatz ihrer Personalaufwendungen für Forschung und Entwicklung als Prämie erhalten. Zusätzlich sollten wir als wirtschaftlichen Impuls Cluster weiterentwickeln und aufbauen, um den notwendigen Technologietransfer zwischen Unternehmen und Branchen zu verbessern.

Frage: Hört sich sehr theoretisch an, was heißt das konkret?

Theurer: Dass beispielsweise die Elektromobilität für Ostdeutschland zu einer Schlüsseltechnologie der Zukunft wird. Leipzig und Dresden sind hier heute bereits gut aufgestellt. In der Mikroelektronik ist Ostdeutschland schon seit Jahrzehnten Weltspitze. Die neue Bundesregierung muss das ausbauen und in Forschung und Entwicklung investieren.

Frage: Der Verbrennungsmotor hat also ausgedient, so wie es die Grünen fordern?

Theurer: Wie kommen Sie denn da drauf? Das wäre Unsinn. Niemand weiß heute, welche Technologie sich bis zum Jahr 2030 durchsetzt. Wir wollen eine ideologiefreie, marktwirtschaftliche Sicht der Dinge und Technologieoffenheit. Dafür steht die FDP.

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