TEUTEBERG-Interview: Nicht nervös machen lassen

Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg gab der „Märkischen Oderzeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Stefan Kegel.

Frage: Frau Teuteberg, wie haben Sie die bisherigen Bundestagssitzungen unter den Corona- Bedingungen erlebt?

Teuteberg:  Es ist sehr gewöhnungsbedürftig, funktioniert aber auch. Ich empfinde es generell als belastend, Menschen nicht mehr die Hand geben zu dürfen. Intuitiv Nähe zu suchen, ist ein Zeichen von Wertschätzung. Daher fehlt es mir auch, Menschen, die man lange nicht gesehen hat, zur Begrüßung zu umarmen. Da geht zwangsläufig auch ein Stück Spontaneität verloren. Doch es gibt in diesen Zeiten viel einschneidendere Einschränkungen und Probleme, wie zum Beispiel Existenzsorgen und Einsamkeit.

Frage: Für eine Partei wie die FDP gehört es zu den grundlegenden Glaubenssätzen, anderen Menschen offen und unverhüllt entgegenzutreten. Wie kommen Sie mit Masken klar? Haben Sie selbst eine?

Teuteberg:  Ja, die Fraktion stellt welche zur Verfügung. Persönlich habe ich noch eine aus Stoff. Die hat eine Nachbarin genäht. Ich selbst finde das Maske-Tragen gewöhnungsbedürftig. Aber Masken können Teil einer sinnvollen Strategie sein, das Risiko einer Ansteckung zu mindern. Wenn man damit auf verantwortungsvolle Weise ein wenig mehr Öffnung hinbekommt, dann bin ich dafür.

Frage: Die Bundesregierung und das RobertKoch-Institut standen Masken nicht immer so positiv gegenüber …

Teuteberg:  Schwierig finde ich, dass am Anfang so getan wurde, als seien Masken per se unnütz. Man hätte auch offen sagen können: Wir haben nicht genug Masken, und wir müssen erst das medizinische Personal und die Pflegekräfte damit versorgen. Mit dieser widersprüchlichen Kommunikation ist Vertrauen verspielt worden.

Frage: Aber der Gedanke hinter der Kritik an der Maskenpflicht war ja auch, dass die Menschen unvorsichtig werden, weil sie sich mit Maske geschützt fühlen und den Sicherheitsabstand vernachlässigen.

Teuteberg:  Umso wichtiger ist es, dass der Öffnung eine Debatte vorausgeht. Wir haben Wochen erlebt, in denen die Regierung signalisiert hat, dass man gar nicht über Öffnungen und deren Voraussetzungen reden solle. Dabei ist Reden ja nicht dasselbe, wie die Maßnahmen sofort umzusetzen. Im Gegenteil schafft die öffentliche Debatte überhaupt erst das Bewusstsein dafür, dass Abstand und Hygiene weiterhin wichtig sind, wenn man Schulunterricht, Einzelhandel, Demonstrationen und Versammlungen schrittweise wieder erlaubt. Eine Debatte zu führen, ist Ausdruck von Verantwortung, nicht von Leichtsinn.

Frage: In Ihrem ersten Jahr als Generalsekretärin hat sich Ihre Präsenz im Fernsehen erhöht. Woran lag es, dass man Sie am Anfang nicht so wahrgenommen hat?

Teuteberg:  Es liegt ja in der Freiheit jeder Redaktion, wen sie einlädt. Und es gab in der Anfangszeit auch manche Umbesetzungen, selbst wenn ich ursprünglich angefragt war. Das braucht offenbar ein bisschen Zeit.

Frage: Frustriert das eine Generalsekretärin, wenn der eigene Parteichef so dominant ist?

Teuteberg:  Damit kann ich gut umgehen. Ich mache meine Arbeit und setze darauf, dass das immer stärker wahrgenommen wird. Und, glauben Sie mir, auch Christian Lindner würde sich freuen, wenn es mehr zusätzliche Einladungen an weitere FDP-Politiker gäbe. Denn auch er strebt an, dass die Leute mit der FDP mehr Gesichter verbinden als seines.

Frage: In der Krise sind einige liberale Herzensthemen umstritten. Für die Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden die Grundrechte eingeschränkt, bei manchen großen Firmen sind teilweise Verstaatlichungen im Gespräch. Gleichzeitig steht die FDP in Umfragen bei fünf Prozent. Wie kommt das?

Teuteberg:  Wenn Sie sich Umfragen anschauen, dann sehen Sie, dass aktuell die Beliebtheit von Politikern und Parteien von der inhaltlichen Präferenz der Bürger ziemlich stark entkoppelt ist. Das ist paradox – die Mehrheit der Bürger ist für mehr Lockerungen, aber es steigen ausgerechnet die Werte derjenigen Ministerpräsidenten, die den striktesten Kurs fahren.

Frage: Wie reagieren Sie darauf?

Teuteberg: Das erfordert eine wachsame Gelassenheit, sich davon nicht nervös machen zu lassen und zu tun, was unsere Aufgabe ist. Dazu gehört, die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in die persönliche Freiheit zu stellen, auch wenn das nicht immer unmittelbaren Applaus bringt. Erklärungsbedürftig ist in unserem freiheitlichen Rechtsstaat die Einschränkung von Grundrechten durch den Staat, nicht deren Ausübung. Die Freiheitssehnsucht der Bürger bedarf keiner Rechtfertigung.

Frage: Durch die Krise werden die Staatsschulden massiv steigen. Hinterlassen wir der nächsten Generation außer Klimaproblemen auch noch einen Riesenberg Schulden?

Teuteberg:  Unser Wirtschaftsleben ist ja nicht wegen eigener Schwächen in Schwierigkeiten geraten, sondern wegen der Auswirkungen des Virus. Leider führt das jetzt dazu, dass Deutschland Schulden macht. Auch meine Partei hat diesen Maßnahmen schweren Herzens zugestimmt, weil sie notwendig waren. Umso mehr müssen wir aufpassen, dass wir das Schuldenmachen nicht zum Prinzip erheben, so als stünde Geld unbegrenzt zur Verfügung. Die große Koalition hat vor der Krise die Ausnahmekonjunktur genutzt, um lauter Wohltaten zu beschließen, die teure und langfristige Verpflichtungen für die Zukunft darstellen, statt Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Die Rente mit 63, die Mütterrente oder die geplante Grundrente. Das wird uns noch auf die Füße fallen. Dafür hat man zum Beispiel den Katastrophenschutz in den vergangenen Jahren offenbar nicht mehr so stark als öffentliche Aufgabe gesehen. Geld wurde lieber für anderes ausgegeben.

Frage: Sie meinen, der Staat hat den Katastrophenschutz vernachlässigt?

Teuteberg:  Trotz Rekord-Steuereinnahmen ist in diesem Bereich keine ausreichende Vorsorge betrieben worden. Das sollte uns zu denken geben, genauer zu hinterfragen, was Aufgaben des Staates sind. Wir müssen aus dieser Krise etwas lernen und bei den Kernaufgaben des Staates Prioritäten setzen.

Frage: Trotzdem war Deutschland doch offensichtlich gut vorbereitet. In wenigen europäischen Ländern gab es, gemessen an der Bevölkerungszahl, so wenige Tote wie hier.

Teuteberg:  Im Vergleich zu manch anderen Ländern ja. Entgegen vieler Unkenrufe haben wir ja auch relativ viele Intensivbetten und waren in der Lage, diese nochmals schnell aufzustocken. Gerade diese Leistungs- und Anpassungsfähigkeit ist eine Stärke unserer sozialen Marktwirtschaft, die uns ein hohes Versorgungsniveau ermöglicht. Es wäre auch falsch, dauerhaft Überkapazitäten bereitzuhalten für eine Ausnahmesituation. Denn das kostet Geld, das dann wieder an anderer Stelle fehlt. Wir sollten auch im Katastrophenschutz das richtige Maß finden. Es geht um schnell aktivierbare Reserven, um verlässliche Lieferketten, um Vielfalt und Wettbewerb statt einseitiger Abhängigkeiten.

Frage: Was halten Sie von Vorstößen, ältere Menschen länger im Shutdown zu halten?
 
Teuteberg: Zu Ostern gab es einen bemerkenswerten Appell von Menschen der älteren Generation aus Wirtschaft und Gesellschaft, die es als sinnvoll erachteten, sich von sich aus mit sozialen Kontakten zurückzuhalten, um das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben wieder öffnen zu können, auch im Interesse ihrer Kinder und Enkel. Aber wir sollten keine undifferenzierten Freiheitseinschränkungen mit der sprichwörtlichen Bazooka des Finanzministers vornehmen. Ein differenzierter Schutz für besonders gefährdete Menschen sollte Teil einer verantwortungsvollen Öffnungsstrategie bleiben.

Frage: Bazooka als typisches Männerwort ist ein gutes Stichwort. Wie fühlt es sich an, in der Männerpartei FDP Politik zu machen?

Teuteberg:  Es ist ein parteiübergreifendes Phänomen – das liegt auch an der Überzahl historischer männlicher Vorbilder –, dass unbewusst das Männliche zum Maß des Menschlichen gemacht wird. Es wird damit auch zum Maßstab dessen gemacht, wie Politiker zu sein haben. Oft unbewusst, aber hartnäckig und folgenreich. Gleich ob Mann oder Frau – jeder, der in der Politik etwas erreichen will, muss Leidenschaft für Politik haben, muss konfliktfähig sein, Kritik aushalten, sich Debatten stellen und Durchhaltevermögen haben. Übrigens war die FDP die erste Partei, die eine Generalsekretärin hatte: Irmgard Adam-Schwaetzer 1982.

Frage: Vor 30 Jahren wurde Deutschland wiedervereinigt. Sehen Sie die Welt anders als ein Liberaler aus dem Westen?

Teuteberg:  Gerade für Liberale gilt ja, dass man sich als Individuum begreift und weniger als Teil eines Kollektivs. Eine vollkommen einheitliche Sicht auf die Dinge wird man bei der FDP nicht finden. Zwar sind sich Liberale einig in ihrer Wertschätzung der Freiheit, aber aus unterschiedlichen Erfahrungen.

Frage: Und wie sieht man es aus DDR-Perspektive?

Teuteberg:  Wenn man die DDR noch erlebt hat, dann weiß man aus eigener sinnlicher Wahrnehmung, wie sich eine Mangelwirtschaft anfühlt und wie verfallene Bausubstanz die Innenstädte prägte. Wenn man ewig in der Schlange steht, um eine bestimmte Ware zu bekommen oder Beziehungen haben muss, um sie zu ergattern. Man weiß dann auch, was der Mangel an Rechtsschutz gegen staatliche Maßnahmen für Menschen bedeuten kann oder was es heißt, nicht frei wählen zu können, wer die Geschicke des Landes bestimmt.

Frage: Gibt es einen Ort, an dem Sie am liebsten sind?

Teuteberg:  Als Brandenburgerin, die südöstlich von Berlin aufgewachsen ist, hänge ich sehr an den dortigen Wäldern und Seen. Auch in Potsdam, wo ich jetzt schon 20 Jahre wohne, ist es an der Havel sehr schön. Das ist Heimat, mit dieser Landschaft fühle ich mich verbunden.

 

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